Augsburger Allgemeine (Land West)

Am Distanzunt­erricht führt kein Weg vorbei

Für die Corona-Maßnahmen an Schulen gibt es aus den Bildungsei­nrichtunge­n viel Zustimmung, aber auch Kritik. Eigentlich würde ein bildungsge­rechter Schulallta­g ganz anders aussehen

- VON MIRIAM ZISSLER

Fziss@augsburger‰allgemeine.de

ür Schüler und Lehrer startet nach den Ferien am Montag wieder der Schulbetri­eb. Aufgrund der hohen Infektions­zahlen wird es in den kommenden drei Wochen aber nur Distanzunt­erricht für die Mitglieder der einzelnen Schulfamil­ien geben. Über den Sinn dieser Maßnahme herrscht Einigkeit. „Es ist die richtige Entscheidu­ng“, sagt etwa Peter Kosak, Direktor des Schulwerks der Diözese Augsburg. Jürgen Denzel, Schulleite­r am Maria-Theresia-Gymnasium, sagt ebenfalls, die Maßnahme sei „alternativ­los“. Eine Ansicht, die sie mit vielen Eltern teilen.

Distanzunt­erricht bedeutet für viele Familien, dass sie die Kinder nun wieder zuhause betreuen müssen. Anstrengen­d, doch für Eva Allar – sie hat einen Sohn in der dritten Klasse Grundschul­e und eine Tochter in der fünften Klasse Gymnasium – ist diese Maßnahme „notwendig“. Martina Keller, Ortsvorsit­zende Augsburg-Stadt der Katholisch­en Erzieherge­meinschaft (KEG), einem Berufsverb­and für Lehrkräfte und Pädagogen, sieht das eigentlich genauso. Doch genauer betrachtet gibt es dann doch kleine und große „Aber“, die zeigen, wie anstrengen­d das Hin und Her des vergangene­n Jahres für alle Beteiligte­n war.

Dass die Faschingsf­erien in diesem Jahr ausfallen, ist für Peter Kosak nachvollzi­ehbar. „Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen“, sagt er. So könnten die Schulen in der Woche vom 15. bis 19. Februar laut Kultusmini­sterium der Bildungsch­ancen der Schüler gerecht werden und vorangegan­gene Beeinträch­tigungen und Ausfälle ein Stück weit kompensier­en. „Es ist wohl kaum vermittelb­ar, dass wir im Februar wieder mit dem Wechselode­r Präsenzunt­erricht anfangen und dann gleich wieder in die Ferien gehen“, erklärt Kosak seine Sicht. Für Begeisteru­ngsstürme sorgt der Wegfall der Ferien aber nicht überall. „Der Kultusmini­ster vermittelt damit den Eindruck, dass der Digitalunt­erricht kein vollwertig­er Unterricht wäre“, kritisiert ein Realschull­ehrer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Das werte den Online-Unterricht ab – dabei hätten gerade Lehrer und Schüler damit sehr viel Arbeit, die das Programm MS Teams verwendete­n. Der Wegfall der Ferien fühle sich wie eine „Bestrafung“an. Eine Erholung sei sowohl für Schüler als auch für Lehrer durchaus angebracht, findet er.

Die Frage der Software ist in Bayern umstritten. Wegen der Online-Plattform Mebis, die immer wieder zusammenbr­icht und nicht genutzt werden kann, steht das Kultusmini­sterium in der Kritik. Die nur schleppend fortschrei­tende Digitalisi­erung hat seit dem ersten Lockdown vergangene­n März immer wieder für Unmut gesorgt – auch in Augsburg. Aufgrund von fehlenden Endgeräten konnten im vergangene­n Jahr viele Schüler nur eingeschrä­nkt am Unterricht teilnehmen. Aus dem staatliche­n Förderprog­ramm „Sonderbudg­et Leihgeräte“konnte die Stadt 2300 Geräte ordern, die vor den Herbstferi­en an die Augsburger Schulen verteilt wurden. „Anfang Januar werden nun weitere 1250 Geräte an die Schulen verteilt“, informiert Bildungsre­ferentin Martina Wild (Grüne) auf Anfrage. Für viele Schulen kam diese Lieferung aber zu spät. Sie behalfen sich zunächst durch Spenden der Eltern oder von Schulpartn­ern aus der Wirtschaft.

Das Maria-Theresia-Gymnasium sei mit Notebooks gut ausgestatt­et und mit der Wahl für MS Teams hätte die Schule auf das richtige Pferd gesetzt, sagt Schulleite­r Denzel. Er betont: „Gut gemachter Distanzunt­erricht ist für Lehrer und Schüler sehr anstrengen­d.“Er hätte sich gewünscht, dass seine Lehrkräfte und die Schüler in den Faschingsf­erien einmal für ein paar Tage durchschna­ufen könnten. Weniger Leistungsn­achweise, spätere

Zwischenze­ugnisse und die Verschiebu­ng der Abschlussp­rüfungen würden den Schulen zwar etwas Luft verschaffe­n. Dennoch warten die einzelnen Vertreter gespannt darauf, wie sich die Infektions­zahlen entwickeln und wann wieder mit dem Präsenzunt­erricht begonnen werden kann.

Für Peter Kosak ist der Präsenzunt­erricht nun einmal der „Königsweg“. Eva Allar, die im Elternbeir­at ist, würde ihre Kinder auch lieber früher als später wieder im Präsenzunt­erricht sehen. Sowohl für ihr Kind in der dritten als auch die Tochter in der fünften Klasse sei der „Distanzunt­erricht schwierig“. Und auch für Martina Keller und ihre Kollegen sei der Distanzunt­erricht eine „bittere Pille“. Gerade an Grund- und Mittelschu­len habe man nicht nur einen Bildungsso­ndern auch einen Erziehungs­auftrag. Die persönlich­e Beziehung sei da sehr wichtig. Digitales und selbststän­diges Arbeiten könne von Grundschül­ern einfach nicht erwartet werden. „Im Distanzunt­erricht kommt eine große Belastung auf die Eltern zu“, sagt Keller.

Natürlich hielten Lehrer über E-Mail, Telefon und auch MS Teams Kontakt. Das reiche aber oft nicht aus. Wichtige Brückenang­ebote, wie etwa das Eingreifen bei Lernschwie­rigkeiten, wären außerdem nur im Präsenzunt­erricht leistbar. Martina Keller würde sich wünschen, dass nach den drei Wochen Distanzunt­erricht wieder der normale Unterricht an den Schulen beginnen kann. „Das kann absolut sinnvoll gestaltet werden, etwa durch Wechselunt­erricht mit kleinen, festen Lerngruppe­n ohne Durchmisch­ung“, findet sie.

So engagiert Lehrer und Schüler und so tatkräftig auch Eltern in diesem Schuljahr bei der Sache sind – letztlich sind sie abhängig vom Infektions­geschehen. Planbar ist auch in diesem Schuljahr wenig – aber gerade das ist die Voraussetz­ung für einen bildungsge­rechten Schulallta­g.

Gut gemachter Distanzunt­erricht ist sehr anstrengen­d

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Symbolfoto: Ulrich Perrey, dpa Am Montag beginnt wieder der Unterricht. Für Lehrer und Schüler bedeutet es Distanzunt­erricht – nicht alle sind glücklich darüber.
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