Augsburger Allgemeine (Land West)
Als die Welt auf Nürnberg blickte
NS-Prozesse begannen vor 75 Jahren
Nürnberg 75 Jahre nach Beginn des ersten Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier diesen als bahnbrechend bezeichnet. Am 20. November 1945 mussten sich mit 21 führenden Nazis erstmals in der Geschichte Vertreter eines Staates wegen ihrer Verbrechen verantworten. Im Saal 600 im Nürnberger Justizpalast saßen sie auf der Anklagebank – in eben jenem Saal, in dem die Stadt Nürnberg am Freitagabend mit einem Festakt an den historischen Moment erinnerte.
„Der Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg war eine Revolution. Er schrieb nicht nur Rechtsgeschichte, er schrieb Weltgeschichte“, sagte Steinmeier. „Das Völkerrecht war bis zur Eröffnung des Prozesses vor 75 Jahren eine Angelegenheit von Staaten, nicht von Individuen“, sagte Steinmeier. Damals stellten die Alliierten unter anderem Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, Reichsmarschall Hermann Göring und NS-Außenminister Joachim von Ribbentrop vor einen Internationalen Militärgerichtshof, für den sich die vier Siegermächte zuvor auf einheitliche Rechtsmaßstäbe geeinigt hatten. Damit legten diese den Grundstein für ein modernes Völkerstrafrecht. Der „Jahrhundertprozess“, wie ihn Medien damals nannten, endete nach fast einem Jahr mit zwölf Todesurteilen.
Begriffe wie Genozid oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien zu Beginn des Prozesses am 20. November 1945 erstmals eingeführt worden, sagte der britische Menschenrechtsanwalt und Experte für die Nürnberger Prozesse, Philippe Sands, vor dem Festakt. „Das ist die Wiege, wo das moderne System des Völkerstrafrechts angefangen hat.“Neben dem Bundespräsidenten waren auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und die Chefanklägerin vor dem Internationalen Strafgerichtshof, Fatou Bensouda, eingeladen.