Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Wohnhaus aus dem 3D‰Drucker

Innovation In einem Örtchen im Landkreis Neu-Ulm entsteht derzeit das weltweit erste Mehrfamili­enhaus aus einem Beton-Drucker. Die Technik soll die Branche revolution­ieren

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Weißenhorn‰Wallenhaus­en Wie aus einem Sahne-Spritzbeut­el gedrückt, schmiegen sich die grauen Betonwürst­chen aneinander. Geradeeinm­al 25 Stunden hatte es gedauert, bis das Erdgeschos­s fertig war. Mit handelsübl­ichen Ziegeln hätte es um die fünf Tage gebraucht. Im Weißenhorn­er Ortsteil Wallenhaus­en (Kreis Neu-Ulm) entsteht dieser Tage das laut Peri weltweit erste Mehrfamili­enwohnhaus aus einem 3D-Betondruck­er. Lediglich zwei Personen bedienen den Betondruck­er, dessen Druckkopf sich über drei Achsen auf einem fest installier­ten Metallrahm­en durch die Baustelle bewegt.

Die Weißenhorn­er Peri Gruppe, eines der weltweit führenden Unternehme­n im Bereich Schalung und Gerüst für die Bauindustr­ie, beteiligte sich vor über zwei Jahren an der dänischen Firma Cobod, dem Hersteller der Betondruck­er. Diese Kooperatio­n trägt nun Früchte: Im über 530 Kilometer von Weißenhorn entfernten Beckum in Nordrhein-Westfalen druckt Peri derzeit das erste Einfamilie­nwohnhaus – gefördert mit Geldern der dortigen Landesregi­erung. Im Kreis NeuUlm geht Peri nun den nächsten Schritt: Das Fünf-Familienwo­hnhaus mit 380 Quadratmet­er Grundfläch­e entsteht ohne staatliche Finanzspri­tzen. Über die Kosten schweigen sich der Bauherr, das Pfaffenhof­er Bauunterne­hmen Rupp, sowie Peri aus. Nur so viel ist Alexander Schwörer, einem der Inhaber des Familienun­ternehmens Peri, zu entlocken. Es wird nicht mehr kosten als ein „normales“Wohnhaus dieser Größe. Eher weniger. In Zukunft soll die Betondruck­technik das Bauen allerdings deutlich vergünstig­en.

Thomas Imbacher, bei Peri als Geschäftsf­ührer für das Thema Innovation zuständig, ist überzeugt, dass das Wohnhaus in Wallenhaus­en „Strahlkraf­t für die ganze Welt“besitze. Denn hier werde bewiesen, dass die vor kurzem noch als völlig futuristis­ch geltende Technologi­e sich schon jetzt auf Baustellen bewähre. Strahlkraf­t habe das Projekt auch, weil das gedruckte Haus mühelos die als sehr streng geltenden deutschen Normen und Sicherheit­sstandards erfülle. „Das ist kein Musterhaus. Hier wird gewohnt.“Und zwar schon ab April kommenden Jahres.

Aus Sicht von Peri und dem Bauherren hat das Drucken von Häusern nur Vorteile. Sämtliche Kabelschäc­hte oder Aussparung­en für Steckdosen würden bereits beim

Druck berücksich­tigt, was auch die Kosten für die Arbeiten der anderen Gewerke senke. Der Betondruck­er vom Typ „BOD2“ist so ausgericht­et, dass auch während des Druckvorga­ngs auf der Baustelle gearbeitet werden kann. Manuelle Arbeiten, wie etwa das Verlegen von Leerrohren und Anschlüsse­n, könnten auf diese Weise einfach in den Druckproze­ss integriert werden.

Fabian Rupp, von der Firma Rupp Bauunterne­hmung, selbst gelernter Maurer, sieht darin auch eine Reaktion auf den nach wie vor grassieren­den Fachkräfte­mangel. Erstens würden so weniger Menschen auf der Baustelle benötigt und zweitens werde der Beruf so attraktive­r, weil doch eine gewisse Faszinatio­n in dieser Technik stecke.

Die Idee, auf das Thema 3D-Druck zu setzen, kam dem Junguntern­ehmer durch eine Ausschreib­ung der Firma Peri. Das Unternehme­n suchte einen Partner für ein Pilotproje­kt zum Thema 3D-Betondruck. „Wir konnten Peri dafür ein Grundstück zur Verfügung stellen. Nach rund anderthalb Jahren gemeinsame­r Planung und Entwicklun­g war uns klar: Das ist die Zukunft, das wollen wir unbedingt weiterverf­olgen.“Weil in Wallenhaus­en eine Weltpremie­re entsteht, soll dem Haus auch die

Drucktechn­ik durch die Struktur der Wände dauerhaft anzusehen sein. Es sei jedoch auch möglich, die Wände klassisch zu verputzen – dann wäre aber nicht mehr zu erkennen, dass das Haus einst aus dem Drucker kam.

Für Peri-Chef Schwörer ist die Technik keine Eintagsfli­ege, sondern ein Teil einer langfristi­g orientiert­en Unternehme­nsausricht­ung. Peri hat derzeit zwei Betondruck­er im Fuhrpark, die vermietet werden. Zudem verkauft Peri auch Drucker. Ein Gerät sei derzeit nach Houston unterwegs. In der texanische­n Metropole entsteht nach Wallenhaus­en nun das nächste gedruckte Haus. Details dazu könne Schwörer aber noch nicht nennen.

 ?? Fotos: Alexander Kaya ?? Nach dem Druck des ersten Einfamilie­nwohnhause­s in Deutschlan­d im westfälisc­hen Beckum, lässt die Firma Peri in Wallenhaus­en das weltweit erste Mehrfamili­enhaus mit einem 3D‰Betondruck­er entstehen.
Fotos: Alexander Kaya Nach dem Druck des ersten Einfamilie­nwohnhause­s in Deutschlan­d im westfälisc­hen Beckum, lässt die Firma Peri in Wallenhaus­en das weltweit erste Mehrfamili­enhaus mit einem 3D‰Betondruck­er entstehen.
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Alexander Schwörer neben dem Beton‰ Drucker der Firma Peri.

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