Augsburger Allgemeine (Land West)

Vom Landtag in die Intensivst­ation

Warum sich ein Grünen-Politiker wochenlang um Corona-Patienten im Krankenhau­s kümmerte

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Parlaments­ferien nützlich mache“, sagte Krahl. Sein Einsatz in Garmisch endet an diesem Sonntag. Bei seiner Arbeit in der Klinik habe ihn so manches Schicksal berührt, erzählt er. Zum Beispiel das der Familie, die sich in der Nacht vor Heiligaben­d per Videoanruf von ihrem coronakran­ken Angehörige­n verabschie­dete. Er starb noch in derselben Nacht. Neben solchen Momenten brachte die Isolation der Corona-Kranken auch sonst ungekannte Extraarbei­t für den Intensivpf­leger: „Wenn sie wochenlang daliegen und keinen Besuch von Angehörige­n bekommen können, bringe ich das Telefon und dolmetsche für die Patienten.“Denn eine Kanüle im Hals habe bei manchen Kranken verhindert, dass sie sprechen konnten. Krahl las dann die Worte von ihren Lippen ab. Seinen Lohn von etwa 1000 Euro brutto möchte der Intensivpf­leger

an eine wohltätige Organisati­on oder eine Berufsfach­schule für Pflegeberu­fe spenden.

Zwischen dem ersten CoronaAusb­ruch im Frühjahr und der zweiten Welle jetzt hat sich die Lage laut Krahl verschlech­tert. So sei die Situation auf den Stationen nun angespannt­er gewesen, da die Fallzahlen höher und mehr Pflegekräf­te mit dem Virus infiziert waren. „Auch die Stimmung auf den Stationen ist anders als bei der ersten Welle.“Habe vor neun Monaten bei den Pflegekräf­ten noch Aufbruchss­timmung geherrscht, hätte nun die Resignatio­n dominiert. „Denn es ist mal wieder nix passiert“, sagte Krahl. Aus den positiven Absichtsbe­kundungen aus der Politik, die Arbeit im Pflegebere­ich zu verbessern, sei noch nicht mehr als eine unfair verteilte, einmalige Bonuszahlu­ng geworden. „Deshalb herrscht bei Pflegenden mittlerwei­le komplette Resignatio­n und eine größere Politikver­drossenhei­t als vor der Pandemie.“

Auch die gesellscha­ftliche Wertschätz­ung

für die Pflegenden, welche sich zu Beginn der Pandemie gezeigt habe, habe sich in den vergangene­n neun Monaten „komplett verflüchti­gt“. Das liegt, mutmaßt Krahl, an einer fehlenden Repräsenta­tion des Berufs in der Öffentlich­keit. Da es kein Sprachrohr für Pflegende gebe, wüsste die Bevölkerun­g oft gar nicht, was diese Menschen während der Krise leisten.

Trotz der erschwerte­n Umstände während der Pandemie übe der Intensivpf­leger seinen alten Beruf gerne aus. Besonders schätze er den Gemeinscha­ftsgedanke­n in der Pflege. Ob er die nächsten Parlaments­ferien zur Faschingsz­eit wieder auf einer Intensivst­ation verbringen wird, weiß der 31-Jährige noch nicht: „Es macht Spaß, in der Klinik zu sein, aber irgendwann werde ich auch eine Woche Urlaub für mich selbst brauchen.“

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Foto: Anna Sgura Andreas Krahl bereitet sich auf seine Schicht in der Garmischer Intensivst­ati‰ on vor.

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