Augsburger Allgemeine (Land West)
Kinder dürfen erst nach Gerichtsbeschluss in Kita
Streit Der Post SV hat seinen Sportcampus wegen der Corona-Auflagen derzeit geschlossen. Das bekommt auch eine Kinderbetreuung zu spüren, die im Gebäude untergebracht ist. Die Sache wurde zum Fall für die Justiz
Augsburg Seit einem Jahr spielen und lernen zehn Mädchen und Jungen unter den Augen zweier Erzieherinnen in der Großtagespflege Smile & Move (Lächeln und Bewegung), die Räume im neu erbauten Sportcampus des Vereins Post SV Augsburg auf dem Sheridan-Gelände angemietet hat. Doch als die Gruppe Anfang November nach zweiwöchiger Corona-Quarantäne wieder in ihr Domizil in Pfersee zurückkehren wollte, ist ihr das Lächeln gründlich vergangen. Die beiden Erzieherinnen, die ihren Namen nicht veröffentlicht haben wollen, und ihre Schützlinge im Krippenund Kindergartenalter standen vor verschlossener Tür.
Das komplette Gebäude war zugesperrt, weil der Sportbetrieb wegen des staatlich verordneten Lockdown light den gesamten November pausieren muss. Ganz im Gegensatz zur Großtagespflege, die nach dem Wunsch der Staatsregierung und der Stadt wie alle Kindertagesstätten in Betrieb bleiben soll.
Alle Versuche der Betreuerinnen und Eltern, den Verein zum Öffnen ihrer Räume zu bewegen, scheiterten. Vorsitzender Heinz Krötz begründete seine Haltung mit der Tatsache, dass sich die Großtagespflege in einem Sportverein befinde und alle sportlichen Einrichtungen von der bayerischen Staatsregierung ausnahmslos geschlossen worden seien. Daher seien dem Verein in dieser Angelegenheit die Hände gebunden.
Auf Anfrage unserer Redaktion verwies Krötz außerdem auf die hochkomplexe Technik des Hauses mit rund 3000 Quadratmetern Fläche. Der Zutritt sei nur über Armbänder möglich, die individuell freigeschaltet würden. Man könne nicht einfach eine Türe aufsperren für die Kita, sondern müsste eigenes Personal dafür abstellen. Dies brächte einen großen Aufwand und Mehrkosten mit sich, zumal sich die Mitarbeiter aktuell in Kurzarbeit befänden. „Die Mitglieder könnten den Verein wegen der dadurch entstehenden finanziellen Schieflage sogar zur Rechenschaft ziehen“, so Krötz.
Auch Thomas Schäfers kleine
Tochter war von der plötzlichen Schließung ihrer Betreuungsstätte betroffen. „Am ersten Tag hat die Gruppe in ihrer Not einen Ausflug unternommen“, berichtet der Vater.
Nachdem seitens des Vereins keinerlei Entgegenkommen signalisiert worden sei, obwohl die Regierung von Schwaben mittlerweile eine Teilöffnung des Gebäudes genehmigt habe, hätten sich die Erziehe
mit der Bitte um Hilfe an die Stadt gewandt.
Dem Amt für Kindertagesbetreuung gelang es schließlich, ein Ersatzquartier in den Räumen des Kinderschutzbundes in der Innenstadt aufzutreiben. „Wir haben den Vorgang begleitet, schließlich können wir die Kinder nicht in der Luft hängen lassen“, betont Amtsleiterin Eva Maria Hermanns. Kindertagesstätten – darunter auch die stadtweit 16 Großtagespflegen – müssten in diesen Wochen ausdrücklich offen bleiben – sofern nicht Quarantänemaßnahmen eine teilweise oder komplette Schließung erforderlich machen.
Das Gastspiel der Pferseer Gruppe beim Kinderschutzbund ist seit dem vergangenen Freitag beendet. Ab diesem Montag darf sie wieder ihre Räume im Sportcampus des Post SV nutzen. Die Erzieherinnen sind in dieser Angelegenheit vors Landgericht gegangen – mit Erfolg. „Wir werden der einstweiligen Verfügung nachkommen und das Gebäude am 23. November zunächst im Notbetrieb für die Großtagespflege wieder öffnen“, bestätigt Vereinschef Krötz. Durch den richterlichen Beschluss sei die Vorstandschaft zumindest in finanzieller Hinsicht aus der Haftung.
Dem Post SV sei die Betreuung der Kleinsten nach den Worten von Krötz ein Anliegen – nicht nur in der Großtagespflege, in deren Räume der Verein viel Geld investiert habe. „Unser Ziel ist es auch, Kinder möglichst früh für unser Angerinnen bot zu gewinnen. In der Kindersportschule ist die Teilnahme bereits im Alter von zwei Jahren möglich“, sagt der Vorsitzende.
Thomas Schäfer ist zumindest froh, dass er seine kleine Tochter wieder in das vertraute Domizil auf dem Sheridan-Areal bringen kann. Auch die Betreuerinnen sind nach der wochenlangen Zitterpartie erleichtert, auch wenn sie sich den Gang vors Gericht nach eigenen Worten gerne erspart hätten. Sie sind überzeugt, dass es für den Zutritt ins Gebäude eine einfachere Lösung als die von Heinz Krötz skizzierte geben würde. „Wenn wir den Nebeneingang benutzen dürften, dann müsste der Verein uns nur am Morgen freischalten.“
Der Post SV war lange in Kriegshaber beheimatet, bevor er mit dem im Jahr 2018 eröffneten Sportcampus im Sheridan-Gewerbegebiet ein ambitioniertes Neubau-Projekt verwirklichte. Zu den Baukosten in Höhe von rund 17 Millionen Euro gab es Zuschüsse von der Stadt und vom Bayerischen Landesportverband (BLSV).