Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Kirchenglocke kommt noch im Dezember
Ein Vierteljahrhundert nach ihrer Gründung kann die syrisch-orthodoxe Sankt-Marien-Kirche in Lechhausen einen Kirchturm bauen. Die Gemeinde nimmt dafür einen Kredit auf
Über zwei Jahrzehnte fehlte dem Verein Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien in Augsburg ein Detail: ein Glockenturm. Jetzt haben die 800 Familien der Gemeinde Nägel mit Köpfen gemacht. Diese Woche errichtete eine Spezialfirma einen 26 Meter hohen Turm auf dem Gelände zwischen dem großen Kirchengebäude und dem Gemeindehaus in Lechhausen.
Ein fünf Meter hoher, luftiger Betonsockel, dessen offene Bögen noch mit Türen und Glasoberlichtern verschlossen werden sollen, trägt 40 miteinander verschraubte, pulverbeschichtete Eisenlochplatten. 17 Tonnen Material wuchteten die Arbeiter mit drei Kränen in die Höhe. Das Dach schmückt ein orthodoxes Kreuz mit den typischen Verdickungen an den vier Enden.
Etwa 200.000 Euro werden investiert, schätzt Daniel Akgüç, Vorstand
des Kirchenrats der SanktMarien-Kirche. Noch konnte die Gemeinde erst Spenden in Höhe von 50.000 Euro einwerben. Der Rest werde mit einem Kredit finanziert. Weil die Behörden die Errichtung weiter vorne, neben dem Haupteingang, nicht genehmigten, einigte man sich auf den Standort zwischen Kirche und Gemeindesaal im hinteren Bereich des Areals. Akgüç ist froh und auch ein bisschen stolz auf das neue, weithin sichtbare Bauwerk. „Keine andere syrisch-orthodoxe Kirche hat einen so hohen Turm. Das ist auch ein Signal für unsere Identität in Deutschland und Augsburg.“
Die Ursprünge der syrisch-orthodoxen Augsburger Gemeinde reichen bis in die 1970er Jahre und die Zeit der ersten Gastarbeitergeneration zurück. Akgüç war schon 1978 dabei, als die syrisch-orthodoxen Christen aus der Türkei sich langsam organisierten, ihre Gottesdienste aber noch als Gäste in katholischen und evangelischen Kirchen feiern mussten. Zehn Jahre später gründeten 200 Mitglieder den Verein, kauften 1991 das Grundstück an der Zusamstraße, 1998 konnte der Patriarch von Antiochien die Kirche einweihen. Unter den Gemeinden der etwa 100.000 syrisch-orthodoxen Christen in Deutschland erhielt Augsburg 1971 als erste einen geweihten Priester. Dadurch wurde Augsburg zu einem der großen syrisch-orthodoxen Zentren in Deutschland. Während des Terrors des Islamischen Staates flohen zahlreiche Christen aus dem Irak und Syrien nach Augsburg. Ab 2014 wuchs die Gemeinde so um 200 Familien auf jetzt 800. An hohen Festtagen kommen jetzt etwa 2000 Personen zu den Gottesdiensten.
Eine Feier rings um den Turm hatte der Kirchenrat laut Akgüç dieses Jahr geplant. Mit der Montage der Glocke, die im Dezember aus Passau geliefert werden wird, sollten der syrisch-orthodoxe Erzbischof und Gäste aus ganz Deutschland anreisen. Wegen der Infektionszahlen ist das auf Eis gelegt. „Aber vielleicht wird es eine kleinere Feier geben können“, hofft Akgüç.