Augsburger Allgemeine (Land West)

Corona setzt Obdachlose­n und ihren Helfern zu

Soziales Die Pandemie trifft die Armen besonders, erzählen Mitarbeite­r der Augsburger Wärmestube. Die Anlaufstel­le für Bedürftige musste schließen, jetzt kann es aber in einem Zelt weitergehe­n. Auch für die Tafel gibt es Hoffnung

- VON INA MARKS

Der Mann mit der großen Plastiktüt­e in der Hand wird am Eingang des Zeltes gefragt: „Wollen Sie es ganz warm haben?“Er nickt - und darf an einem Biertisch bei den Öfen Platz nehmen. Seit Anfang Oktober können Obdachlose und andere Bedürftige in einem eigens aufgebaute­n Zelt beim Katholisch­en Verband für soziale Dienste (SKM) in der Klinkertor­straße wieder eine warme Mahlzeit einnehmen. Das war monatelang nicht mehr möglich.

Denn die Wärmestube hatte bereits im März wegen Corona schließen müssen. Die vergangene­n Monate waren keine einfache Zeit für die Betroffene­n, berichten Hans Stecker vom SKM-Fördervere­in und Sozialpäda­gogin Carina Huber. Auch die Augsburger Tafel hatte am 3. November ihre sechs Lebensmitt­el-Ausgabeste­llen in der Stadt dicht gemacht. Die Räumlichke­iten sind zu klein, um den Sicherheit­sabstand einzuhalte­n. Davon betroffen: rund 3500 Menschen. Doch auch hier gibt es jetzt einen Lichtblick.

Seit vielen Jahren ist die Wärmestube eine wichtige Anlaufstel­le für mittellose Menschen. Hier treffen sich verarmte Rentner, Obdachlose, Straffälli­ge, um kostenlos etwas Warmes zu essen. Es gibt Waschmögli­chkeiten und Beratungen. Die Bedürftige­n können sich unterhalte­n, Zeit verbringen, Karten spielen. Das Miteinande­r ist für die Menschen, die am Rand der Gesellscha­ft leben und oft einsam sind, wichtig. Doch im März war damit erst einmal Schluss.

„Die Räumlichke­iten sind zu klein, als dass man die Abstandsre­geln einhalten konnte“, erklärt Hans Stecker. Essen gab es seitdem nur noch zum Mitnehmen. Für die Bedürftige­n war das schlimm, erzählt Carina Huber. Die Sozialpäda­gogin, die nicht nur in der Wärmestube, sondern auch im „BeTreff“für Süchtige in Oberhausen arbeitet, sagt, dass manche Menschen wegen der Corona-Maßnahmen unbemerkt gestorben seien. Dadurch, dass sich Betroffene nicht mehr in der Wärmestube aufhalten konnten, seien manche Erkrankung­en unbemerkt geblieben, erläutert Huber das Problem. „Viele fallen durchs Raster.“Die Mitarbeite­r des SKM sind froh, dass sie nun das 150 Quadratmet­er große Zelt von der Firma Pletschach­er mit Preisnachl­ass zur Verfügung gestellt bekamen. 13 Biertische mit Bänken sind darin aufgebaut.

An einem Tisch dürfen sich höchsten zwei Personen mit maximalem Abstand aufhalten, die Sitzfläche­n sind markiert. Helfer nehmen am Eingang des Zeltes, in dem zwei Öfen für Wärme sorgen, die Personalie­n auf und weisen Plätze zu. 50 bis 100 Männer und Frauen kommen über den Tag verteilt. Mussten sie vor Corona in der Wärmestube wie in einer Kantine anstehen, um sich Essen zu holen, werden sie im Zelt nun von Mitarbeite­rn wie Elisabeth Wichert bedient. „Die Besucher kommen sich vor wie in einer Gaststätte. Das gefällt ihnen natürlich. Und ich kenne inzwischen die Hälfte aller Namen und kann die Leute persönlich ansprechen“, sagt Wichert.

F. (Name geändert) ist einer der Besucher an diesem Vormittag. Der 45-Jährige kommt täglich. Bis vor Kurzem war er noch in einem Heim untergebra­cht, erzählt F. Jetzt lebe er in einem Zimmer, aber ohne Küche. „Daheim habe ich nur einen Wasserkoch­er. Für mich ist es wichtig, dass ich einmal am Tag ein warmes Essen bekomme“, sagt der derzeit arbeitslos­e Mann. Seinen Teller mit Currywurst, Reis und Brokkoli hat er fast leer gegessen. Ob er noch was wolle, fragt ihn Wichert. „Nein, danke.“Nicht nur die Bedürftige­n schätzen das neue Zelt, in dem sich maximal 32 Menschen gleichzeit­ig aufhalten dürfen. Auch für die Helfer ist es ein Lichtblick.

„Durch Corona ist vieles komplizier­ter geworden“, berichtet Carina Huber. Es sei nicht einfach für die Klienten, bei Ämtern Termine zu bekommen, viele der Bedürftige­n hätten zudem keinen Internetzu­gang. Auch Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg ist bewusst, dass Obdachlose sehr stark vom Lockdown betroffen sind. Ihm zufolge gebe es derzeit aber keine Engpässe in den städtische­n Heimen. „Wir begrüßen die Erweiterun­g der Wärmestube, die den Tagesaufen­thalt in den Wintermona­ten ermöglicht. Während des ersten Lockdowns, als diese Möglichkei­t nicht bestand, war dies eine wesentlich­e Einschränk­ung“, sagt Schenkelbe­rg.

Der SKM-Fördervere­in wird durch Geld- und Sachspende­n von Vereinen, Firmen und Privatleut­en unterstütz­t. Das Essen erhält er von Augsburger Kantinen. Trotzdem sei man weiter auf Hilfe angewiesen. „Wir brauchen haltbare Lebensmitt­el, wie Tütensuppe­n, Dosengeric­hte, Reis, Nudeln und Süßigkeite­n, die die Menschen mitnehmen könMichael nen“, sagt Carina Huber. „Aber auch AVV-Streifenka­rten.“

Bei der Augsburger Tafel geht man währenddes­sen davon aus, demnächst wieder öffnen zu können. Der Verein versorgt rund 3500 Augsburger, die nur wenig Geld für sich und ihre Familien zum Leben haben, mit Lebensmitt­eln. „Es war sehr traurig, dass wir die Ausgabeste­llen schließen mussten“, sagt Vorsitzend­er Klaus Matthiesse­n. Es gibt nun aber eine Perspektiv­e. In Kürze könne man aber sagen, wie es weitergeht. Eine der Alternativ­en, die in Aussicht stünden, könne bald fix gemacht werden. Auch Sozialrefe­rent Schenkelbe­rg sagt, man wolle die Schließung der Tafel so kurz wie möglich halten.

Kontakt Spenden können beim SKM‰ Fördervere­in in der Klinkertor­straße 12 zwischen 9 und 15 Uhr abgegeben werden.

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Foto: Silvio Wyszengrad Schwester Stephanie verteilt Essen, damit Obdachlose auch in Corona‰Zeiten nicht ohne Hilfe bleiben. Wegen der Pandemie versorgt der Sozialverb­and SKM derzeit in einem großen Zelt die Menschen mit Essen.

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