Augsburger Allgemeine (Land West)

Windräder: Jetzt ist der Investor am Zug

Energie Zehn riesige Anlagen plant ein Unternehme­n im Wald bei Dinkelsche­rben. Bislang hat der Gemeindera­t zu diesem Millionenp­rojekt keine Stellung bezogen. Nun gibt es einen ersten Beschluss

- VON PHILIPP KINNE

Dinkelsche­rben Es sind große Pläne, die ein Investor im Sommer in der Gemeinde Dinkelsche­rben vorgestell­t hat. Von zehn 250 Meter hohen Windrad-Riesen ist die Rede – ein Millionenp­rojekt. Seither wird über die potenziell höchsten Bauwerke im ganzen Landkreis heiß diskutiert. Unter Anwohnern regt sich massiver Protest, doch es gibt auch viele Fürspreche­r. Nun hat sich der Gemeindera­t mit den Plänen befasst. Mit einem ersten Beschluss will das Gremium die Richtung vorgeben.

Wie groß das Interesse am Aufregerth­ema Windkraft ist, zeigte ein Blick in die vollen Zuschauerr­änge des Gemeindera­ts. Um mehr Platz zu schaffen, wurde die Sitzung extra in den großen Pfarrsaal verlegt. Heiß begehrt waren die wegen der Corona-Regeln eingeschrä­nkten Sitzplätze in den Zuschauerr­eihen. Viele der Gäste hätten sich wohl ein klares Bekenntnis des Gremiums für oder gegen den großen Windpark gewünscht. Doch das blieb aus.

Um sich ein Bild über die Optionen der Gemeinde machen zu können, hatte das Gremium einen externen Experten eingeladen. Der auf Baurecht spezialisi­erte Anwalt Frank Sommer der Kanzlei Meidert+Kollegen erklärte, wie sich die Gemeinde nun verhalten kann. Grob gesagt gab es drei Optionen: Abwarten, die Windräder weiter vorantreib­en oder versuchen, das Projekt möglichst zu verhindern. Letztlich entschied sich die Gemeinde mit großer Mehrheit dafür abzuwarten und erst zu reagieren, wenn konkrete Anfragen oder Anträge zu den Windrädern vorliegen. Der Investor Juwi AG hatte im Sommer zwar große Pläne vorgestell­t, allerdings bislang keine weiteren Schritte eingeleite­t.

Nach den vorgestell­ten Plänen des Investors könnten im Wald in der Nähe des Dinkelsche­rber Ortsteils Ettelried, auf einer Fläche von 140 Hektar, zehn 250 Meter hohe Windräder entstehen. Dauerhaft gerodet werden müsste eine Fläche von 0,5 Hektar je Anlage. Weil für den Aufbau der Anlagen schweres Gerät notwendig ist, müssten wohl auch die Waldwege verbreiter­t werden. Mit den zehn Windrädern könnten laut Investor etwa 25.000

Haushalte jährlich mit Strom versorgt werden.

Sieht man sich diese Pläne genauer an, stellt man fest, dass ein großer Teil der geplanten Anlagen gegen die sogenannte 10-H-Regel verstößt. Demnach muss ein Windrad in Bayern einen Mindestabs­tand vom Zehnfachen seiner Höhe zur nächsten Ortschaft einhalten. Dass es überhaupt Plätze gibt, die nicht gegen die ausschließ­lich in Bayern geltende 10-H-Regel verstoßen, ist laut Experte Frank Sommer selten. „Durch diese Regel hat sich das Thema neue Windräder in Bayern eigentlich erledigt“, sagte er. Geht man von einer Höhe der Anlagen von 200 Metern aus, würden bei Ettelried etwa vier bis fünf der geplanten Windräder diesen Abstand einhalten. Um die restlichen errichten zu können, bräuchte es die Zustimmung der Gemeinde, die einen entspreche­nden Plan aufstellen müsste. Sie könnte sozusagen eine Ausnahmege­nehmigung erteilen. Wollte der Investor allerdings lediglich die Anlagen realisiere­n, welche die Abstandsre­geln einhalten, müsse die Gemeinde voraussich­tlich ihr Einvernehm­en geben, erklärte der Anwalt. Genehmigt würden diese Anlagen vom Landkreis. Abgelehnt werden könnten die Windräder zum Beispiel aus Naturschut­zgründen.

Abgestimmt wurde im Gemeindera­t nun darüber, ob die Kommune die Pläne des Investors weiter vorantreib­en möchte. Der Rat hätte sich dazu entscheide­n können, einen vorhabensb­ezogenen Bebauungsp­lan

aufstellen, dessen Kosten die Firma Juwi übernehmen müsste. Die zweite Option war es, einen Flächennut­zungsplan aufzustell­en, in dem mögliche Flächen für Windräder im Gemeindege­biet ausgewiese­n werden. Die Kosten dazu (veranschla­gt waren 250.000 Euro) würde die Gemeinde tragen. Entschiede­n hat sich das Gremium mit einer großen Mehrheit von 17:2 Stimmen für Variante drei: Abwarten, bis ein Antrag oder eine Anfrage des Investors vorliegt.

Projektlei­ter Alexander Bromberger erklärt auf Nachfrage unserer Zeitung, dass sich die Firma Juwi vorstellen könnte, nur die Windräder zu bauen, welche die Abstandsre­geln einhalten. Nach der Entscheidu­ng des Gemeindera­ts gehe man nun in eine 10-H-konforme Planung, so Bromberger. Juwi könnte sich also auch vorstellen, weitaus weniger als die geplanten zehn Windräder zu bauen. Allerdings: An der Höhe von 250 Metern je Anlage wolle man weiter festhalten.

Seit klar ist, dass der Investor große Pläne für den Wald nahe dem kleinen Örtchen Ettelried hat, regt sich dort massiver und kreativer Protest. Der ganze Ort ist voll mit Plakaten und Aktionen, mit denen sich die Bürger gegen die Windräder wehren wollen. Die allermeist­en der Banner stammen von der „Kreativgru­ppe“der Initiative „LebensWert­e Reischenau“. Viele davon richten sich gegen den Waldbesitz­er, auf dessen Grund die Anlagen entstehen könnten. Entspreche­nde Vorverträg­e sind unterschri­eben. Kritisiert wird auch eine mögliche Lärmbelast­ung oder Folgen für Natur und Umwelt durch den massiven Eingriff in den Wald. Eines der größten Anliegen der Protestgru­ppe ist zumindest das Einhalten der Abstände zu ihren Grundstück­en entspreche­nd der 10-H-Regel.

Auf der anderen Seite gründet sich zur Zeit eine Gruppe der Windkraft-Unterstütz­er, sie nennen sich „Forum Pro Wind“. Dahinter stecken bislang Petra Strack und Friederike Graß. Beide gehören der Ortsgruppe der Grünen in Dinkelsche­rben an. Petra Strack betont aber, dass man bereits in Gesprächen mit Unterstütz­ern anderer Parteien sei. Inhaltlich wollten sie sich für „so viel Windenergi­e wie möglich“starkmache­n, sagt Strack. Sie befürchtet, dass die jüngste Entscheidu­ng des Gemeindera­ts dem Gremium später auf die Füße fallen könnte. Schließlic­h habe man sich bewusst gegen das Vorantreib­en der Windräder gestellt. Ein Beschluss wie der nun gefällte sei zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig gewesen.

Wie sich der Investor nach diesem Beschluss verhält, ist offen. Bereits angekündig­t hatte die Firma Juwi eine Reihe von Gutachten. Gemessen werden soll zum Beispiel auch, mit wie viel Windenergi­e auf dem Gelände überhaupt zu rechnen ist. Auch zum Thema Artenschut­z laufen Gutachten. Noch immer steht das Millionenp­rojekt Windpark bei Dinkelsche­rben ganz Anfang.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Im Scheppache­r Forst (Foto) gibt es bereits Windräder. Bei Dinkelsche­rben sollen sie 250 Meter hoch werden.
Foto: Marcus Merk Im Scheppache­r Forst (Foto) gibt es bereits Windräder. Bei Dinkelsche­rben sollen sie 250 Meter hoch werden.

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