Augsburger Allgemeine (Land West)
Windräder: Jetzt ist der Investor am Zug
Energie Zehn riesige Anlagen plant ein Unternehmen im Wald bei Dinkelscherben. Bislang hat der Gemeinderat zu diesem Millionenprojekt keine Stellung bezogen. Nun gibt es einen ersten Beschluss
Dinkelscherben Es sind große Pläne, die ein Investor im Sommer in der Gemeinde Dinkelscherben vorgestellt hat. Von zehn 250 Meter hohen Windrad-Riesen ist die Rede – ein Millionenprojekt. Seither wird über die potenziell höchsten Bauwerke im ganzen Landkreis heiß diskutiert. Unter Anwohnern regt sich massiver Protest, doch es gibt auch viele Fürsprecher. Nun hat sich der Gemeinderat mit den Plänen befasst. Mit einem ersten Beschluss will das Gremium die Richtung vorgeben.
Wie groß das Interesse am Aufregerthema Windkraft ist, zeigte ein Blick in die vollen Zuschauerränge des Gemeinderats. Um mehr Platz zu schaffen, wurde die Sitzung extra in den großen Pfarrsaal verlegt. Heiß begehrt waren die wegen der Corona-Regeln eingeschränkten Sitzplätze in den Zuschauerreihen. Viele der Gäste hätten sich wohl ein klares Bekenntnis des Gremiums für oder gegen den großen Windpark gewünscht. Doch das blieb aus.
Um sich ein Bild über die Optionen der Gemeinde machen zu können, hatte das Gremium einen externen Experten eingeladen. Der auf Baurecht spezialisierte Anwalt Frank Sommer der Kanzlei Meidert+Kollegen erklärte, wie sich die Gemeinde nun verhalten kann. Grob gesagt gab es drei Optionen: Abwarten, die Windräder weiter vorantreiben oder versuchen, das Projekt möglichst zu verhindern. Letztlich entschied sich die Gemeinde mit großer Mehrheit dafür abzuwarten und erst zu reagieren, wenn konkrete Anfragen oder Anträge zu den Windrädern vorliegen. Der Investor Juwi AG hatte im Sommer zwar große Pläne vorgestellt, allerdings bislang keine weiteren Schritte eingeleitet.
Nach den vorgestellten Plänen des Investors könnten im Wald in der Nähe des Dinkelscherber Ortsteils Ettelried, auf einer Fläche von 140 Hektar, zehn 250 Meter hohe Windräder entstehen. Dauerhaft gerodet werden müsste eine Fläche von 0,5 Hektar je Anlage. Weil für den Aufbau der Anlagen schweres Gerät notwendig ist, müssten wohl auch die Waldwege verbreitert werden. Mit den zehn Windrädern könnten laut Investor etwa 25.000
Haushalte jährlich mit Strom versorgt werden.
Sieht man sich diese Pläne genauer an, stellt man fest, dass ein großer Teil der geplanten Anlagen gegen die sogenannte 10-H-Regel verstößt. Demnach muss ein Windrad in Bayern einen Mindestabstand vom Zehnfachen seiner Höhe zur nächsten Ortschaft einhalten. Dass es überhaupt Plätze gibt, die nicht gegen die ausschließlich in Bayern geltende 10-H-Regel verstoßen, ist laut Experte Frank Sommer selten. „Durch diese Regel hat sich das Thema neue Windräder in Bayern eigentlich erledigt“, sagte er. Geht man von einer Höhe der Anlagen von 200 Metern aus, würden bei Ettelried etwa vier bis fünf der geplanten Windräder diesen Abstand einhalten. Um die restlichen errichten zu können, bräuchte es die Zustimmung der Gemeinde, die einen entsprechenden Plan aufstellen müsste. Sie könnte sozusagen eine Ausnahmegenehmigung erteilen. Wollte der Investor allerdings lediglich die Anlagen realisieren, welche die Abstandsregeln einhalten, müsse die Gemeinde voraussichtlich ihr Einvernehmen geben, erklärte der Anwalt. Genehmigt würden diese Anlagen vom Landkreis. Abgelehnt werden könnten die Windräder zum Beispiel aus Naturschutzgründen.
Abgestimmt wurde im Gemeinderat nun darüber, ob die Kommune die Pläne des Investors weiter vorantreiben möchte. Der Rat hätte sich dazu entscheiden können, einen vorhabensbezogenen Bebauungsplan
aufstellen, dessen Kosten die Firma Juwi übernehmen müsste. Die zweite Option war es, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, in dem mögliche Flächen für Windräder im Gemeindegebiet ausgewiesen werden. Die Kosten dazu (veranschlagt waren 250.000 Euro) würde die Gemeinde tragen. Entschieden hat sich das Gremium mit einer großen Mehrheit von 17:2 Stimmen für Variante drei: Abwarten, bis ein Antrag oder eine Anfrage des Investors vorliegt.
Projektleiter Alexander Bromberger erklärt auf Nachfrage unserer Zeitung, dass sich die Firma Juwi vorstellen könnte, nur die Windräder zu bauen, welche die Abstandsregeln einhalten. Nach der Entscheidung des Gemeinderats gehe man nun in eine 10-H-konforme Planung, so Bromberger. Juwi könnte sich also auch vorstellen, weitaus weniger als die geplanten zehn Windräder zu bauen. Allerdings: An der Höhe von 250 Metern je Anlage wolle man weiter festhalten.
Seit klar ist, dass der Investor große Pläne für den Wald nahe dem kleinen Örtchen Ettelried hat, regt sich dort massiver und kreativer Protest. Der ganze Ort ist voll mit Plakaten und Aktionen, mit denen sich die Bürger gegen die Windräder wehren wollen. Die allermeisten der Banner stammen von der „Kreativgruppe“der Initiative „LebensWerte Reischenau“. Viele davon richten sich gegen den Waldbesitzer, auf dessen Grund die Anlagen entstehen könnten. Entsprechende Vorverträge sind unterschrieben. Kritisiert wird auch eine mögliche Lärmbelastung oder Folgen für Natur und Umwelt durch den massiven Eingriff in den Wald. Eines der größten Anliegen der Protestgruppe ist zumindest das Einhalten der Abstände zu ihren Grundstücken entsprechend der 10-H-Regel.
Auf der anderen Seite gründet sich zur Zeit eine Gruppe der Windkraft-Unterstützer, sie nennen sich „Forum Pro Wind“. Dahinter stecken bislang Petra Strack und Friederike Graß. Beide gehören der Ortsgruppe der Grünen in Dinkelscherben an. Petra Strack betont aber, dass man bereits in Gesprächen mit Unterstützern anderer Parteien sei. Inhaltlich wollten sie sich für „so viel Windenergie wie möglich“starkmachen, sagt Strack. Sie befürchtet, dass die jüngste Entscheidung des Gemeinderats dem Gremium später auf die Füße fallen könnte. Schließlich habe man sich bewusst gegen das Vorantreiben der Windräder gestellt. Ein Beschluss wie der nun gefällte sei zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig gewesen.
Wie sich der Investor nach diesem Beschluss verhält, ist offen. Bereits angekündigt hatte die Firma Juwi eine Reihe von Gutachten. Gemessen werden soll zum Beispiel auch, mit wie viel Windenergie auf dem Gelände überhaupt zu rechnen ist. Auch zum Thema Artenschutz laufen Gutachten. Noch immer steht das Millionenprojekt Windpark bei Dinkelscherben ganz Anfang.