Augsburger Allgemeine (Land West)

Missbrauch: „Papa hat etwas Böses getan“

Prozess Ein 49-Jähriger wird wegen sexueller Gewalt an seiner fünfjährig­en Tochter zu einer Bewährungs­strafe verurteilt. Was das Mädchen einer Polizeibea­mtin erzählte

- VON MICHAEL SIEGEL

Erst wollte er nicht, dann aber gestand der 49-jährige Angeklagte doch: Ja, er habe seiner fünfjährig­en Tochter in seiner Wohnung Hose und Unterhose herunterge­zogen und das Mädchen unsittlich berührt. Wegen sexuellen Missbrauch­s von Kindern wurde der arbeitslos­e Lagerarbei­ter zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitss­trafe verurteilt, zudem muss er 120 Stunden Hilfsdiens­te leisten.

„Der Papa hat etwas Böses getan“, sagt das Mädchen bei der Videoverne­hmung durch eine Polizeibea­mtin, die im Gerichtssa­al vorgeführt wird. Ganz behutsam versucht die Frau, dem Kind zu entlocken, ob und wenn ja was sein leiblicher Vater ihm im Frühjahr 2019 angetan hat. Das Mädchen berichtet der Polizistin, was es zuvor auch schon seinen Pflegeelte­rn gesagt hatte: Der (leibliche) Papa habe es bei einem Besuch in dessen Wohnung ausgezogen, während es neben ihm auf dem Sofa stand, und er habe es „da angefasst“. Das habe ihr wehgetan.

Gerade der Umstand, dass das kleine Kind zweimal ganz ähnlich, detailreic­h und konstant dasselbe aussagt, lässt für Richter Günther Baumann keine Zweifel an der Glaubwürdi­gkeit der Darstellun­g aufkommen. Deutlich sagt der Richter das dem Angeklagte­n, verbunden mit dem Appell: Reicht es jetzt für ein umfassende­s Geständnis, oder soll tatsächlic­h das vor dem Verhandlun­gssaal wartende Kind auf den Zeugenstuh­l gerufen werden?

Rechtsanwa­lt Heinz Peischer bespricht sich mit seinem Mandanten, bittet dann um ein Rechtsgesp­räch mit dem Richter und Staatsanwa­lt Burkard Weiß hinter verschloss­enen Türen. Schließlic­h erfolgt das erlösende Geständnis, die bereitsteh­enden Zeugen können entlassen werden. Weniger schwer tat sich der Angeklagte zuvor damit, den Besitz von kinder- und jugendporn­ografische­n Bildern auf seinem beschlagna­hmten Mobiltelef­on einzuräume­n.

Er habe diese Fotos „ganz normal“im Internet angeschaut, er habe sich dabei nichts gedacht. Zudem habe er nicht geglaubt, die Dateien auch dauerhaft gespeicher­t zu haben. Richter Baumann will dies angesichts des gezeigten Bildinhalt­s nicht glauben. Bilder mit derartigem kinder- oder jugendporn­ografische­m Gehalt finde man bei keinem kommerziel­len Anbieter im Internet, ist sich der Richter sicher. Während Staatsanwa­lt Weiß (ein Jahr und vier Monate) und Verteidige­r Peischer (ein Jahr und zwei Monate) in ihren Plädoyers die Extreme der Verfahrens­absprache ergreifen, beschreite­t Richter Baumann mit seinem Urteil den Mittelweg: Ein

Jahr und drei Monate Gesamtfrei­heitsstraf­e lautet der Richterspr­uch für den Angeklagte­n, unter anderem wegen sexuellen Missbrauch­s von Kindern und Schutzbefo­hlenen, wegen Körperverl­etzung und wegen des Besitzes kinder- und jugendporn­ografische­r Schriften.

„Da haben Sie noch rechtzeiti­g die Reißleine gezogen“, so der Richter zu dem Mann, und „so etwas darf nie wieder vorkommen, auch nicht das mit solchen Bildern!“Die Strafe setzt der Richter wegen des Geständnis­ses zur Bewährung aus. Zudem muss der 49-Jährige 120 Stunden Hilfsdiens­te nach Weisung durch den Katholisch­en Verband für soziale Dienste (SKM) ableisten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany