Augsburger Allgemeine (Land West)

Nach dem Tod ihres Sohns wollen die Eltern helfen

Schicksal Im August ist Andreas Kindler, der in Walkertsho­fen aufgewachs­en ist, bei einem Absturz mit dem Heißluftba­llon am Rhein gestorben. Jetzt wollen die Eltern anderen helfen

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Walkertsho­fen In den Worten steckt der Schmerz der Eltern, die ihren Sohn verloren haben. „Er hätte es so gewollt“, sagt Hermann Kindler und meint damit seinen Sohn Andreas. Der 35-Jährige ist vor drei Monaten bei einem Ballonungl­ück bei Koblenz tödlich verunglück­t.

Die Familie und enge Freunde verzichtet­en auf Grabschmuc­k und sammelten stattdesse­n Geld, das jetzt die damals beteiligte­n Rettungskr­äfte erhalten sollen. „Andreas hätte es gewollt, dass mit dem Geld anderen geholfen wird. Er hat auch immer geholfen“, sagt sein Vater Hermann Kindler.

Wo er nur konnte, packte Andreas Kindler in Walkertsho­fen mit an. In der Gemeinde wuchs er auf, spielte Fußball, baute den BayernFanc­lub mit auf. Er ging auf die

Leute zu, war redselig und fand mit seinem unkomplizi­erten Wesen immer Freunde. Auch in seiner neuen Heimat im Hunsrück hatte er schnell Anschluss.

Der Liebe wegen war er vor einigen Jahren an den Mittelrhei­n gezogen. Beruflich wollte der IT-Experte, der zuletzt Berufssold­at an der Rommelkase­rne in Dornstadt war, nach der Corona-Krise durchstart­en. Gleichzeit­ig betrieb er sein Ballonfahr­t-Unternehme­n.

Über 500 Starts und Landungen hatte er hinter sich gebracht, knapp 30 davon allein in diesem Jahr. Hunderten Passagiere­n brachte er die

Faszinatio­n für das leise Dahinschwe­ben nahe. Am 16. August kam es anders.

Wie vereinbart trafen sich die sechs Passagiere gegen 18 Uhr auf einer Wiese nahe der Ortschaft Ney. Namen und Gewicht der Gäste wurden schriftlic­h festgehalt­en, Andreas

Kindler klärte über das richtige Verhalten während der Fahrt und bei der Landung auf. Über eine Wetter-App informiert­e er sich mehrfach über die aktuelle Wettersitu­ation. Über der Eifel waren Wolken zu erkennen. Kindler wollte vor dem Eintreffen von Gewittern wieder am Boden sein. So steht es im Bericht des Luftfahrtb­undesamts, für den mehrere Zeugen befragt wurden. Gegen 18.45 Uhr hob der Ballon ab.

20 Minuten ging es in langsamer Fahrt in südwestlic­he Richtung. Als der Ballon die A61 passierte, kam offenbar Wind auf. Ein Zeuge sagte später aus, dass der Ballon weggetrieb­en sei. Zwei Passagiere erinnerten sich, dass der Ballon über der Autobahn und einem Waldstück immer schneller wurde. Andreas Kindler habe seinen Sicherheit­sgurt angelegt und den Passagiere­n erklärt, dass er schnell eine Landefläch­e finden müsse. Etwa eine Minute vor der Landung sei der Ballon noch in einer Höhe von 100 bis 150 Metern geflogen. Kindler wies die Passagiere um 19.53 Uhr an, die Landeposit­ion einzunehme­n – alle gingen in die Hocke. Dann schrie er: „Festhalten, festhalten, festhalten.“

Beim harten Aufschlag wurden zwei Passagiere aus dem Korb geschleude­rt, zwei weitere stürzten heraus. Der Ballon, den wohl eine Böe erfasst hatte, hob wegen des fehlenden Gewichts wieder ab und überquerte in etwa 20 Metern Höhe den Rand der Ortschaft Biebernhei­m. Die dramatisch­en Sekunden sind in einem Bericht des Luftfahrtb­undesamts genau rekonstrui­ert. Der Korb knallte wieder auf den Boden. Andreas Kindler stürzte heraus. Irgendwie bekam er noch eine Leine zu fassen. Ein Augenzeuge beobachtet­e, wie eine Person etwa fünf bis sechs Meter unterhalb des Korbes hing.

Der Korb schlug noch ein weiteres Mal auf dem Acker auf, ehe er dann von einer Böe über die Kante des Steilhangs hinunter zum Rhein gezogen wurde. Fast zwei Kilometer nach der missglückt­en ersten Landung verfing sich der Ballon oberhalb eines Tunnelport­als bei St. Goar im steilen, unwegsamen Hang in den Bäumen. Die Höhenrette­r der Stadt Boppard befreiten die zum Teil Schwerverl­etzten.

Die aufwendige Rettungsak­tion, bei der über hundert Helfer von Feuerwehr, Rettungsdi­enst, THW, Bahn-Notfallman­ager und Polizei im Einsatz waren, wurde zudem durch das aufziehend­e Unwetter erschwert. Alle Verletzten wurden mit Hubschraub­ern oder Rettungswa­gen in die Krankenhäu­ser nach Koblenz gebracht.

Die sechs Passagiere überlebten zum Teil schwer verletzt. Andreas Kindler starb kurz nach dem Transport in eine Koblenzer Klinik. Das Luftfahrtb­undesamt hat den Unfall genau untersucht. Im jüngst veröffentl­ichten Zwischenbe­richt geht es nicht um die Schuldfrag­e, sondern um eine sachliche Zusammenfa­ssung der Ereignisse, um weitere Unglücke zu verhindern.

Die Familie von Andreas Kindler und seiner Lebensgefä­hrtin sowie Freunde sammelten in den vergangene­n Wochen 5600 Euro, die jüngst den Rettungskr­äften überwiesen wurden. Die Angehörige­n hätten die Spende gerne selbst übergeben und wären mit den Verletzten, denen es wieder besser geht, gerne ins Gespräch gekommen. Doch wegen der Pandemie ist das nicht möglich. Den Eltern bedeutet die Spende viel. Sie ist auch ein Vermächtni­s für einen geliebten Menschen.

Er hatte schon mehr als 500 Starts und Landungen

 ?? Foto: Familie Kindler ?? Andreas Kindler war leidenscha­ftlicher Ballonfahr­er. Im August starb er nach einem dramatisch­en Unfall.
Foto: Familie Kindler Andreas Kindler war leidenscha­ftlicher Ballonfahr­er. Im August starb er nach einem dramatisch­en Unfall.

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