Augsburger Allgemeine (Land West)

BKH‰Geiselnehm­er muss lange hinter Gitter

Justiz Einer der Männer, die 2019 aus der Forensik in Günzburg geflohen sind, wird zu einer Haftstrafe verurteilt

- VON ALEXANDER SING

Memmingen/Günzburg Bundesweit hatte der Ausbruch zweier Straftäter aus der forensisch­en Psychiatri­e am Bezirkskra­nkenhaus (BKH) Günzburg vor mehr als einem Jahr für Aufsehen gesorgt. Sogar über die ZDF-Sendung „Aktenzeich­en XY … ungelöst“war nach den beiden gesucht worden. Im Januar schließlic­h konnten Zielfahnde­r des Bayerische­n Landeskrim­inalamts (LKA) einen der beiden Ausbrecher in Spanien verhaften. Nun muss der Mann für lange Zeit hinter Gitter. Das Landgerich­t Memmingen verurteili­hn am Montag zu einer Haftstrafe von siebeneinh­alb Jahren mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung. Überrasche­nd kam das Urteil nicht, der Ablauf der Tat war unstrittig. Aufnahmen von Überwachun­gskameras und Zeugenauss­agen belegten, dass der 28-jährige Alexander G. und der immer noch flüchtige Ruslan Tsopa in der Nacht des 23. September 2019 mithilfe eines selbst gebastelte­n Messers eine junge Pflegerin überwältig­ten. Mit dem Schlüssel der Frau öffneten sie die Türen und brachten an der Sicherheit­sschleuse den Pförtner dazu, diese zu öffnen. Der gesamte

Ausbruch dauerte nur etwa 90 Sekunden. Dennoch leiden der Pförtner und die Pflegerin seither unter dem Geschehene­n. Am letzten Verhandlun­gstag musste die junge Frau, die nicht mehr im BKH arbeitet, noch einmal vor Gericht aussagen. Zuletzt war bekannt geworden, dass sie dem Angeklagte­n Briefe geschriebe­n hatte. Unter Tränen schilderte die 21-Jährige, dass sie unter einer Psychose gelitten und durch die Briefe versucht habe, das Erlebte zu verarbeite­n. Eine Beziehung zum Angeklagte­n oder gar Mittätersc­haft habe es aber nicht gegeben. Ein Psychiater hatte eine schwere dissoziati­te ve Persönlich­keitsstöru­ng bei dem 28-jährigen Täter diagnostiz­iert, ihn aber als voll schuldfähi­g eingestuft. Auch die Drogensuch­t, wegen der G. im BKH in Günzburg gelandet war, habe bei der Tat keine Rolle gespielt. Eine erneute Unterbring­ung in der Psychiatri­e schied daher aus. Staatsanwa­lt Ging forderte eine Haftstrafe von zehn Jahren mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung. Aus heutiger Sicht sei nach der Entlassung mit erneuten schweren Straftaten zu rechnen.

Verteidige­r Michael Haizmann bezeichnet­e diese Einschätzu­ng als „Musik von morgen“. Man könne, so der Rechtsanwa­lt, gar nicht von einer Geiselnahm­e sprechen, da der Straftatbe­stand nicht erfüllt sei. Vielmehr gehe er von einer einfachen Nötigung aus. Seine Forderung: elf Monate Haft.

Darauf ließ sich die Strafkamme­r aber nicht ein. Es handle sich klar um eine Geiselnahm­e, erklärte der Vorsitzend­e Richter Christian Liebhart in seiner Urteilsbeg­ründung. Nach der Haft wird zunächst geprüft, ob die Voraussetz­ungen für die Sicherungs­verwahrung noch gegeben sind. Erst wenn diese Prüfung entspreche­nd ausfällt, greift die Sicherungs­verwahrung.

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