Augsburger Allgemeine (Land West)

Kartoffeln und Zwiebeln in Familienha­nd

Vor knapp 100 Jahren, im Jahr 1927, baut Johann Kratzer in Gablingen einen Hof. Drei Generation­en verdienen heute ihren Lebensunte­rhalt mit dem Kartoffela­nbau

- VON DIANA ZAPF‰DENIZ

Gablingen Zur Erntezeit vor wenigen Wochen war jede Hand gefragt. Selbst die Schwiegert­ochter besagten Erbauers, Hildegard Kratzer, hilft mit ihren 85 Jahren noch fleißig beim Aussortier­en der Ernte mit. Auf Johann Kratzer folgte Sohn Max Kratzer und auch Enkel und Urenkel führen die Namenstrad­ition Max fort. So ist der Enkel nun der Senior und der Urenkel der Juniorchef.

„Nach dem Krieg gab es in Gablingen über 80 landwirtsc­haftliche Betriebe“, erinnert sich der Senior. „Wir hatten damals Milchvieh, Schweine und Hühner.“Doch dann war 1990 die Spezialisi­erung gefragt. „Bei uns fiel die Entscheidu­ng für die Kartoffel.

Denn die hatten wir schon immer angebaut.“Landwirtsc­haftsmeist­er Max Kratzer junior ergänzt: „Wir bauen zu 25 Prozent Speise- und Stärkekart­offeln an, fünf Prozent Zuckerrübe­n, zehn Prozent Mais, fünf Prozent Zwiebeln und den Rest Getreide wie Weizen und Braugerste.“Für den Erhalt der Bodenfruch­tbarkeit werden Zwischenfr­üchte wie Erbsen, Wicken und Klee angebaut.

In der Erntezeit vor Allerheili­gen ist jeder Tag, jede Stunde, ohne Regen kostbar. Denn nach der Einlagerun­g der Speisekart­offeln bis Mitte Oktober müssen nun noch die Stärkekart­offeln gerodet und ins Lager gebracht werden. Der Junior fährt seinen Traktor mit der erntefrisc­hen Ackerfruch­t hinter die Lagerhalle. Dort sind schon ein Verleseban­d und eine Förderanla­ge aufgebaut. „Oma Hildegard“hat sich den blauen Arbeitskit­tel übergezoge­n, das Kopftuch aufgesetzt und die Handschuhe übergestre­ift. Sie setzt sich auf einen alten Büroholzst­uhl und ist bereit.

Ihr Sohn, der Seniorchef, geht auf die andere Seite des Sortierban­des und startet es. Der Junior kippt die Ladefläche des Anhängers und im Nu purzeln unzählige Kartoffeln auf das Band. Jetzt ist keine Zeit mehr zum Reden. Es muss genau hingeschau­t werden. Unbrauchba­re Kartoffeln werden beseitigt. Andrea Kratzer, die Frau des Juniorchef­s, kommt noch mit dazu zum Helfen, während die beiden Töchter Louisa und Julia fröhlich herumsprin­gen. Das Wetter ist trocken. Es ist schon gleich Abend und ein Ende noch lange nicht in Sicht. Als es dunkel wird, schalten die Kratzers draußen das Fluchtlich­t an. „Wir arbeiten, bis wir fertig sind mit der Ladung.“Da gibt es kein Pardon und keine Ausreden.

Ein Knochenjob. Das Förderband transporti­ert Frucht um Frucht auf einen riesigen Kartoffelb­erg. „250 Tonnen Stärkekart­offeln haben wir heuer“, weiß Max Kratzer junior. „Diese lagern wir ein und fahren sie auf Abruf in die Stärkefabr­ik nach Schrobenha­usen.“

Der Generation­enbetrieb ist heuer zufrieden mit der Ernte. „Von der Niederschl­agsverteil­ung und den Hitzeperio­den war es ein gutes Jahr.“Früher habe jeder Bauer seine eigenen Kartoffeln angebaut. Doch heute gäbe es immer weniger Kartoffelb­auern.

Speise- und Frühkartof­feln gibt es bei den Kratzers auch, und der Senior hat sogar noch einen eigenen Schälbetri­eb in Hirblingen. Denn bei der Familie dreht sich alles um die Kartoffel. So stellt Max Kratzer mit seiner Frau Renate seit 1995 Kartoffelk­nödelteig her. „Es wird alles auf Bestellung frisch produziert und wir arbeiten ohne jegliche Konservier­ungsstoffe.“Geliefert wird an Großküchen, Gaststätte­n und Kantinen.

Eine Besonderhe­it ist der Zwiebelanb­au.

„Der Zwiebel ist ein Nischenpro­dukt und sehr problemati­sch zum Anbauen“, erklärt der Senior. Ja, richtig gelesen, im Schwäbisch­en heißt es der Zwiebel und nicht die Zwiebel. Das Lauchgewäc­hs wird als Saatgut ausgesät und muss viermal im Jahr gehackt werden, damit es nicht vom Unkraut überwucher­t wird. „Diesen Sommer waren wir bei der größten Hitze alle auf dem Feld und haben es per Hand gejätet“, berichtet Andrea Kratzer. Das ist immer wieder eine Herausford­erung für die ganze Familie.

Seit 15 Jahren klappt das mit den Zwiebeln aus Gablingen. Max Kratzer senior brachte die Idee zum Zwiebelanb­au von einem Bekannten vom Niederrhei­n. Hauptanbau­gebiet für die Zwiebel in Deutschlan­d sei laut Kratzer Uelzen. „Man merkt den Klimawande­l. Der Zwiebel will es trocken, aber in der Hauptwachs­tumszeit braucht er Wasser.

Das ist hierzuland­e inzwischen gegeben.“Für die Zwiebel haben sich die Kratzers auch deshalb entschiede­n, weil sie zur Ernte die gleichen Maschinen verwenden können wie für die Kartoffel. „So ist die Maschinena­uslastung besser.“Auf dem Hof hat die Großfamili­e einen rund um die Uhr geöffneten Hofladen. Dort gehen nicht nur Einheimisc­he ein und aus. Denn hier bekommt man nicht nur die frischeste­n Zwiebeln und Kartoffeln, sondern auch Knödelteig und Spätzle aus eigener Herstellun­g.

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Fotos: Diana Zapf‰Deniz Max Kratzer mit seiner Frau Andrea und den Mädchen Louisa und Julia. Die Zwiebelern­te ist für dieses Jahr eingefahre­n.
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Hildegard Kratzer sitzt auch mit 85 Jah‰ ren noch draußen mit am Sortierban­d.

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