Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie der Nikolaus trotz Corona kommt

Die Pandemie bremst auch das beliebte Brauchtum aus. Die Gersthofer Kolpingsfa­milie und der Fördervere­in der Zusamtaler Bettschone­r haben sich aber einen Ersatz für die Kinder ausgedacht

- VON OLIVER REISER UND KATJA RÖDERER

Gersthofen, Zusmarshau­sen Normalerwe­ise kommt der Nikolaus in Zusmarshau­sen mit seinem Knecht Ruprecht zu den Kindern ins Haus. Normalerwe­ise findet auch jedes Jahr am 1. November in einem Kellergewö­lbe in Gersthofen eine Bischofsko­nferenz statt. Dort treffen sich Mitglieder der Kolpingsfa­milie, die in den nächsten Wochen als Bischof Nikolaus oder Knecht Ruprecht, als Fahrer oder Organisato­ren zugange sind. In dieser Runde wird auch diskutiert, an welche wohltätige Organisati­onen die Spendenein­nahmen dieser Aktion, deren Volumen in den letzten Jahren immer rund 10.000 Euro betrug, verteilt werden sollen. In diesem Jahr ist alles anders.

Zum ersten Mal seit 30 Jahren konnten sich die Kolping-Nikoläuse aufgrund der wegen des Coronaviru­s herrschend­en Kontaktbes­chränkunge­n nicht treffen. Wenige Tage später war auch klar, dass es angesichts der steigenden Infektions­zahlen keine Hausbesuch­e bei den Familien geben kann. Doch die Organisato­ren haben sich etwas ausgedacht, wie Bischof Nikolaus und Knecht Ruprecht dennoch ins Wohnzimmer kommen können, Lob und Tadel für die Kinder ausspreche­n und Geschenke bringen können. Auch in Zusmarshau­sen müssen die Familien auf diesen Brauch nicht verzichten.

„Wenn wir schon nicht persönlich zu den Kindern kommen dürfen, wollen wir sie wenigstens virtuell besuchen“, sagt der Gersthofer Obernikola­us Reinhold Dempf. Er hat zwar sein Amt inzwischen offiziell abgegeben, steht jedoch in dieser Ausnahmesi­tuation weiter mit Rat und Tat zur Verfügung. So hat der Nikolaus jetzt ein mobiles Büro eingericht­et. „Momentan bleibt uns nur das Online-Geschäft, da das Geschäft mit den Hausbesuch­en schwer eingebroch­en ist“, sagt Manfred Lamprecht, der ansonsten als Rentier fungiert, das den Nikolaus zu seinen Auftritten chauffiert.

In Zusmarshau­sen haben die Rentiere in dieser Saison ebenfalls frei. Bislang haben sie alljährlic­h etwa sieben Nikolauste­ams des Fördervere­ins der Zusamtaler Bettschone­r zu den Familien gebracht. Weil das wegen Corona nicht möglich ist, haben sie sich überlegt, den Kindern Videobotsc­haften zu schicken. Eltern, die dem Fördervere­in in Zusmarshau­sen bis Mittwoch, 25. November, eine E-Mail an die Adresse faschingsf­oerdervere­in.zus@gmail.com schreiben, in der sie die guten Taten ihrer Kinder schildern, können sich den Nikolaus virtuell ins Wohnzimmer holen. Konrad Brenner ist Vorsitzend­er des Fördervere­ins und von der guten Nachfrage ganz überrascht: „Im Moment kommen stündlich mehr E-Mails an“, erzählt er. 20 Familien hatten sich bis Freitagmit­tag für den Service angemeldet. Wahrschein­lich werden es am Ende etwa 40 bis 45 Familien sein, vermutet Konrad Brenner. „Es ist unser soziales Projekt“, sagt er. Deshalb müssen Familien den Nikolaus nicht bezahlen. Spenden sind aber erwünscht, denn die kommen dann wieder dem Verein zugute. Nach etwa drei Wochen Vorbereitu­ng sollen an diesem Wochenende die Dreharbeit­en für die ersten Nikolausvi­deos in Zusmarshau­sen beginnen.

Auch in Gersthofen holen die Nikoläuse jetzt ihre Kamera heraus. Auf den Videos erzählt der heiligen Mann dann nicht nur seine Geschichte, sondern erklärt den Kindern und Erwachsene­n auch, warum er heuer nicht ins Haus kommen darf. Schließlic­h verteilt er Lob und Tadel und erklärt, dass er die Geschenke vor die Tür gestellt hat. Das müssen in diesem Fall natürlich die Eltern für ihn erledigen.

Ein virtueller Nikolausbe­such kann in Gersthofen entweder über die E-Mail-Adresse kolping.nikolaus.gersthofen@gmail.com oder per WhatsApp-Nachricht unter Telefon 01512/8130081 gebucht werden. Um die guten und schlechten

Taten aus dem Goldenen Buch individuel­l vorzulesen, benötigt der Nikolaus natürlich entspreche­nde Angaben, wie den Namen und das Alter des Kindes sowie je zwei bis drei positive und negative Eigenschaf­ten. Diese Angaben müssen bis spätestens 1. Dezember vorliegen. Es gibt aber auch eine neutrale Variante aus Gersthofen, in der Nikolaus erzählt, dass er eine Seite aus dem Goldenen Buch herausgeri­ssen und mit den Geschenken vor der Tür zurückgela­ssen hat. Dann können die Eltern diese den Kindern selbst vorlesen. Zur Rücksendun­g des Videos ist auf einen jeden Fall eine WhatsApp-fähige Handynumme­r erforderli­ch. Die freiwillig­e Spende sollte unter der Kontonumme­r DE 76 7206 2152 0000 0360 05 erfolgen.

Dort sind bereits einige Spenden von Privatpers­onen und Firmen eingegange­n, die ansonsten im größeren Rahmen den Nikolausab­end zelebriere­n, den Erlös aber weiterhin von Kindern für Kinder gut angelegt sehen. Oder auch ganz einfach dankbar sind, dass sie bisher unbeschade­t durch die Pandemie gekommen sind. „Ich durfte das ganze Jahr arbeiten und hatte keine Langeweile“, schreibt zum Beispiel ein Geschäftsm­ann, der 250 Euro überwiesen hat. „Eine tolle Geste“, freut sich Obernikola­us Reinhold Dempf, und hofft, dass sich noch einige diesem Beispiel anschießen werden. „Schließlic­h würde ein dramatisch­er Rückgang des Spendenauf­kommens ja wieder einmal die Ärmsten in unserer Gesellscha­ft treffen.“Deshalb wollen sich die Kolping-Nikoläuse auch in CoronaZeit­en unter dem Motto „Von Kindern für Kinder“engagieren. Auch wenn sie diesmal nicht in direkten Kontakt treten dürfen: „Nächstes Jahr kommen wir dann wieder ins Wohnzimmer.“

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Foto: Marcus Merk Vorbereitu­ngen für den digitalen Nikolaus‰Besuch: Reinhold Dempf als Nikolaus, Barbara Lamprecht als Knecht Rupprecht sowie Manfred Lamprecht an der Kamera.

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