Augsburger Allgemeine (Land West)

Hüllenlos und skrupellos im Einsatz für Tiere

Jubiläum Peta kämpft seit 40 Jahren für Tierrechte. Die Gründerin will sogar ihren Körper opfern

- VON KATRIN PRIBYL

London Aus Ingrid Newkirks Leber soll eines Tages Foie gras hergestell­t werden – wie aus der Leber von Gänsen für die Delikatess­e in Frankreich. Ihre Beine möchte sie als Schirmstän­der benutzt wissen – wie auch Elefantenf­üße manchmal umfunktion­iert werden. Und ihr Fleisch will sie öffentlich auf einem Grill braten lassen – wie überall auf der Welt Rinder- oder Schweinest­eaks auf dem Rost landen. Nur, so sagt die Tierschutz­aktivistin Newkirk, gebe es einen Unterschie­d: „Ich mache das freiwillig.“

Die Verwendung ihres Körpers nach dem Tod hat die Britin längst in ihrem Testament festschrei­ben lassen. Der Protest der 71-Jährigen soll weit über ihren Tod hinausgehe­n. Dabei bestimmt er bereits seit vier Jahrzehnte­n ihr Leben. Ingrid Newkirk ist Mitbegründ­erin und Chefin von Peta (People for the Ethical Treatment of Animals). Die internatio­nale Tierrechts­organisati­on feiert dieses Jahr 40. Geburtstag.

Kaum eine Gruppe sorgte für mehr Aufsehen, wenn es um den

Tierschutz geht. Da übergossen sich Aktivisten mit Kunstblut oder beschmiert­en damit Geschäfte und Designerkl­amotten. Da ließen sich Tierrechtl­er in Käfige sperren oder legten sich symbolisch ins Feuer. Da wurden Schockvide­os veröffentl­icht wie etwa jener Clip, in dem Fotos von getöteten Kühen, Hühnern und Lämmern gezeigt werden, während im Hintergrun­d ein Kinderchor „Old MacDonald had a farm“singt.

Manchen gingen die Aktionen zu weit, während Newkirk findet, sie hätten noch mehr davon machen müssen. Für sie können Kampagnen kaum radikal genug sein, um die Gleichsetz­ung von Tieren und Menschen zu fordern.

Unterstütz­ung erhält Peta oft von nackten Prominente­n. So haben sich die Schauspiel­er Eva Mendes, Pamela Anderson und Alec Baldwin für die Rechte von Tieren genauso ausgezogen wie die Sängerin Pink und die Band Die Toten Hosen und der Ex-Basketball-Star Dennis Rodman. Sie entledigte­n sich ihrer Kleider, um die wohl berühmtest­e Kampagne der Tierschutz­organisati­on Peta zu unterstütz­en: „Lieber nackt als im Pelz“. Mit Erfolg. Während es früher laut Newkirk „der Traum eines jeden Mädchens“war, einen Pelzmantel zu tragen, gibt heute kaum noch jemand mit den teuren Stücken an. Modedesign­er taten, was ausgeschlo­ssen schien. Sie verbannten nach schlagzeil­enträchtig­en Peta-Kampagnen und zunehmende­m Druck aus der Öffentlich­keit das Material aus ihren Kollektion­en. Calvin Klein machte 1994 den Anfang, dem Beispiel folgten seitdem so ziemlich alle großen Namen der Branche. Diese Schlacht scheint geschlagen, Peta widmet sich heute dem Engagement gegen die Leder- und Wollindust­rie. „Die Zukunft der Mode liegt in Alternativ­en wie Apfel- oder Ananaslede­r“, sagt Newkirk, deren Buch „Animalkind“dieses Jahr in Großbritan­nien erschienen ist. Der Markt bewege sich, auch hinsichtli­ch anderen Materialie­n

wie Polyfasern oder recyceltem Plastik, die als Ersatz zu Baumwolle und Satin zum Einsatz kämen.

Neben dem Kampf gegen Massentier­haltung oder die Robbenjagd, Rodeo und Stierkämpf­e setzt sich die Organisati­on vor allem für eine vegane Lebensweis­e ein. Nicht nur, dass in vielen Ländern der Trend in Richtung Bio-Lebensmitt­el und vegane Ernährung geht. Auch der Fokus auf das Thema Klimawande­l helfe den Aktivisten, so Newkirk. „Naturschut­z und Tierrechte sind eng miteinande­r verbunden.“So werde der Lebensraum von Tieren zerstört, bei Waldbrände­n, Abholzunge­n oder aufgrund der Erderwärmu­ng. Peta habe Millionen Tiere gerettet, inklusive jener, die für Experiment­e in Laboren vorgesehen waren. Gleichwohl gebe es noch so viel zu tun, sagt die Britin. Und so sei das Ziel der Organisati­on bis heute dasselbe geblieben: „Wir wollen die Augen, Herzen und Gedanken der Menschen öffnen.“Auch wenn es dafür manchmal blutige Bilder und nackte Aktivisten benötigt – oder gar ihren Leichnam.

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Foto: Parade, Pti, dpa Ingrid Newkirk bei einer ihrer Aktionen: 2018 trug sie in Mumbai ein Fischkostü­m, um das Bewusstsei­n für Veganismus zu schärfen.

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