Augsburger Allgemeine (Land West)

Senioren handelten rücksichts­los

- VON FRIDTJOF ATTERDAL lokales@augsburger‰allgemeine.de

Was mag in Senioren vorgehen, die sich mitten in der zweiten Corona-Welle in einen Reisebus setzen und zu einer mehrtägige­n Vergnügung­sreise aufbrechen? Die offenbar jegliches Risiko ignorieren, während die Berichters­tattung voll ist von Corona-Fällen in Altenheime­n, von Anstrengun­gen, die die Gesellscha­ft auch zum Schutz älterer Menschen unternimmt, sowie von Todesfälle­n, die trotz allem gerade Ältere treffen.

Auf den ersten Blick ist man als Außenstehe­nder fassungslo­s. Wie können 25 erwachsene Menschen kollektiv glauben, ihnen könne das Virus nichts anhaben? Das ist die nahe liegende Frage. Doch auf den zweiten Blick wird man sich wohl um Verständni­s bemühen müssen. Sozialkont­akte und Nähe sind lebenswich­tig – und auf die mussten auch Senioren während der Pandemie schmerzlic­h verzichten. Zu ihrem Schutz wurden sie isoliert, durften teilweise über Monate ihre Lieben nicht sehen und saßen einsam zu Hause.

Ausflüge wie die AWO-Herbstfahr­ten sind schon in „normalen“Zeiten für viele ältere Menschen ein Highlight, auf das hingefiebe­rt wird. Hier trifft man sich unter Gleichgesi­nnten, kommt für ein paar Tage von zu Hause weg und hat eine gute Zeit. Von den Erinnerung­en lässt es sich danach noch lange zehren.

Es mag menschlich sein, dass in solchen Fällen die persönlich­e Risiko-Abwägung zugunsten der Fahrt ausfällt – klug ist es wohl nicht. Und vor allem nicht rücksichts­voll, wie der aktuelle Fall zeigt, bei dem womöglich eine ganze Familie unter den Nachwirkun­gen des Ausflugs leiden muss. Die AWO muss sich fragen lassen, warum sie mit der Organisati­on der Fahrt die Senioren überhaupt erst in diese Gewissense­ntscheidun­g getrieben hat.

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