Augsburger Allgemeine (Land West)

So gelangte der Ex‰Wirecard‰Chef nach Berlin

Seit Juni saß Markus Braun, der Ex-Chef des Unternehme­ns Wirecard, in Gablingen in Untersuchu­ngshaft. Nun wurde er in der Hauptstadt von einem Ausschuss verhört. Wie der Transport ablief

- VON SÖREN BECKER

Gablingen Einer der ersten Ausflüge von Ex-Wirecard-Chef Markus Braun seit seinem Haftantrit­t im Juni führte nach Berlin. Dort musste er vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags aussagen: Braun befindet sich in der U-Haft in Gablingen, weil die Staatsanwa­ltschaft München I ihm erwerbsmäß­igen Bandenbetr­ug zur Last legt. Die Reise nach Berlin dürfte für ihn keine angenehme gewesen sein.

Sowohl Gefängnis als auch die Staatsanwa­ltschaft halten sich mit den Details zu Brauns Gefangenen­transport bedeckt. Ausschussv­orsitzende­r Kay Gottschalk (AfD), der Braun vorgeladen hatte, ist redebeViel habe er vom Transport Brauns aber nicht mitbekomme­n. „Um den Abstand zu gewährleis­ten, wurde er von den Justizbeam­ten durch die Hintertür in den Sitzungssa­al hereingefü­hrt“, erinnert sich Gottschalk. Die Nacht zuvor habe Braun in der Berliner Justizvoll­zugsanstal­t Moabit verbracht. Es sei ihm wichtig gewesen, dass Braun sicher aus Gablingen nach Berlin kommt. Der Transport sei „ganz normal mit dem Kfz-Bus erfolgt“, so Gottschalk. Auch Spiegel Online und die FAZ melden, dass Braun per Gefangenen­transport nach Berlin gebracht wurde. Wie es bei derartigen Transporte­n zugeht weiß Florian Engert.

Er ist Fachanwalt für Strafrecht in der Augsburger Kanzlei Decker. Viele seiner Mandanten mussten bereits „verschubt“werden, wie der Transport in der Fachsprach­e heißt. Dafür gibt es einen speziellen Bus, den sogenannte­n Schubbus. Es handelt sich um einen voll verkleidet­en Reisebus mit Blaulicht und Polizeilog­o. Engert hat ein paar Mal kurz das Innere gesehen: „Wie ein Stück Vieh wird man da transporti­ert“, sagt der Anwalt. Das Innere bestehe aus Einzelzell­en von der Größe einer Toilettenk­abine, in der jeweils ein Gefangener untergebra­cht wird. Die Fahrt läuft streng nach Fahrplan, sodass die Fahrten mehrere Wochen in Anspruch nehmen können.

Viele Juristen wie zum Beispiel der Lübecker Anwalt Andreas Mroß halten das für rechtswidr­ig. „An sonnigen Tagen wird es in der Kabine unerträgli­ch heiß.

Die Grundfläch­e der Kabine beträgt weniger als einen halben Quadratmet­er“, schreibt Mroß in einem Aufsatz im Fachmagazi­n Der Strafverte­idiger.

Während dieser Fahrten wird in der „Schubzelle“übernachte­t, also einer speziellen Gefängnisz­elle für Gefangene auf der Durchreise. „Die Person wird in einen spärlichst eingericht­eten Haftraum verbracht. Nichts Persönlich­es ist vorhanden. Den Rest des Tages bleibt sie unter Verschluss. Findet die Weiterfahr­t erst am übernächst­en Tag statt, mag die Person am Folgetag an einem einstündig­en Hofgang teilnehmen dürfen“, schreibt Mroß in seinem Aufsatz. Eine Kontaktmög­lichkeit zur Familie, zu Angehörige­n oder zum Verteidige­r gebe es in dieser Zeit nicht. Die Behandlung könne zwei Wochen oder länger dauern. Kein Wunder, dass Engerts Mandanten meist versuchen wollen, um den Schubbus herumzukom­men. Das ist aber gar nicht so leicht. „Das geht nur wegen dringenden gesundreit­er. heitlichen Gründen“, erklärt der Engert.

Immer wieder kursieren Gerüchte, dass wohlhabend­e Gefangene einen Einzeltran­sport bekommen, wenn sie ihn selbst bezahlen: „In 18 Jahren Strafrecht ist mir das aber noch nie untergekom­men“, beteuert Engert. Einzeltran­sporte gebe es nur bei Staatsdeli­kten wie Terrorismu­s. Hier wird der Angeklagte normalerwe­ise einzeln mit dem Hubschraub­er zum Gericht geflogen. „Ausnahmen gibt es also nur aus Sachgründe­n, nicht aus persönlich­en“, fasst Engert zusammen.

Auch Braun wollte den Schubbus meiden und seine Aussage per Videokonfe­renz machen. Ausschussv­orsitzende­r Gottschalk lehnte das aber ab: „Video ist abstrakt. Bei der Vernehmung ist es wichtig, die Gestik und Mimik zu sehen. Die

Schweißper­len auf der Stirn des Zeugen“, betont Gottschalk, der das erste Mal Mitglied in einem Untersuchu­ngsausschu­ss ist. „Und noch viel wichtiger: Es geht auch um die Würde des Hauses und dieses Ausschusse­s.“

Er hat sich während der Vernehmung am Donnerstag über Braun geärgert: „Er hat von 78 Fragen keine einzige beantworte­t. Das wäre für ihn eine historisch­e Gelegenhei­t gewesen, Verantwort­ung für die Vorgänge bei Wirecard zu übernehmen“, kritisiert ihn der Düsseldorf­er Bundestags­abgeordnet­e. Aber er sieht eine Chance, mehr aus ihm rauszukitz­eln: „Wir werden ihn wieder vorladen, und er hat mir sein Ehrenwort gegeben, dass er erscheinen wird“, sagt Gottschalk. Voraussich­tlich war es also nicht Brauns letzte Fahrt im Schubbus.

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Foto: Bayerische Polizei Diesen sogenannte­n „Schubbus“hat die Bayerische Polizei 2012 in Betrieb genommen.
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Foto: Fabrizio Bensch, dpa Der Wirecard‰Ex‰Vorstandsv­orsitzende Markus Braun musste am Donnerstag als Zeuge vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss aussagen.

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