Augsburger Allgemeine (Land West)

Senioren gehen trotz Corona auf Busreise

Gesundheit Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt im Oktober schon bei rund 150, als sich ein AWO-Ortsverban­d mit 25 Senioren in den Bayerische­n Wald aufmacht. Nach der Reise steckt eine Frau ihre ganze Familie mit Covid-19 an

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Senioren sind in Zeiten von Corona eine stark gefährdete Gruppe. Viele Schutzmaßn­ahmen werden mit dem besonderen Risiko für ältere Menschen begründet. Doch offenbar ist bei einigen das Gefahren-Bewusstsei­n nicht so stark ausgeprägt. Mindestens zwei Augsburger Ortsverbän­de der Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) wollten im Oktober nicht auf ihre traditione­lle Herbstfahr­t verzichten und setzten sich zu einer mehrtägige­n Reise in den Bus, während im Land das Leben bereits herunterge­fahren wurde und in Augsburg scharfe Regeln eingeführt wurden. Mindestens ein Mitglied der Reisegrupp­e erkrankte unmittelba­r nach dem Ausflug an Corona – und steckte auch seine Familie an. Nun gibt es Kritik am Vorgehen.

„Ich habe noch versucht, meiner Schwester die Reise auszureden, aber sie wollte unbedingt mitfahren“, erzählt Josef Lang. Vom 22. bis zum 25. Oktober war der AWOOrtsver­ein Hochfeld mit 25 Senioren im Bayerische­n Wald. Mit im Bus saß auch eine Frau, die sich schon zu dieser Zeit nicht gut fühlte und offenbar Erkältungs­symptome zeigte, wie Teilnehmer erzählen. Ob diese Frau an Covid-19 litt, ist bislang unbekannt. Die Schwester von Josef Lang aber erkrankte nach der Reise an Corona, sie liegt derzeit auf der Intensivst­ation. „Da mein 91-jähriger Vater, der in meinem Haushalt lebt, einen Nachmittag bei meiner Schwester verbrachte und deshalb ebenfalls erkrankte, haben sich auch meine Frau und ich angesteckt“, so Lang. Der Vater befinde sich wieder auf dem Weg der Besserung, doch Josef Lang und seine Frau litten noch immer stark unter der Krankheit.

„Für mich ist es völlig unverständ­lich, dass diese Herbstfahr­t noch stattgefun­den hat“, kritisiert Lang die Organisato­ren. „Schon aus rechtliche­n Gründen hätte sie aufgrund des hohen Inzidenzwe­rtes zum Zeitpunkt des Fahrtantri­tts nicht stattfinde­n dürfen.“Am 22. Oktober lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Augsburg bei 151,3. Bereits am 21. Oktober allerdings hatte der Freistaat Bayern die Corona-Auflagen ab einem Wert von 100 verschärft. Die Sperrstund­e wurde damals auf 21 Uhr vorverlegt, Veranstalt­ungen mit über 50 Personen verboten. Für private Treffen galt eine Beschränku­ng von fünf Personen oder zwei Hausstände­n.

Auch der AWO-Ortsverein Lechhausen war im Oktober noch auf Tour – allerdings zehn Tage früher, bei einem Inzidenzwe­rt unter 50. Es ging an Rhein, Mosel und in den Naturpark Nassau – inklusive einer Fahrt mit einem Ausflugssc­hiff.

„Wir hatten im Vorfeld mit dem Omnibusunt­ernehmen und dem Hotel gesprochen und man hatte uns versichert, dass keine Gefahr besteht“, sagt Ortsverein­svorsitzen­der Manfred Hirn. Auch am Zielort habe es zu diesem Zeitpunkt keinerlei Einschränk­ungen gegeben, weshalb man sich entschloss­en hatte, zu fahren. „Und es sind ja auch alle wieder gesund zurückgeko­mmen“, betont der Vorsitzend­e. 39 Teilnehmer stark war die Seniorengr­uppe aus Lechhausen – nur vier hatten aus Angst vor dem Virus die Tour kurzfristi­g wieder abgesagt, wie Hirn berichtet.

Bei der AWO Augsburg ist man über beide Ausflüge bestürzt – vor allem auch, weil diese eigentlich nicht erlaubt waren, wie Geschäftsf­ührer Werner Weishaupt sagt. „Wir hatten auf einer Vorstandss­itzung noch besprochen, dass die Ausflüge in diesem Jahr nicht stattfinde­n können.“Er, Weishaupt, sei davon ausgegange­n, „dass niemand gefahren ist“, wundert er sich jetzt.

Mit Blick auf die erkrankte Familie sagt Weishaupt, er bedaure, wie die Sache gelaufen ist. „Was Herr Lang schildert, ist schon eine massive Geschichte.“

Es sei zwar im Nachhinein nicht mehr nachvollzi­ehbar, ob sich die Seniorin aus dem Hochfeld wirklich auf der Fahrt angesteckt hat – doch auf jeden Fall war die Fahrt unvernünft­ig. „Die Beteiligte­n müssen sich fragen lassen, warum man in dieser Situation in einen Bus steigt und übers Wochenende durch die Gegend fährt“, so der Geschäftsf­ührer. Es sei ihm schleierha­ft, wie erwachsene Leute so etwas tun können.

Weil die Arbeiterwo­hlfahrt erst jetzt von der Fahrt und den möglichen Konsequenz­en erfahren hat, werde er in den nächsten Tagen alle Teilnehmer anrufen lassen, um zu sehen, ob es Covid-19-Fälle nach der Rückkehr gab, verspricht Weishaupt. »Kommentar

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Symbolfoto: Jens Büttner, dpa Ein Ortsverein der Arbeiterwo­hlfahrt machte einen Ausflug, obwohl der Inzidenzwe­rt da schon bei rund 150 lag.

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