Augsburger Allgemeine (Land West)
Er ist der neue Mann für Sport und Kultur
Stadtregierung Jürgen Enninger setzt als Augsburger Referent auf Mitsprache und niedrigschwellige Angebote. Von Brecht und einem 50-Meter-Becken hat er klare Vorstellungen
Wenn er könnte, wäre Jürgen Enninger noch öfter unterwegs. Doch ausgerechnet er, der gerne mit den Menschen ins Gespräch kommt, hat sein Amt in dieser Krise angetreten, in der Abstand oberstes Gebot ist. Dennoch ist Augsburgs neuer Sport- und Kulturreferent bereits herumgekommen in seinen ersten Wochen: Er hat eine „Tour de Sport“zu Augsburger Bädern und Sportanlagen absolviert und die Hochschule besucht, er war in der Augsburger Puppenkiste, im CurtFrenzel-Stadion, in virtuellen Videokonferenzen und Besprechungen. Eher nebenbei organisiert er da schon seinen privaten Umzug: Anfang Dezember wird seine Wohnung in der Stadtmitte fertig. Dann wird aus dem 51-jährigen, „leidenschaftlichen Münchner“ein NeuAugsburger.
Einen leichten Posten hat er nicht angetreten. Er sah sich schon Kritik ausgesetzt, da hatte sich die schwarz-grüne Regierung gerade erst für ihn entschieden. Auslöser war der Zuschnitt seines Referats, das die Bereiche Kultur, Sport und Welterbe umfasst. Sowohl Kulturschaffende als auch Sportfunktionäre fürchten, beide Themen seien kaum in einem Referat zu vereinen – sie seien zu verschieden und zu zeitintensiv. Hinzu kommt, dass ein ähnlicher Referatszuschnitt unter
Peter Grab (damals Pro Augsburg) in schlechter Erinnerung blieb: Das Projekt Kuspo versuchte eher zwanghaft, beide Bereiche in gemeinsamen Aktionen zu bündeln. Gelungen ist das selten.
Enninger will in diese Richtung gar nicht erst loslaufen: „Kultur und Sport sind zwei unabhängige, selbstbewusste Bausteine in der Stadt, die eigenständig zu entwickeln sind. Sie konkurrieren nicht, sie nehmen sich nichts weg, im Gegenteil.“Der studierte Kulturwirt und Religionspädagoge sieht seine Aufgabe darin, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Bürger sich im sportlichen und kulturellen Umfeld engagieren können. Da fällt dann schnell das Wort Partizipation, das Enninger so gern benutzt: Teilhabe ist eines seiner Lieblingsthemen, was er schon bei seiner Wahl im Mai im Stadtrat unterstrich.
Die Kultur ist für Enninger gewohntes Terrain. Über einige Jahre leitete er in München das Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft, das die freie kreative Szene der Landeshauptstadt vernetzen und beraten sollte, ihren Akteuren
bei der Raumsuche, der Finanzierung von Projekten behilflich war und ist. Diese Erwartungen setzt man auch hier in ihn: Enninger war Wunschkandidat der Grünen für den Posten. Er soll die freie Szene, die sich jahrelang gegenüber institutionellen Einrichtungen wie dem Stadt- bzw. Staatstheater benachteiligt fühlte, stärken. Dass ihm die Expertise im Sport noch fehle, gibt Enninger zu. Doch er sieht dies positiv: In diesem Bereich sei er „offen für Impulse“. „Mein Kompass im Sport ist es, Menschen zu mehr Teilhabe zu bewegen, aktiviert zu halten und möglichst vor Ort niedrigschwellige Angebote zu machen. Dafür ist das lebendige Sportvereinswesen ein zentraler Baustein.“
jetzt bescheinigen viele Akteure aus Sport und Kultur dem 51-Jährigen Fleiß und Engagement. Er habe sich bei Treffen interessiert und vorbereitet gezeigt, heißt es. Auch zum Interview mit unserer Redaktion kommt Enninger nicht anders. In einem mehrere Seiten starken Skript hat er sich mit den Themen dieser sechsjährigen Amtszeit auseinandergesetzt. Manche Passagen liest er nahezu wörtlich ab. Man spürt: Da sitzt jemand, der erst kurz im Amt ist und keinesfalls gegen Projekte und Pläne einer teilweise nicht ganz so neuen Stadtregierung anreden möchte. Wenn Enninger sich löst von seinem Skript, wirkt er aufgeschlossener und neugierig. Enninger ist offen für Ideen
und möchte diese auch diskutieren. Bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahr 2026 begleiten Enninger zwei große Bauprojekte: Das Staatstheater wird saniert, ebenso die KanuOlympiastrecke. Beide Projekte hält Enninger trotz Kostensteigerungen (beim Theater bereits festgestellt, beim Eiskanal möglich) nicht für gefährdet. Im Sport nennt er als weitere Herausforderungen die Sanierung der Hallenbäder und den Bau eines 50-Meter-Beckens: „Wenn so viele ehrenamtliche Akteure sich gemeinsam auf den Weg machen, ein solch für den Sport zentrales Projekt anzugehen, dann müssen die nächsten Schritte dafür nun auch gemacht werden können.“
Auch möchte Enninger die kleiSchon neren Sportvereine im Stadtteil fördern. Die Ansätze für Vereinspauschalen, den Bau von Sportstätten sowie die Jugendförderung seien von der Stadt trotz des massiven finanziellen Drucks nicht nach unten korrigiert worden. Am Sport- und Bäderentwicklungsplan seines Vorgängers Dirk Wurm (SPD) will Enninger festhalten: „Ich freue mich einerseits darauf, bereits begonnene Projekte wie den Sporttreff Oberhausen oder die Sportanlage Süd zu Ende führen zu dürfen sowie andererseits gemeinsam weitere Maßnahmen der Augsburger Sport- und Bäderentwicklungsplanung voranzutreiben.“
In der Kultur liegt Enninger einerseits das Thema Brecht am Herzen. Sein Geburtshaus müsse zeitgemäß überarbeitet, überhaupt das Thema besser präsentiert werden. Und dann ist da noch der dritte Bereich, für den Enningers Referat künftig zuständig sein wird: das Welterbe. „Hier möchte ich klare Akzente setzen, denn der Titel ist eine große Auszeichnung und Chance für Augsburg.“
Doch erst einmal müssen Enningers Bereiche wieder anlaufen, denn solange in den Sporthallen nicht gespielt und in den Theatern nicht aufgetreten werden darf, ist der neue Kultur- und Sportreferent zwar nicht arbeitslos, doch aber etwas machtlos. „Ehrlich gesagt hat mich in diesen ersten Wochen vor
Kultur und Sport, zwei unabhängige Themen
In sechs Jahren will er einiges erreichen
allem die Bewältigung der CoronaPandemie umgetrieben.“Enninger sagt, er sei beeindruckt, wie kreativ Sportvereine und Kulturakteure Hygienekonzepte erstellten und umsetzten. Nun hofft er, dass es ihnen gemeinsam mit der Stadt gelinge, auch für den Winter Rahmenpläne zu erarbeiten, ohne dass die Infektionsrate dieses Bemühen nicht wieder über den Haufen werfe. „Hier geht es um Existenzen.“
Politisch ist Enninger seit letztem Jahr aktiv. 2019 trat er der EuropaPartei Volt bei, für die er auch für den Münchner Stadtrat kandidierte. Gerüchten, er würde sich über kurz oder lang ein grünes Parteibuch zulegen, widerspricht er, obwohl er seine neue Aufgabe in Augsburg mehr oder weniger den Grünen verdankt.
Privat lebt Enninger mit seinem Mann zusammen, den er 2018, als dies für homosexuelle Paare erstmals möglich wurde, geheiratet hat. Auch deshalb sei er ein überzeugter Europäer: Die EU habe einen zentralen Beitrag zur Gleichberechtigung Homosexueller geleistet und sichere deren Rechte dauerhaft.