Augsburger Allgemeine (Land West)
Stadtbergerin hält dem Bischof den Rücken frei
Anna Schenck verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Stadtbergen und kommt noch immer gerne her für Familienbesuche. Die Ordensfrau der Congregatio Jesu ist die Amtsleiterin des Augsburger Bischofs Bertram Meier
Stadtbergen In Stadtbergen war die Freude groß, als der neue Augsburger Bischof Bertram Meier bei der Bischofsweihe im Hohen Dom zu Augsburg seinem engsten Mitarbeiterstab eine Personalie bekannt gab. Mit Sr. Anna Schenck, die in Stadtbergen ihre Kindheit und Jugend verbrachte, wurde erstmals eine Frau zur Amtsleiterin des Bischofs ernannt. Nach ihrer Ewigprofess, den Gelübden auf Lebenszeit, ist sie im Juli nach Augsburg zurückgekehrt.
„Ich freue mich, dass mir Bischof Bertram diese verantwortungsvolle Aufgabe übertragen und meine Ordensleitung mich hierher gesandt hat“, sagt Sr. Anna. Sie ist glücklich, wieder in unmittelbarer Nähe ihrer Eltern Peter und Marlene leben und arbeiten zu können. Anna Schenck, geboren im November 1976 in Augsburg, war gerade ein Jahr alt, als die kleine Familie ins Stadtberger Eigenheim in der Robert-KochStraße zog. Zusammen mit ihren beiden Schwestern Nicola und Monika, die eine älter, die andere jünger, ist sie in Stadtbergen aufgewachsen. Die heute 44-Jährige ging dort zur Grundschule und wechselte später auf das Gymnasium bei St. Anna in Augsburg, das sie, unterbrochen von einem Schuljahr in Frankreich, dann auch bis zum Abitur besucht hat.
Sie stammt aus einem konfessionsverbindenden Elternhaus, die Mutter ist katholisch, der Vater, ein Architekt, evangelisch. „Meine Eltern sind beide tief im christlichen Glauben verwurzelt und leben ihn auch ganz praktisch, vor allem durch ihren Einsatz für die Schwachen und Am-Rande-Stehenden.“So sei sie beispielsweise mit türkischen Kindern aufgewachsen, denen ihre Mutter als Volks- und Realschullehrerin beim Deutschlernen und bei den Hausaufgaben half. „Geprägt hat mich sicherlich auch der scharfe Verstand und das offene Herz meiner beiden Eltern, die tiefe Spiritualität und der Blick auf die, denen es nicht so gut geht wie uns“, erklärt Sr. Anna.
Kirchlich ist Sr. Anna in der katholischen Pfarrei Maria, Hilfe der Christen groß geworden. Nach der Erstkommunion engagierte sie sich in der Jugendgruppe. „Ich war bereits 14 Jahre alt, als endlich auch Mädchen als Messdienerinnen zugelassen wurden.“Sie habe sich dafür gemeldet und sei heute noch froh, dass sie so früh gelernt habe, sich auch im Altarraum zu bewegen. Später fand man sie an Hochfesten dann eher auf der Empore, im Kirchenchor. „Für mich gehörte als Kind und Jugendliche der Glaube ganz selbstverständlich dazu, wirklich bewusst habe ich mich für meinen Glauben, auch die katholische Kirche, nach meinem Schuljahr in Frankreich entschieden.“Die Frage, ob sie zum Ordensleben berufen sein könnte, stellte sich allerdings erst sehr viel später ein.
Nach dem Abitur folgten bewegte Jahre: das Studium der Religionswissenschaft mit den Nebenfächern Islam- und Politikwissenschaft in Bonn, Tübingen und Lancaster, England. Während ihres Studiums war sie auch in Ägypten, Jordanien und Israel/Palästina. Danach bekam sie die Chance, Anfang 2001, als Unternehmensberaterin bei McKinsey ihre berufliche Laufbahn zu starten. Sr. Anna: „Schon bald war aber für mich klar, dass es das auf Dauer nicht für mich ist, und so nahm ich das Angebot an, als erste Mitarbeiterin nach dem Geschäftsführer den Weltjugendtag 2005 in Köln mit organisieren zu können.“Auf diese Phase folgte eine Auszeit im Karmel Regina Martyrum in Berlin, auch mit der Frage, ob sie zum Leben als Karmelitin berufen sei.
Im Sommer 2006 ging sie nach Osnabrück, trat nach einer kürzeren Zeit im Generalvikariat eine Stelle in einem christlichen Krankenhausverbund an. Hauptaufgabe war es, die Magdalenen-Klinik, eine kleine psychiatrische und psychotherapeutische Klinik, aufzubauen und als Verwaltungsleiterin und Prokuristin in die schwarzen Zahlen zu führen.
Nachdem sie die Frage nach ihrer Berufung erneut umtrieb, wagte Anna Schenck 2010 den Sprung in die Congregatio Jesu (CJ) – mit der Aufnahme ins Postulat im Dezember 2010 und ins Noviziat 2011. „Zentral war für mich damals die ignatianische Spiritualität, die
Spiritualität, die vom heiligen Ignatius von Loyola inspiriert ist, seine Form der Exerzitien, der Schriftbetrachtung und des Tagesrückblicks.“Ordensgründerin Mary Ward, die bereits im 17. Jahrhundert einen Frauenorden nach dem Vorbild der Jesuiten gründen wollte, hat Anna Schenck im Lauf ihrer Ordensausbildung schätzen gelernt. „Heute ist sie, die in ihrem Leben die Spannung zwischen ihrer Berufung und den Grenzen, die ihr die Kirche setzte, aushielt, mir ein großes Vorbild“, erklärt die Ordensfrau.
Im Juli 2013 legte sie ihre zeitliche Profess, die ersten Gelübde ab. Danach sandte sie die CJ nach Hannover, wo sie sechs Jahre als Sprecherin für Pflege und Altenhilfe der Caritas in Niedersachsen die Rahmenbedingungen im pflegerischen Bereich mitgestalten durfte. Im Sommer 2019 begann ihr sogenanntes Tertiat, das Jahr der Vorbereitung auf die Gelübde auf Lebenszeit. In diesem Jahr war Sr.
Anna 5 ½ Monate mit dem Jesuitenflüchtlingsdienst im Libanon. Wegen der coronabedingten Einschränkungen arbeitete sie kurze Zeit in der Bahnhofsmission Frankfurt am Main, primär für Wohnungslose.
„Im Januar 2020 hatte ich keine Ahnung, wohin mein Weg mich nach der Ewigprofess führt, wo ich leben und arbeiten sollte“, lacht Sr. Anna, die fließend Englisch und Französisch sowie etwas Italienisch und Arabisch spricht. Der Orden hätte sie auch nach Indien oder Afrika schicken können – Sr. Anna hatte Mitsprache-, aber kein Entscheidungsrecht -, doch die Ordensleitung entschied sich für das Angebot des ernannten Bischofs von Augsburg.
Nun lebt sie zusammen mit 23 Mitschwestern an der Frauentorstraße mit einem kurzen Fußweg ins Bischofshaus. „Mein Leben ist stark durch meine vielfältige, spannende, auch immer wieder herausfordernde Tätigkeit für Bischof Bertram geprägt, dazu vom geistlichen und gemeinschaftlichen Leben. Den Samstagnachmittag verbringe ich, so oft es geht, bei meinen Eltern in Stadtbergen.“
Wenn dann noch Zeit bleibt, brauche sie Bewegung – auf dem Crosstrainer und bei einem Spaziergang. „Ich entspanne mich bei Musik, beim Hören oder beim eigenen Singen“, sagt Sr. Anna, die keine Ordenstracht trägt und eine Schwäche für Schokolade hat.