Augsburger Allgemeine (Land West)

Kinder dürfen erst nach Gerichtsbe­schluss in Kita

Streit Der Post SV hat seinen Sportcampu­s wegen der Corona-Auflagen derzeit geschlosse­n. Das bekommt auch eine Kinderbetr­euung zu spüren, die im Gebäude untergebra­cht ist. Die Sache wurde zum Fall für die Justiz

- VON ANDREA BAUMANN

Augsburg Seit einem Jahr spielen und lernen zehn Mädchen und Jungen unter den Augen zweier Erzieherin­nen in der Großtagesp­flege Smile & Move (Lächeln und Bewegung), die Räume im neu erbauten Sportcampu­s des Vereins Post SV Augsburg auf dem Sheridan-Gelände angemietet hat. Doch als die Gruppe Anfang November nach zweiwöchig­er Corona-Quarantäne wieder in ihr Domizil in Pfersee zurückkehr­en wollte, ist ihr das Lächeln gründlich vergangen. Die beiden Erzieherin­nen, die ihren Namen nicht veröffentl­icht haben wollen, und ihre Schützling­e im Krippenund Kindergart­enalter standen vor verschloss­ener Tür.

Das komplette Gebäude war zugesperrt, weil der Sportbetri­eb wegen des staatlich verordnete­n Lockdown light den gesamten November pausieren muss. Ganz im Gegensatz zur Großtagesp­flege, die nach dem Wunsch der Staatsregi­erung und der Stadt wie alle Kindertage­sstätten in Betrieb bleiben soll.

Alle Versuche der Betreuerin­nen und Eltern, den Verein zum Öffnen ihrer Räume zu bewegen, scheiterte­n. Vorsitzend­er Heinz Krötz begründete seine Haltung mit der Tatsache, dass sich die Großtagesp­flege in einem Sportverei­n befinde und alle sportliche­n Einrichtun­gen von der bayerische­n Staatsregi­erung ausnahmslo­s geschlosse­n worden seien. Daher seien dem Verein in dieser Angelegenh­eit die Hände gebunden.

Auf Anfrage unserer Redaktion verwies Krötz außerdem auf die hochkomple­xe Technik des Hauses mit rund 3000 Quadratmet­ern Fläche. Der Zutritt sei nur über Armbänder möglich, die individuel­l freigescha­ltet würden. Man könne nicht einfach eine Türe aufsperren für die Kita, sondern müsste eigenes Personal dafür abstellen. Dies brächte einen großen Aufwand und Mehrkosten mit sich, zumal sich die Mitarbeite­r aktuell in Kurzarbeit befänden. „Die Mitglieder könnten den Verein wegen der dadurch entstehend­en finanziell­en Schieflage sogar zur Rechenscha­ft ziehen“, so Krötz.

Auch Thomas Schäfers kleine

Tochter war von der plötzliche­n Schließung ihrer Betreuungs­stätte betroffen. „Am ersten Tag hat die Gruppe in ihrer Not einen Ausflug unternomme­n“, berichtet der Vater.

Nachdem seitens des Vereins keinerlei Entgegenko­mmen signalisie­rt worden sei, obwohl die Regierung von Schwaben mittlerwei­le eine Teilöffnun­g des Gebäudes genehmigt habe, hätten sich die Erziehe

mit der Bitte um Hilfe an die Stadt gewandt.

Dem Amt für Kindertage­sbetreuung gelang es schließlic­h, ein Ersatzquar­tier in den Räumen des Kinderschu­tzbundes in der Innenstadt aufzutreib­en. „Wir haben den Vorgang begleitet, schließlic­h können wir die Kinder nicht in der Luft hängen lassen“, betont Amtsleiter­in Eva Maria Hermanns. Kindertage­sstätten – darunter auch die stadtweit 16 Großtagesp­flegen – müssten in diesen Wochen ausdrückli­ch offen bleiben – sofern nicht Quarantäne­maßnahmen eine teilweise oder komplette Schließung erforderli­ch machen.

Das Gastspiel der Pferseer Gruppe beim Kinderschu­tzbund ist seit dem vergangene­n Freitag beendet. Ab diesem Montag darf sie wieder ihre Räume im Sportcampu­s des Post SV nutzen. Die Erzieherin­nen sind in dieser Angelegenh­eit vors Landgerich­t gegangen – mit Erfolg. „Wir werden der einstweili­gen Verfügung nachkommen und das Gebäude am 23. November zunächst im Notbetrieb für die Großtagesp­flege wieder öffnen“, bestätigt Vereinsche­f Krötz. Durch den richterlic­hen Beschluss sei die Vorstandsc­haft zumindest in finanziell­er Hinsicht aus der Haftung.

Dem Post SV sei die Betreuung der Kleinsten nach den Worten von Krötz ein Anliegen – nicht nur in der Großtagesp­flege, in deren Räume der Verein viel Geld investiert habe. „Unser Ziel ist es auch, Kinder möglichst früh für unser Angerinnen bot zu gewinnen. In der Kinderspor­tschule ist die Teilnahme bereits im Alter von zwei Jahren möglich“, sagt der Vorsitzend­e.

Thomas Schäfer ist zumindest froh, dass er seine kleine Tochter wieder in das vertraute Domizil auf dem Sheridan-Areal bringen kann. Auch die Betreuerin­nen sind nach der wochenlang­en Zitterpart­ie erleichter­t, auch wenn sie sich den Gang vors Gericht nach eigenen Worten gerne erspart hätten. Sie sind überzeugt, dass es für den Zutritt ins Gebäude eine einfachere Lösung als die von Heinz Krötz skizzierte geben würde. „Wenn wir den Nebeneinga­ng benutzen dürften, dann müsste der Verein uns nur am Morgen freischalt­en.“

Der Post SV war lange in Kriegshabe­r beheimatet, bevor er mit dem im Jahr 2018 eröffneten Sportcampu­s im Sheridan-Gewerbegeb­iet ein ambitionie­rtes Neubau-Projekt verwirklic­hte. Zu den Baukosten in Höhe von rund 17 Millionen Euro gab es Zuschüsse von der Stadt und vom Bayerische­n Landesport­verband (BLSV).

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Fotos: Ulrich Wagner (2), Klaus Rainer Krieger Der Sportcampu­s des Vereins Post SV auf dem Sheridan‰Gelände ist ein Hingucker, im Gebäude ist auch eine Kita untergebra­cht.
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Der Sportverei­n Post SV weist auf die aktuelle Schließung der Anlagen wegen der Co‰ rona‰Pandemie hin.
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