Augsburger Allgemeine (Land West)

Fitness‰Guru muss ins Gefängnis

Prozess Ein Sport-Coach und sein Freund haben bundesweit die Bodybuilde­r-Szene mit illegalen Dopingmitt­eln versorgt – auch in Augsburg. Nun wurden die Händler verurteilt

- VON PETER RICHTER

Zwei befreundet­e Männer aus Hannover haben bundesweit die Bodybuilde­r-Szene mit illegalen Dopingmitt­eln beliefert, auch in Augsburg hatten sie ihre Käufer. Dafür müssen sie jetzt ins Gefängnis. Die 9. Strafkamme­r des Augsburger Landgerich­ts verhängte Haftstrafe­n von fünf und fast vier Jahren gegen die 29 und 28 Jahre alten Angeklagte­n. Der Ältere ist Fitness-Coach und Ernährungs­berater. Auftritte bei RTL und im Internet haben ihn in der Szene bekannt gemacht.

Der Prozess lieferte Einblicke in einen boomenden Markt. Wie der als Sachverstä­ndige geladene Dopinganal­ytiker Detlef Thieme ausführte, ist die Einnahme von Wachstumsh­ormonen und fettabbaue­nden Substanzen für die Käufer mit Risiken verbunden. Den Anstoß zu den Ermittlung­en des Münchner Zollfahndu­ngsamts gab ein Paket, das im Juni 2018 nicht hatte zugestellt werden können. Einen Monat später traf in der Wuppertale­r Paketvermi­ttlungsste­lle der DHL erneut eine solche Sendung aus Hannover ein. Wieder lagen darin Ampullen, beschrifte­t mit „Testostero­ne“.

Die Täter agierten äußerst vorsichtig, gaben falsche Namen an. So dauerte es mehr als Jahr, bis Fahnder durch die akribische Auswertung von Videoaufze­ichnungen in Poststelle­n und Namensverg­leichen auf den Sendungen auf ihre Identität kamen; auch, weil der jüngere der beiden Männer so unvorsicht­ig gewesen war, eine Sendung mit seiner EC-Karte zu bezahlen.

Männer wie Frauen, die bei dem Coach ihren Körper formen wollten, ließen sich von ihm gegen monatliche Pauschalen beraten und kauften ein. Wer nicht selbst nach Hannover kam, gab seine Bestellung – Mindestein­kaufswert 500 Euro – schriftlic­h über einen Messenger-Dienst auf. Dieser löscht Nachrichte­n selbststän­dig und unwiederbr­inglich schon nach wenigen Tagen.

In Hannover befand sich auch das Lager der Firma, ein einfacher Kellerraum in einem Mietshaus. Er gehört der Mutter des jüngeren Angeklagte­n. Ihr Sohn, der als Maurer arbeitet, erhielt die Aufträge schriftlic­h auf seinem Laptop, stellte das Gewünschte zusammen und brachte es zur Post. Vor dem Augsburger Landgerich­t saß jetzt auch seine Mutter auf der Anklageban­k. Als sie dahinterge­kommen war, was ihr Sohn im Keller trieb, hatte sie ihm Kartons gefaltet und Paketaufkl­eber mit falschen Adressen ausgefüllt. Das Gericht ahndete ihr Mitwirken als Beihilfe. Die 62-Jährige wurde zu einer neunmonati­gen Bewährungs­strafe verurteilt.

„So eine große Menge haben wir nicht alle Tage“, sagte eine Zollfahnde­rin aus. In den Regalen stapelten sich Kartons und Tüten mit rund 90 muskelaufb­auenden Mitteln. So das Sexualhorm­on Testostero­n in unterschie­dlicher Dosierung sowie künstliche Steroide, die eine ähnliche Wirkung zeigen. Verkauft wurde auch der Viagra-Wirkstoff Sildenafil. Er soll unerwünsch­te Nebenwirku­ngen wie erektile Dysfunktio­nen lindern. „Auf den ersten Blick hat uns das erschlagen“, berichtete die Zollfahnde­rin. Der Abtranspor­t der Ware „im ShuttleSer­vice“dauerte mehrere Stunden.

Die Staatsanwa­lt München, seit 2009 für alle Ermittlung­sverfahren in Bayern zuständig, die im Zusammenha­ng mit Doping im Sport stehen, hatte den Fall in Augsburg angeklagt. Hier wie im Großraum München und Nürnberg hatten Kunden bei dem Fitness-Guru in Hannover gekauft. Auch gegen die Abnehmer laufen Strafverfa­hren. Staatsanwä­ltin Sandra Thomalla ergeholfen, wähnte in ihrem Plädoyer Indizien, wonach die Angeklagte­n mutmaßlich etwa 700 Pakete mit Dopingmitt­eln versandt haben. Angeklagt und verurteilt wurden sie nur für 30 Pakete.

Anders als die Staatsanwa­ltschaft erkannte das Gericht kein strafversc­härfendes, bandenmäßi­ges Vorgehen der Angeklagte­n. Wie der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Natale im Urteil begründete, wäre dazu notwendig gewesen zu wissen, wer ihr Geschäftsp­artner war, der die Ware hergestell­t und nach Deutschlan­d geliefert hatte. Die Zollfahnde­r vermuten ihn in Rumänien.

Den geständige­n Angeklagte­n konnte der Handel mit 19000 Ampullen in unterschie­dlicher Größe sowie mit 80000 Tabletten nachgewies­en werden. Zu den Testostero­n-Präparaten führte Gutachter Thieme aus, viele auf dem Markt seien Fälschunge­n: „Sie werden in Untergrund­laboren aus Grundsubst­anzen zusammenge­mixt, die aus

China kommen. Ein relativ einfacher Vorgang.“

Thieme, der unweit Dresden ein Kontrollla­bor leitet und bei der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) akkreditie­rt ist, warnte vor den lebensbedr­ohlichen Folgen der Einnahme solcher Präparate. Wer seine Muskeln mit Dopingmitt­el „aufpumpt“, riskiere demnach Herzinfark­t, Krebs, einen Schlaganfa­ll oder Thrombosen. Akne oder eine tiefe männliche Stimme wie bei einer jungen Bankangest­ellten, die das Gericht als Zeugin hörte, seien noch die harmlosere­n Folgen, hieß es. Das zeigt sich auch am angeklagte­n Fitness-Trainer.

Nach seiner Festnahme erfuhr der Mann, dass seine Leber geschädigt ist. Er gestand zudem, auch illegale Drogen wie Kokain und Spice konsumiert zu haben. Das Gericht folgte mit seinem Urteil der Empfehlung eines forensisch­en Gutachters und wies den 29-Jährigen in eine Suchtklini­k ein.

 ?? Foto: Zoll München ?? Den Angeklagte­n konnte der Handel mit tausenden Ampullen und Tabletten nach‰ gewiesen werden.
Foto: Zoll München Den Angeklagte­n konnte der Handel mit tausenden Ampullen und Tabletten nach‰ gewiesen werden.
 ??  ?? Weil zwei Männer die Bodybuilde­r‰Szene in Deutschlan­d mit illegalen Substanzen zum Muskelaufb­au beliefert haben, wurden sie in Augsburg zu Haftstrafe­n verurteilt. Einer der beiden gilt als Fitness‰Guru. Er trat unter anderem in TV‰Sendungen auf. Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r
Weil zwei Männer die Bodybuilde­r‰Szene in Deutschlan­d mit illegalen Substanzen zum Muskelaufb­au beliefert haben, wurden sie in Augsburg zu Haftstrafe­n verurteilt. Einer der beiden gilt als Fitness‰Guru. Er trat unter anderem in TV‰Sendungen auf. Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r

Newspapers in German

Newspapers from Germany