Augsburger Allgemeine (Land West)
Rentner mit Haken
Boxen Mike Tyson, inzwischen 54, ist in den Ring zurückgekehrt
Kennen wir ja aus Parkanlagen und Wäldern, von Trimm-dich-Pfaden und Tartanbahnen: Männer, die sich selbst im besten Alter verorten, hinken und schwitzen. Sie nennen es Jogging. Laufen statt Meeting. Die, die sowieso schon ein Leben lang daran interessiert waren, sich selbst zu optimieren, nutzen seit neun Monaten frei gewordene Zeitslots, um an der Kondition zu arbeiten.
Mike Tyson war früher nicht daran interessiert, sich selbst zu optimieren. Sein einziges Interesse galt der schnellst- und brutalstmöglichen Demolierung seiner Gegner. Wenn es dazu gehörte, einem Gegner das Ohr abzubeißen, dann war das eben so. Nun ist aber auch Mike Tyson mittlerweile 54 Jahre alt. Einen Mike Tyson aber darf man sich freilich nicht als vergnügt durch die Wälder laufenden Fitnessjünger vorstellen. Der Mann braucht ein hehreres Ziel als die eigene Gesundheit. Die darf sowieso als ruiniert gelten.
Wohl dem, der im gesetzten Sportleralter noch nicht beglichene Rechnungen vorzuweisen hat. So kam es beispielsweise in den 90er Jahren nie zum Kampf der beiden besten Boxer der Welt. Knast, Millionenforderungen oder richterliches Boxverbot – es fanden sich immer Kleinigkeiten, die den Kampf zwischen Tyson und dem drei Jahre jüngeren Roy Jones junior verhinderten.
Bis, ja bis sich die beiden am Sonntag mit mittlerweile über 50 Jahren dann doch im Ring begegneten. Salomonisches Urteil nach acht Runden: unentschieden. Hätte ein Tyson früher so natürlich nie hingenommen. Auch er wird eben alt. Mehr Ergebnisse – dann auch mit Siegern – gibt es im
Los Angeles Am Ende des zum Langweiler mutierten Rentner-Boxens ließ Mike Tyson einen Satz heraus, der ihm zu seiner Glanzzeit nie über die Lippen gegangen wäre. „Ich bin froh, dass ich nicht k.o. gegangen bin“, sagte die 54 Jahre alte Box-Ikone: „Ich werde im nächsten Kampf besser sein.“Und damit machte Tyson nach dem Unentschieden im Showkampf gegen den drei Jahre jüngeren Roy Jones junior klar: Sein Comeback nach 15 Jahren war gewiss keine einmalige Sache. Natürlich spielt Geld eine Rolle. Für 50 Millionen Dollar waren die Rechte an dem Kampf verkauft worden, ein Teil der Summe fließt in wohltätige Zwecke. Doch vielmehr schienen das Duell und die Vorbereitung darauf vor allem Tyson zu vitalisieren. Sein Leben hatte, so hört man heraus, wieder einen größeren Sinn. „Das war viel besser, als um Weltmeisterschaften zu kämpfen“, befand „Iron Mike“nach den acht zweiminütigen Runden. „Wir können etwas Gutes für die Welt tun. Wir müssen das noch mal machen.“Auch körperlich fühle er sich großartig.
„Dieses Event hat mir gezeigt, aus was ich gemacht bin. Ich will noch mehr aus meinem Körper herausholen.“Und was das boxerische Element der Show-Veranstaltung im fast menschenleeren Staples Center in Los Angeles anging, da sorgte der Rapper Snoop Dogg mit einer treffenden Analyse bereits in der ersten Runde für weltweites Gelächter. „Das ist wie bei zwei meiner Onkels, wenn sie sich am Barbecue prügeln. Hey Großmutter! Sie kloppen sich schon wieder“, kommentierte der Superstar. Zumindest in den sozialen Medien wurde der
Rapper nach dem Unentschieden im Ring als Sieger gefeiert. Natürlich hatte niemand von zwei zusammen 105 Jahre alten Ex-Profis die große Boxkunst erwartet. Die Runden waren kürzer, die Handschuhe größer, und beide Kämpfer wollten wieder gesund aus dem Ring. Ab und an blitzte sogar altes Können auf. Tyson setzte seinen linken Haken an, Jones seine berühmten
Kombinationen. Doch die meiste Zeit verbrachten die beiden BoxLegenden damit, sich im Ring innig zu umklammern. Das Unentschieden, das von drei Richtern des Verbandes WBC aus der Ferne gewertet worden war, lässt nun allen Beteiligten alle Optionen offen. Für Tyson, das scheint sicher, wird es weitergehen. Im Raum steht sogar ein Abstecher nach Monaco, um sich einem europäischen Gegner zu stellen. Bei Jones klang es indes nach einer einmaligen Sache. „Ich habe das jetzt hinter mir und kann mit meinem Leben fortfahren“, sagte der ExWeltmeister nach dem Duell, das eigentlich schon Anfang der 2000er Jahre zustande kommen sollte. „Mike ist immer noch ein herausragender Puncher. Er kann nun machen, was immer er möchte.“