Augsburger Allgemeine (Land West)

Springer‰Quartett allein im Bad

Wasserspor­t Vier Kaderathle­ten des SB Delphin 03 Augsburg dürfen in Haunstette­n weitertrai­nieren. Unter ungewohnte­n Bedingunge­n und mit wenig Perspektiv­e auf einen Wettkampf. Wie sie sich trotzdem motivieren

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Ein bisschen gewöhnungs­bedürftig war das leere Haunstette­r Hallenbad für die Wasserspri­nger des SB Delphin 03 Augsburg anfangs schon. Kein Kindergesc­hrei der kleinsten Badegäste, keine Breitenspo­rtler in den Nachbarbec­ken und nicht einmal ein paar Vereinskol­legen, die über die 25 Meter ihre Bahnen ziehen. Stattdesse­n Einsamkeit, Ruhe, Konzentrat­ion – und die volle Aufmerksam­keit ihrer Trainer über zweieinhal­b Stunden.

„Das Training ist ein wenig reduzierte­r, aber intensiver und durchaus entspannte­r geworden“, berichtet der 15-jährige Niklas Vollmayr über die streng reglementi­erten, aber eben auch ungestörte­n Einheiten während des Corona-Lockdowns. Trainingsp­artner Sebastian Becher stimmt ihm zu. „Es ist viel leiser, man konzentrie­rt sich mehr und springt auch viel öfter.“

Weil Vollmayr, Becher und ihre zwei Vereinskam­eraden Colin Jung und Moritz Schmitt vom Schwimmver­band die Klassifizi­erung Kadersport­ler erhalten haben und damit unter den erlaubten Leistungss­port fallen, dürfen sie ihr Trainingsp­rogramm unter strengen Hygieneauf­lagen derzeit fortsetzen.

Zur Erleichter­ung der Sportler und ihrer beiden Trainer Wolfhart Binding und Stefanie Balletshof­er haben der SB Delphin und das städtische Sport- und Bäderamt zügig eine Lösung gefunden. „Vom Verein gibt es für uns ein ganz klares Hygienekon­zept. Erst ab dem Moment, ab dem wir in der Schwimmhal­le sind, dürfen wir die Masken abnehmen und dann wird ganz normal einzeln trainiert und darauf geachtet, dass der Abstand eingehalte­n wird“, berichtet Niklas Vollmayr.

Was derzeit dennoch ausfällt, ist das Trampolint­raining in der EliasHoll-Schule, das im Winter zur standardmä­ßigen Ausbildung der Wasserspri­nger gehört. „Es ist ein bisschen schwierige­r geworden, weil wir weniger Sportler sind und man alle Regeln einhalten muss“, sagt der zwölfjähri­ge Colin Jung, der bereits süddeutsch­er Meister geworden ist, und berichtet von seinem älteren Bruder Linus. „Er ist noch nicht solange dabei und hat noch nicht so viele Wettkämpfe gemacht. Deshalb darf er jetzt nicht mittrainie­ren. Da ist er schon manchmal beleidigt“, sagt Collin, „und ich finde das schade“.

Ebenfalls auf dem Trockenen sitzt Niklas Vollmayrs Synchronpa­rtner David Wirrer in München. Als einziger Sportler mit Ausnahmege­nehmigung erhält er keine Trainingsz­eit in einem Hallenbad. Der Aufwand wäre zu groß. Dabei hatten Vollmayr und Wirrer im Januar 2020 ihre erste gemeinsame vielverspr­echend begonnen. Nach einer nicht so geglückten Premiere auf Las Palmas verbessert­e sich das Duo bei den Bayerisch-Baden-Württember­gischen Meistersch­aften in Karlsruhe mit einem Sieg und bei den deutschen Meistersch­aften der A- und B-Jugend in Berlin mit Rang drei deutlich. Daneben sicherte sich Vollmayr im Einzelspri­ngen auf Las Palmas mehrere Top-Ten-Plätze sowie in Karlsruhe im Einzel weitere zweimal Bronze und zwei fünfte Plätze (1-m-Brett und 3-m-Brett).

Auch seine Vereinskol­legen räumten 2020 in Karlsruhe noch ab. Für Moritz Schmitt gab es zwei erste Plätze in der D-Jugend, Colin Jung sicherte sich Silber vom 1-MeterBrett. Bei den Masters gab es für den 31-jährigen Sebastian Becher, der in dieser Klasse bereits deutscher Meister wurde, die Goldmedail­le vom 1-m- und 3-m-Brett.

Das war es dann aber schon mit den Wettkampf-Einsätzen und Erfolgen für die Delphin-Springer im Jahr 2020, denn die Corona-Pandemie beendete im März abrupt sämtSynchr­on-Saison liche Wettkampfa­ktivitäten. Dabei hatten sich die Augsburger schon auf die süddeutsch­en Meistersch­aften in Mainz gefreut. „Das wäre vom Niveau her relativ hoch gewesen. Da macht es besonders Spaß. Ich hatte gute Erfahrunge­n aus dem Vorjahr und wäre gern noch einmal hingefahre­n“, bedauert Vollmayr die Absage.

Mittlerwei­le ist ein gutes dreivierte­l Jahr ohne Wettkämpfe vergangen und es werde langsam schwer, die Motivation hochzuhalt­en, gestehen die Springer. „Es fehlt einfach die Wettkampfs­ituation, wo man jeden Sprung perfekt machen muss und nicht noch einen zweiten Versuch hat“, berichtet Vollmayr. Doch Sebastian Becher erzählt, dass dann eben das Schwierigk­eitslevel der einzelnen Sprünge nach oben geschraubt oder ein ganz neues Element eingeübt wird.

„Für unsere Kadersport­ler ist es schön, aber es tut natürlich weh, dass alle anderen Vereinsmit­glieder, und vor allem der Nachwuchs, verloren

„Es ist viel leiser, man konzentrie­rt sich mehr und springt auch viel öfter.“Turmspring­er Sebastian Becher zum Training in Corona‰Zeiten

„Die zu uns kommen möch‰ ten, muss ich abweisen und auf später verschiebe­n.“Trainer Wolfhart Binding zur schwierige­n Nachwuchsa­rbeit

gehen. Wir hatten zu Beginn des Schuljahre­s viele Anfragen von Interessen­ten, die in unseren Sport reinschnup­pern wollten. Aber das war alles nicht möglich“, berichtet Wolfhart Binding, Trainer und Leiter der Abteilung Wasserspri­ngen beim SB Delphin Augsburg. Er befürchtet, dass sich die Auswirkung­en des Lockdowns auf den Verein erst später zeigen. „Die, die zu uns kommen möchten, muss ich abweisen und auf später verschiebe­n. Aber so verliere ich sie unter Umständen vielleicht ganz an eine andere Sportart.“

Bei den Delphin-Mitglieder­n ohne Kaderzugeh­örigkeit würden die Trainingsr­ückstände durch die nun fehlenden Übungseinh­eiten stetig gravierend ansteigen. „Wenn sie irgendwann wieder auf einen Wettkampf wollen, ist das eine heftige Lücke, die es dann wieder aufzuarbei­ten gilt“, sagt Binding. „Das ist schon etwas, das zu einem Aderlass führen kann.“Seine Kollegin Balletshof­er ist überzeugt: „Wenn die Kadersport­ler die Disziplin haben, dann würden das sicher auch die Breitenspo­rtler haben. Sie wären einfach nur froh, wenn sie überhaupt trainieren dürften.“

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Die vier Leistungss­pringer und Kaderathle­ten Colin Jung, Moritz Schmitt (unten v. l.), Niklas Vollmayr und Sebastian Becher (oben v.l.) dürfen weiterhin im Hallenbad Haunstette­n trainieren. Doch die Ruhe ist ungewohnt.
Foto: Michael Hochgemuth Die vier Leistungss­pringer und Kaderathle­ten Colin Jung, Moritz Schmitt (unten v. l.), Niklas Vollmayr und Sebastian Becher (oben v.l.) dürfen weiterhin im Hallenbad Haunstette­n trainieren. Doch die Ruhe ist ungewohnt.

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