Augsburger Allgemeine (Land West)
Dürfen Gänse dank Corona länger leben?
Brauchtum Wegen der Pandemie wird Weihnachten dieses Jahr im kleinen Kreis stattfinden. Ob man es da schafft, eine ganze Weihnachtsgans zu verzehren? Für die Tiere macht es keinen Unterschied
Landkreis Augsburg In vielen Familien gibt es zu Kirchweih, Sankt Martin und Weihnachten traditionell eine gebratene Gans. Fünf bis sechs Kilogramm wiegt ein geschlachteter Vogel. Das muss man erst mal aufessen. „Wenn man Beilagen einberechnet, kriegt man damit sechs bis acht Personen satt“, sagt Geflügelzüchter Martin Brem vom Schmidbauerhof in Hirblingen. Viele Weihnachtsfeiern werden aber, wegen der Kontaktbeschränkungen, wohl deutlich kleiner ausfallen. Was passiert also mit den restlichen Gänsen?
Für die Gans macht es wohl keinen großen Unterschied, ob sie verkauft wird oder nicht. Im Alter von etwa einem halben Jahr wird sie meist so oder so geschlachtet. Je älter Geflügel wird, desto zäher werde das Fleisch, erklärt Geflügelzüchterin Andrea Mayr vom Kreisbauernverband. Im nächsten Jahr sei das Fleisch dann schon nicht mehr zu verwenden. „Die Kollegen mästen gerade die Weihnachtsgänse“, sagt Uwe Wirth vom Geflügelhof Wirth in Horgau. Er selbst verzichtet auf die Mast. Er findet, dass das Fleisch so besser schmecke und weniger fett sei. Das Fleisch, das nicht verkauft wird, wird dann eingefroren. „Nach etwa zwei Wochen Tiefkühltruhe schmeckt es erst so richtig“, sagt Wirth. Allerdings sei es gar nicht so einfach, eine Gans loszuwerden, wenn nicht gerade einer der klassischen Gänsefeiertage ist.
Bleiben in diesem Jahr viele Gänse übrig? Nicht auf den kleinen Höfen im Augsburger Land. Bei Brem aus Hirblingen bleibt zum Beispiel nichts übrig. „Wir haben die gleiche Menge wie sonst auch, und die werden geschlachtet“, sagt er. Eher sei es so, dass er die Leute wieder wegschicken müsse, weil die Nachfrage größer sei als das Angebot. Anders sieht es in der Gastronomie aus: Bernd Bäßler betreibt ein Restaurant in Obermeitingen und bezieht seine Gänse vom Großhandel. Er rechnet damit, viel wegschmeißen zu müssen. „Die Tiere sind schon vor Corona gezüchtet worden“, sagt er. Viele Großhändler hätten sich schon mit Ware eingedeckt. „Dieses Jahr wird sehr viel Fleisch vernichtet werden.“
Bäßler verkauft jedes Jahr von Ende September bis Januar ganze Gänse zum Mitnehmen. „Die Kunden kriegen dann eine Gebrauchsanweisung, um sie daheim zuzubereinämlich ten.“In einer Saison verkauft er normalerweise 1500 Gänse, davon ungefähr 150 außer Haus. Dieses Jahr erwartet er zwar mehr Verkäufe außer Haus, aber insgesamt wesentlich weniger verkaufte Gänse. „Das große Weihnachtsgeschäft wird es dieses Jahr nicht geben, selbst wenn wir aufmachen dürfen.“
Das Geschäft mit den Gänsen ist in der Metzgerei von Georg Metzger in Neusäß schon seit Jahren rückläufig: „Vielleicht liegt es an der Moral oder am Tierschutz“, so Metzger. Zusätzlich mache ihm der Großhandel mit seinen niedrigen Preisen zu schaffen. „Mit fünf Euro pro Kilo Gans können ich und meine Lieferanten einfach nicht mithalten. Die kleinen Geschäfte bleiben auf der Strecke“, findet er. Im Großhandel sei ihm die Qualität nicht ausreichend. Für Karin Frisch vom Biohof Frisch in Königsbrunn ist es zu früh, um das Geschäft mit der
Weihnachtsgans zu beurteilen. Das Geschäft mit der Martinsgans lief aber besser als in den vergangenen Jahren: „Vielleicht haben mehr Leute daheim gefeiert?“,fragt sie.
„Die Vorbestellungen laufen etwas schleppend“, bedauert auch Wirth. Dafür wurden doppelt so viele Enten für Weihnachten bestellt wie in den Jahren zuvor. „Eine Ente
Nachfrage ist oft größer als das Angebot
An St. Martin wurden mehr Gänse verkauft als früher
wiegt zwei bis drei Kilo, die kann man mit zwei bis vier Leuten aufessen“, sagt er. Perfekt für eine Familie, die keinen Besuch bekommt also. Bei Brem hat der Trend sich anders entwickelt: „Wir verkaufen eher mehr Gänsefleisch, aber die Leute nehmen eher Einzelteile wie e Brust oder Schenkel“, sagt der Hirblinger.