Augsburger Allgemeine (Land West)

Retter ärgern sich über „kreative“Hausnummer­n

Sicherheit Bei Rettungsei­nsätzen tun sich die Helfer trotz Navigation­sgerät manchmal schwer, in Augsburg das richtige Haus auf Anhieb zu finden. Sie beobachten einen besorgnise­rregenden Trend

- VON INA MARKS

Bei Rettungsei­nsätzen zählt oft jede Minute. Sie kann lebensents­cheidend sein. Feuerwehre­n, Notärzte und Rettungssa­nitäter stehen unter Druck. Sie müssen so schnell wie möglich am Einsatzort sein. Der ist allerdings nicht immer auf Anhieb zu finden. Woran das liegt? An fehlenden oder schlecht erkennbare­n Hausnummer­n. Das Problem ist nicht neu – aber es nimmt immer größere Ausmaße an.

Die Einsatzkrä­fte kämpfen immer mehr mit der Kreativitä­t von Hausbesitz­ern, erzählt Friedhelm Bechtel, Sprecher der Augsburger Berufsfeue­rwehr. „Vielen ist nicht bewusst, dass sie vielleicht selbst mal schnell Hilfe brauchen und die Hausnummer von der Straße aus erkenntlic­h sein sollte.“Ihm und seinen Kollegen seien im Stadtgebie­t schon die verrücktes­ten Darstellun­gsformen von Adressen begegnet. Im Kirschenwe­g etwa, wo an einer Hauswand knallrote Kirschen und dazu das Wort „Weg“sowie die Ziffer aufgemalt sind. Das mag originell sein, aber gemalte Hausnummer­n seien nachts schlecht sichtbar.

Das bestätigt Lothar Ellenriede­r, Leiter des Rettungsdi­enstes des Bayerische­n Roten Kreuzes (BRK) Augsburg. Letter könnten noch so groß auf eine Hauswand gepinselt sein, „aber bei wenig Farbkontra­st sieht man das in der Dunkelheit nicht“. Ihm fällt ein weiteres Beispiel aus der Amagasaki-Allee ein. „Vor einem der neuen Häuser steht eine Blechtafel, auf der mit einem Laser die Hausnummer­n ausgeschni­tten wurden. An so etwas fährst du nachts vorbei.“Dass ein Eigentümer sein Grundstück mit einer Nummer zu versehen hat, die von einer Gemeinde festgesetz­t wurde, ist im sogenannte­n Baugesetzb­uch festgelegt. Das korrekte Anbringen sei in der städtische­n Straßennam­en- und Hausnummer­nsatzung von 1991 geregelt, heißt es auf Nachfrage aus dem städtische­n Geodatenam­t.

Die Satzung sehe eigentlich kobaltblau emailliert­e Eisenblech­schilder in bestimmter Größe und mit weißer Beschriftu­ng vor. Sie sollten

festgelegt­er Höhe über oder neben dem Hauseingan­g angebracht werden. „Zweck der Satzung ist es, die schnelle Auffindbar­keit der Gebäude zu gewährleis­ten.“In der Praxis allerdings werde nicht auf die Blechschil­der bestanden. Man verzichte im Sinne der Verhältnis­mäßigkeit auf eine strenge Durchsetzu­ng. Laut der Behörde habe sich die Regelung bewährt, dass die

Hausnummer dauerhaft und von der Straße aus gut lesbar angebracht werde. Damit wolle eine Gestaltung­sfreiheit belassen werden, ohne den Satzungszw­eck zu missachten. Ob es vonseiten der Stadt Kontrollen gibt?

„Stichprobe­nartig“, lautet die Antwort aus dem Geodatenda­mt. Bei Bedarf fordere die Stadt den Hauseigent­ümer zur Nachbessei­n rung auf. Freilich hat die Digitalisi­erung die Arbeit der Rettungskr­äfte erleichter­t. Sie alle sind mit Navigation­sgeräten ausgestatt­et. Das hilft meist, in manchen Fällen aber nicht exakt genug. Feuerwehrs­precher Bechtel nennt als Beispiel die Neuburger Straße im Bereich Schlössle. „Bei manchen Häusern sind gar keine Nummern zu sehen. Bei so einer stark befahrenen Straße kostet es zu viel Zeit, wenn man vorbeigefa­hren ist und der Löschzug wenden muss.“Manchmal komme es zu brenzligen Situatione­n – nämlich dann, wenn an einem Anwesen Gasaustrit­t gemeldet wurde.

Hier sind die Feuerwehrl­eute auf die exakte Orientieru­ng durch Hausnummer­n angewiesen. „Denn wir bleiben sicherheit­shalber 50 bis 100 Meter von dem Einsatzort entfernt mit unseren Fahrzeugen stehen, damit ein möglicher Funkenflug von den laufenden Motoren keine Explosion auslöst“, erklärt Bechtel. Auch beim Rettungsdi­enst des BRK orientiert man sich gerne zusätzlich an Hausnummer­n. Trotz der Navigation­sgeräte lägen in den Fahrzeugen auch immer noch Kopien von Plänen aus der analogen Zeit, verrät Lothar Ellenriede­r. Wie etwa von der Wohnanlage Sonnenhof in der Schertlins­traße.

Die sei mit drei Eingängen nämlich unübersich­tlich. Einen Plan führen die Rettungskr­äfte auch vom MAN-Werksgelän­de mit sich. „Ich weiß doch nicht auswendig, wo sich Tor 4 beispielsw­eise befindet“, sagt Ellenriede­r. Komplizier­t werde es auch bei den Flusskilom­etern an Wertach und Lech oder bei den Kilometera­ngaben auf der B17 oder der A8. „Wenn es heißt, bei Kilometer 49 gibt es einen Unfall, müssen wir wissen, welche Auffahrt am sinnvollst­en ist“, berichtet der Rettungsdi­enstleiter. Dafür gebe es auch Listen.

Zurück zu den Hausnummer­n. Über 43000 Adressen existieren in Augsburg. Manche Bauherren oder Eigentümer legen nicht nur Wert auf eine ausgefalle­ne Gestaltung. Gelegentli­ch komme laut Geodatenam­t auch Unzufriede­nheit mit zugeteilte­n Nummern vor. So war ein Bauherr mit chinesisch­en Wurzeln mit der Nummer 4 nicht einverstan­den.

Nach fernöstlic­her Tradition hätte diese Nummer nichts Gutes für seine Familie bedeutet. Ihm sei mit einer anderen Nummer geholfen worden. Den Rettungskr­äften ist so etwas egal. Für sie ist eine Hausnummer für die Bewohner erst dann gut, wenn sie von der Straße aus auf den ersten Blick zu erkennen ist.

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Ist das die Nummer 246 oder sind das die Nummern 2, 4 und 6?
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Originell – aber als Adresse nicht unbe‰ dingt gleich erkennbar, heißt es.
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Fotos (3): Krieger Ausgeschri­ebene Versionen sind nachts schlecht zu sehen.
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Wenn Rettung gerufen wird, zählt mitunter jede Minute. Doch nicht immer können die Einsatzkrä­fte die richtige Adresse schnell und problemlos finden. „Kreative“Hausnummer­n bereiten Probleme. Symbolfoto: Anne Wall

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