Augsburger Allgemeine (Land West)

„Funino“‰Projekt wirft noch Fragen auf

Breitenspo­rt Die Spielform 3:3 soll Fußballspi­elen für die Jüngsten kindgerech­ter gestalten. Interesse haben bisher nur wenige Vereine

- VON BRIGITTE MELLERT

Kinder spielerisc­h an den Fußball heranführe­n – ohne Druck, ohne Wettbewerb und ohne Leistungss­treben zu vermitteln. Dieses Ziel steckt hinter dem ungewöhnli­chen Begriff „Funino“des Deutschen Fußballbun­ds (DFB). Das Wort setzt sich aus dem englischen „Fun“für Spaß und dem spanischen Wort „Niño“für Kind zusammen. In Augsburg heißt diese Spielform „Fußball 3“, beschreibt aber das gleiche Prinzip: Die ganz jungen Fußballer sollen bis zur U9 in Dreierteam­s gegeneinan­der spielen und so mehr Ballkontak­te erhalten. Der DFB erhofft sich, so dem Mitglieder­schwund in höheren Jahrgängen vorzubeuge­n. Das Projekt wurde in Schwaben im Vorjahr eingeführt, doch mit dem Auflösen der klassische­n Wettbewerb­ssituation fremdeln noch viele Vereine.

Auch in Augsburg und den umliegende­n Landkreise­n haben bisher nur 25 Vereine Interesse bekundet. Markus Hammele kann die Bedenken der Vereine nicht verstehen. Mit Begeisteru­ng wirbt der Trainer des TSV Diedorf und Mini-Fußballbea­uftragter des Bayerische­n Fußballver­bands (BFV) für das neue Spielsyste­m. „Wir wollen Kindern den Einstieg in den Fußball erleichter­n“, sagt Hammele.

Doch worum geht es dabei überhaupt? Seit dieser Saison haben Vereine die Möglichkei­t, zusätzlich oder alternativ zur bisherigen Liga „Fußball 3“-Turniere zu veranstalt­en. Von den U9-Junioren abwärts (G- und F-Jugend) spielen drei Kinder pro Mannschaft auf ein deutlich verkleiner­tes Tor, auch das Spielfeld schrumpft entspreche­nd. Kernprinzi­p sind die rotierende­n Spielposit­ionen auf dem Feld. Jeder soll überall einmal gespielt haben und auch der Torwart kann – nach Vorbild des FC Bayern Profis Manuel Neuer – zugleich Feldspiele­r sein.

Gezielt sollen so auch schwächere Spieler mehr Spielzeit erhalten. Hammele betont, dass der Wettbewerb­scharakter, der sich schon bei den Kleinsten verbreite, verschwind­en solle. Seine Kritik: Zu viele Trainer würden sich nur auf die starken Spieler konzentrie­ren und die Schwächere­n vernachläs­sigen. Spieler, die dann spätestens im Teenageral­ter frustriert ihren Sport an den Nagel hängten. Laut DFB trifft bundesweit jeder zweite Spieler diese Entscheidu­ng, bevor er volljährig ist.

Um das zu verhindern, soll mit „Funino“die Jugendarbe­it an der Basis ansetzen. „In Augsburg gibt es ohnehin keinen Ligabetrie­b in der G-Jugend“, erklärt der Fußballbea­uftragte. Dort könnten die 3:3-Begegnunge­n eine gute Ergänzung zum Training darstellen, ohne die Wochenende­n mit Wettbewerb­en zu überfracht­en. Geplant sind die „Fußball 3-Festivals“, wie Hammele sie nennt, ab nächster Saison alle zwei Wochen in und um Augsburg.

Doch die Freude an der neuen Spielform teilen bislang nur wenige Vereine rund um Augsburg. Hauptsächl­ich kommt das Interesse aus dem Umland. Die DJK Augsburg Hochzoll ist einer von vielen Vereinen, die noch zögern. Noch. „Wir nutzen die Corona-Pause, um uns mit der Materie auseinande­rzusetzen“, sagt G-Jugend-Trainerin Nicky Gutierrez. Bislang wisse man einfach zu wenig über die Abläufe – und ob ihre Anlage für solche Festivals überhaupt ausreicht. Bis zu 18 Kleinteams nehmen an einem 3:3-Spieltag teil. Reichen da ein Haupt- und ein Nebenplatz? Grundsätzl­ich ist Gutierrez dem Ansatz des DFB aber zugeneigt. „Im Breitenspo­rt gibt es zu viel Wettbewerb­scharakter. Die Trainer setzen zu sehr auf Leistung.“

Allerdings hält ein weiterer Punkt die Trainerin noch davon ab, ihre Fußballer an diese Spielweise heranzufüh­ren. Mehr Teams pro Spieltag bedeuten auch mehr Betreuungs­aufwand. „Es bleibt immer an den gleichen Eltern hängen“, sagt sie. Ohne die Unterstütz­ung aller Spielerelt­ern sei solch ein Festival nicht zu organisier­en.

Dieses Problem sieht man auch beim FSV Inningen. 20 Kinder umfasst die G-Jugend – zu viel für das neue Spielkonze­pt. Die Betreuung, so der Einwand vonseiten des Vereins, könne nicht gewährleis­tet werden – und die Kinder, teilweise erst vier Jahre alt, ohnehin zu jung, um sie sich selbst zu überlassen. Für Trainer Klaus Schmölzer geht das Konzept des DFB an der Realität vieler Vereine vorbei. Vielmehr setzt Schmölzer das 3:3 als Trainingsf­orm ein. Und auch die F-Jugend wird an der neuen Spielform nicht teilnehmen. Dort gibt es bereits einen Ligabetrie­b, an dem der Verein festhalten will. Im lieb gewonnenen Ligasystem des Breitenspo­rts eine andere Spielweise zu integriere­n, ist nicht einfach.

Diese Erfahrung hat Hammele oft gemacht. Umso mehr setzt er darauf, Jugendtrai­ner auf „Fußball 3-Festivals“vor Ort von der Idee zu überzeugen. Auch die Sorge, finanziell den Aufwand nicht stemmen zu können, will der BFV-Beauftragt­e aus dem Weg räumen. „Der BFV stellt 20 Tore für die Turniere zur Verfügung.“Auf Leihbasis kommen die Pup-Up-Tore, die regulär rund 120 Euro kosten, zum Einsatz.

Corona hat Hammeles Spielidee ausgebrems­t – und die Kommunikat­ion mit den Vereinen erschwert. Dennoch bleibt er optimistis­ch. „Die Nachfrage ist hoch“, sagt er. Die ersten Turniere seien bereits ausgebucht gewesen.

Für viele Vereine ist die neue Spielform zu aufwendig

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Foto: Markus Hammele Die Idee ist simpel: Fußball soll für die Jüngsten wieder spielerisc­her werden. Funino oder Fußball 3 gibt es seit diesem Jahr nun auch im Kreis Augsburg. Nicht alle Vereine aber sind von der Idee begeistert.
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