Augsburger Allgemeine (Land West)
36Jähriger Dieb stahl sogar Urnen vom Friedhof
Prozess Das Augsburger Amtsgericht verurteilt einen alkohol- und drogenabhängigen Mann wegen teils ungewöhnlicher Straftaten. Dabei war der Mann gerade erst aus der Haft entlassen worden. Den Glauben an ein normales Leben hat er nicht aufgegeben
Drei Jahre und drei Monate muss ein 36-jähriger Mann ins Gefängnis, der innerhalb weniger Monate zahlreiche Einbrüche und Einbruchsversuche in Augsburg begangen hat. Die ungewöhnlichste Beute des alkoholund drogenabhängigen gelernten Kochs waren zwei Urnen mit menschlicher Asche.
Die erschütterten Familienmitglieder wussten Bescheid: Bei der Trauerfeier auf dem Protestantischen Friedhof konnte die Urne mit der Asche ihres verstorbenen Angehörigen nicht beigesetzt werden. Sie war verschwunden, offenbar bei einem Einbruch mitgenommen worden. Eine ungewöhnliche und belastende Situation selbst für den Sachbearbeiter von der Augsburger Kriminalpolizei, der mit den Trauernden in Verbindung gestanden hatte, wie er im Zeugenstand berichtete.
Erst später, nach der Arbeit der Spurensicherung, habe die wiedergefundene Urne beigesetzt werden können. Etwas besser sei es für die Angehörigen einer zweiten gestohlenen Urne gelaufen, die bereits kurz nach dem Einbruch im Protestantischen Friedhof entdeckt worden war. Natürlich seien die Urnen nicht das Ziel seines Einbruchs gewesen, erklärte der Täter dem Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Andreas Kraus. Wie bei seinen anderen Taten auch sei es ihm darum gegangen, Geld für Alkohol und Drogen zu beschaffen.
Eigentlich, so der Angeklagte, sei er nach seiner vorangegangenen Haftentlassung wegen eines Diebstahls aus einem Augsburger Lokal guter Dinge gewesen. Dann aber habe er feststellen müssen, dass sein Vermieter während seines Gefängnisaufenthalts die Wohnung ge
hatte und nichts von seinen Habseligkeiten mehr da gewesen sei. Es folgte der Weg in die Obdachlosigkeit und die Flucht aus der Realität – mit dem erneuten Griff zur täglichen Schnapsflasche und Drogen. Mangels Arbeit musste ein anderer Weg zu Geld gefunden werden, jener über Einbrüche. Nicht weniger als 14 Taten hielt Staatsanwältin Johanna Thumser dem Angeklagten in der Zeit zwischen Dezember 2019 und Juni 2020 vor.
Erste angeklagte Tat war der nächtliche Einbruch in mehrere Gebäude des Protestantischen Friedhofs am 15. Dezember 2019, wo dem Angeklagten neben den beiden Urnen eine Beute von rund 100
Euro gelang, dazu deutlich höherer Sachschaden. Nicht anders beim Einbruch in eine Praxis in der Bürgermeister-Fischer Straße. Der 110-Kilo-Tresor hielt Aufbruchsversuchen stand, gestohlen wurden ein Paar Turnschuhe der Größe 39 und 20 Euro Bargeld – das bei einem Sachschaden von annähernd 3000 Euro. Ein zweites Mal versuchte der Angeklagte sein Glück auf einem Friedhof, aber trotz Diebesguts im Wert von rund 1500 Euro in der Hermanstraße war der Sachschaden erneut der größere Kostenfaktor. Von einem Bürogebäude in der Maximilianstraße aus, wo es nichts zu holen gab, stieg der Angeklagte über ein benachbartes Fenster direkt in eine Wohnung ein, wo er einen Tablet-Computer und einen Geldbeutel erlangte.
Quasi kein Halten gab es am 3. Juni des vergangenen Jahres. Da brach der Angeklagte zunächst in ein Mehrfamilienhaus sowie die Räume der Pfarrei St. Moritz am Moritzplatz ein. Beute wurden dort unter anderem Akkuschrauber und ein Radiogerät. Sachschaden im vierstelligen Bereich entstand, als der 36-Jährige vergeblich versuchte, in den Verkaufsraum eines Geschäfts in der Welserpassage einzudringen. Ebenso erfolglos blieben an diesem Tag Einbruchsversuche in eine Bar in derselben Passage sowie in die Räume des städtischen Georäumt
Symbolfoto: Wyszengrad datenamtes. Zurück blieben aber mehr oder weniger hohe Schäden an den Türen. Immerhin eine Gitarre und diverses Küchengerät fielen dem Angeklagten beim Einbruch in eine Anlaufstelle für Ex-Häftlinge im Domviertel in die Hände, dem möglicherweise letzten Delikt des Angeklagten vor seiner erneuten Festnahme.
Seit Sommer 2020 sitzt er in Untersuchungshaft. Während der Diebstahlschaden durch den Angeklagten insgesamt kaum 5000 Euro erreichte, belief sich der Sachschaden auf annähernd 11.000 Euro. Aufgrund von DNA-Spuren an den Einbruchsorten, unter anderem von einem verlorenen Armband und vom Blut des 36-Jährigen, war die Polizei dem Angeklagten bereits auf der Spur, ohne ihn als Obdachlosen gleich finden zu können. Auch ein immer wiederkehrendes Bild von Schuhsohlenabdrücken lenkte den Verdacht auf den Angeklagten, dessen Abdrücke aus vorangegangenen Taten aktenkundig gewesen seien.
Gutachter Prof. Albrecht Stein berichtete dem Gericht, dass er die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Mannes in eine Entziehungsanstalt für angebracht sehe. Zwar zeige dessen Leber trotz des teils enormen Alkoholkonsums von einer Flasche Schnaps und bis zu zehn Flaschen Bier täglich noch kaum Schäden, aber sein schadhafter Kiefer und die Zähne bezeugten bereits den Drogenmissbrauch.
Staatsanwältin Thumser errechnete eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten, die sie für die Fälle des Diebstahls, versuchten Diebstahls, der Sachbeschädigung und der Störung der Totenruhe forderte. Verteidiger Werner Ruisinger plädierte für eine Strafe von drei Jahren Gefängnis. Das Schöffengericht verhängte schließlich eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten und anerkannte das umfassende Geständnis des Angeklagten. Zudem ordnete es die Unterbringung des Mannes in einer Entziehungsanstalt an, wo er auf ein Leben ohne Alkohol und Drogen vorbereitet werden soll.
Das, so beteuerte es der Angeklagte, sei ihm wichtig, sonst gebe es für ihn keinen Weg zu seinem zehnjährigen Sohn und dessen Mutter. Und dann übergab der Angeklagte seiner Verlobten, die die Verhandlung verfolgte, eine Papierblume, gefaltet aus Servietten des Gefängnisses, in das er zurück musste. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.