Augsburger Allgemeine (Land West)
Zögern war die richtige Eishockeytaktik
Indianer und Eishockey-Profis haben eines gemeinsam: Sie kennen keinen Schmerz. Aus Augsburg ist überliefert, dass Verteidiger Arvids Rekis mit dem Kopf unter dem Arm zwei Stunden vor Spielbeginn im Curt-Frenzel-Stadion auftauchte. Auf die Frage des damaligen Trainers „Iron Mike“Stewart, selbst mit über 100 Stichen im Gesicht keine Sisi, was er denn hier wolle, antwortete der mit stoischer Ruhe gesegnete Lette: „Spielen, was sonst?“Stewart schickte sein Schäfchen nach Hause. Kein gebrochener Knöchel oder gesplitterter Daumen konnte den Kämpfern in der dicken Montur den Garaus machen. Doch das zwei Nanometer winzige Coronavirus schien ein schier unüberwindlicher Gegner. Lange zögerten die EishockeyBosse den Saisonstart hinaus. Neun Monate lang dauert nun schon die Pause der Eliteklasse. Am Donnerstag will die Deutsche EishockeyLiga entscheiden, ob alle 14 Klubs am 18. Dezember loslegen. Augsburg ist seit Dienstag sicher dabei.
Kritiker bemängeln, dass die Puck-Branche zu lange gezögert hat. Die Argumente: Die DEL sei nicht kreativ genug, jammere nur und hofft auf staatliche Hilfen aus dem Corona-Topf der Bundesregierung. Im Profi-Fußball mit seinem finanziellen Potenzial kann man sich ausgiebige Testreihen und aufwendige Hygienekonzepte leisten. Doch schon ein Blick in den Handball oder Basketball zeigt die Schwierigkeit, vor die das Virus die Sportarten stellt. Das finanzielle Aus für den einen oder anderen Klub scheint nicht ausgeschlossen. Pleiten prägten die Anfangsjahre der DEL. Nach der Liga-Gründung 1994 gingen gleich mal die als Meister gestarteten Mad Dogs aus München vor die Hunde. Oder die Adler Kaufbeuren stürzten ab, weil der ESVK zwar viel Tradition, aber wenig Geld zu bieten hatte.
Die letzte Bauchlandung erlebte der Augsburger EV 1987. Davor erhielten die Spieler ihre Gehaltszahlungen in bar. Die Einnahmen aus der Abendkasse hatte der AEVVorstand am Gerichtsvollzieher vorbeigeschleust und stellte die streikbereite Mannschaft ruhig. Ein Jungprofi ging mit einem Beutel voll Fünf-MarkStücke nach Hause. Das Leinensäckchen mit der Aufschrift „Bayerische Staatsbank Augsburg“liegt als Beweisstück bis heute in der Schublade des Sportredakteurs unserer Zeitung.
Überraschungen sind vorprogrammiert, wie das Beispiel aus Kaufbeuren zeigt: Ein Drittel des Eishockey-Zweitligisten wurde positiv getestet und die Mannschaft in Quarantäne geschickt. Auch auf die DEL-Klubs warten turbulente Wochen, aber zumindest Pleiten sind nicht zu erwarten.