Augsburger Allgemeine (Land West)
Unfall mit Gelber Tonne: Ehepaar kritisiert Stadt
Abfallentsorgung Die neuen Container mit Klappdeckel lösten vor einem Jahr eine Protestwelle bei Bürgern aus. Jetzt verletzte sich eine Augsburgerin. Ihr Mann sieht ein Sicherheitsrisiko – Umweltreferent Reiner Erben nicht
Vor einem Jahr wurden in Augsburg die neuen gelben Wertstofftonnen eingeführt. Damals gab es hitzige Debatten, weil sich viele Bürger beim Befüllen der großen sonnengelben Container mit Klappdeckel schwertaten und Unfälle befürchteten. Jetzt ist der Augsburgerin Susanne Quappe tatsächlich ein solcher Unfall mit gesundheitlichen Folgen passiert. Ihr Ehemann hält die Container für ein Sicherheitsrisiko. Er fragt sich: Wie konnte die Stadt eine solche Tonne zulassen? Und wer kommt finanziell für die Folgen des Unfalls auf?
Susanne Quappe schildert die Ereignisse in der vergangenen Woche so: Sie ist in einer Praxis in der Innenstadt tätig und wollte einen großen Karton mit Kunststoffabfällen entsorgen. Sie ging in den Keller, um die Reste in einen gelben Container zu füllen. „Ich bin kein Riese“, sagt die 67-Jährige. Sie bekam den großen Klappdeckel mit einer Hand nicht so weit hoch, dass er oben blieb. Deshalb rückte sie den Rollcontainer ein Stück von der Wand ab, um den Deckel dort anzulehnen. Doch dann passierte ihr ein folgenschweres Missgeschick: Als sie die Reste einwarf, bewegte sich der Container leicht und die offene Klappe krachte auf ihren Arm. „Es hat sehr wehgetan.“
Susanne Quappe hatte nach dem Unfall Prellungen und einen geschwollenen Arm, wie sie sagt. Zwar geht sie davon aus, dass es keine größeren Verletzungen mit dauerhaften Folgen sind. Aber sie meint, es hätte noch Schlimmeres passieren können. Sie ist froh, dass der Deckel nicht ihren Kopf getroffen hat. Denn im Keller war sie alleine. Niemand hätte ihr auf die Schnelle helfen können.
Ihr Ehemann Thomas Quappe ist nach dem Unfall seiner Frau schlecht auf die Stadt zu sprechen.
Der Augsburger war nach eigenen Angaben früher beruflich Konstrukteur für Kunststofftechnik mit eigenem Büro. Er hält die gelben Container für „nicht zulassungsfähig“und fragt sich auch, ob die zuständigen städtischen Stellen ausreichend für die Sicherheit der Benutzer vorgesorgt haben. „Wir überlegen, hier anwaltlich gegen den Hersteller beziehungsweise Inverkehrbringer vorzugehen.“
Er kritisiert, die Deckel der 1100-Liter-Gefäße seien nicht mehr in einem mittig angebrachten Drehlager gefasst, wie es bei bei den früheren Containern der Fall gewesen sei. Stattdessen hätten sie ein dem Benutzer gegenüberliegendes Lager. Die Deckel seien in keiner Weise dagegen gesichert, herunterzufallen. Quappe spricht von einem „Konstruktionsfehler“, der zu erheblichen Verletzungen führen könne. Er fragt sich, nach welchen Sicherheitsvorschriften die Deckel konstruiert wurden. An den Containern konnte er keinerlei GS- oder ein CE-Prüfzeichen entdecken. Nach Maßgaben der Europäischen Union sei dies aber zwingend vorgeschrieben, so der Augsburger. Vertreiber und Hersteller müssten auch dafür sorgen, dass jeder Anwender hinreichend über die Gefahren informiert ist, etwa mit einer Gebrauchsanleitung.
Bei der Stadt sieht man sich in diesem Fall nicht in der Haftung. Das Umweltreferat verweist darauf, dass der Unfall-Container westlich des Lechs steht. Die Stadt sei jedoch nach der Gebietsvereinbarung mit den Dualen Systemen nur für den Bereich östlich des Lechs zuständig. Der Unfall falle somit in den Verantwortungsbereich der Dualen Systeme, die wiederum die Firma Remondis beauftragt hätten. Von Remondis gab es auf Anfrage unserer Redaktion keine Stellungnahme.
Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) geht davon aus, dass die gelben Container sicher sind. Er sagt, die vom städtischen Abfallwirtschaftsbetrieb und von Remondis beauftragten Behälterhersteller seien zertifizierte Betriebe. Sie würden die geforderten technischen Anforderungen (DIN EN 840 nach EN 840) erfüllen. Erben erklärt weiter, die rollbaren Abfallbehälter, die in Deutschland und Europa verwendet werden, seien auf europäischer Ebene genormt. In dieser Norm seien auch die Sicherheitsanforderungen an diese Behälter festgelegt. Die Norm dokumentiere den Stand der Technik und damit auch die Mindestanforderungen an die Sicherheit. Die Norm werde zudem regelmäßig überarbeitet und weiterentwickelt.
Nach Angaben des Referenten lassen die einschlägigen Hersteller ihre Produkte alle durch akkreditierte Prüfinstitute auf Konformität mit der entsprechenden DIN-Norm für Behälter prüfen und zertifizieren.
Dies sei auch Ausschreibungsgrundlage der Stadt beim Ankauf von rollbaren Abfallbehältern. „Die städtischen Behälter tragen zusätzlich das gesetzlich geregelte GS-Zeichen“, so Erben. Auch der Vergabe dieses Zeichens geht eine regelmäßige Prüfung durch ein akkreditiertes Prüfinstitut voraus. Konstruktionsfehler könnten deshalb ausgeschlossen werden.
Und was ist mit Bedienungsanleitungen, wie man sie bei vielen anderen Produkten bekommt? Erben zufolge werden sie von den Tonnenherstellern auf Anfrage zum Download oder Versand vorgehalten. Die Befüllung von Abfallbehältern ist aus Sicht des Referenten jedoch nicht besonders erklärungsbedürftig. „Auch eine Forderung nach Bedienungsanleitungen auf den Tonnen ist bisher weder bekannt geworden noch üblich.“Bei der Stadt sei auch über weitere Unfälle nichts bekannt.
Allerdings hatte es schon vor einem Jahr Bedenken vor Unfällen im Zusammenhang mit den gelben Tonnen gegeben. Die Stadt hatte nach einer Welle von Bürgerprotesten gegen die neuen Container vorübergehend Holzstöcke mit Einkerbungen ausgegeben, die den Deckel oben halten sollten. Wer einen solchen Stecken haben wollte, musste ein Formular ausfüllen und unterschreiben. In dem Formblatt wurde über Risiken bei der Verwendung des Stocks informiert – und darüber, dass die Stadt keine Haftung übernimmt. Stadträte von Pro Augsburg und CSU hielten diese Stöckchen für ein Sicherheitsrisiko. Erben musste damals zusagen, die Stöcke nicht mehr auszugeben. Der Abfallwirtschaftsbetrieb bot in den Stadtteilen östlich des Lechs als Alternative an, die großen Behälter auf Wunsch auszutauschen und durch mehrere kleine Tonnen zu ersetzen – sofern der Platz dafür vorhanden ist. Ein Austausch der gelben Container sei zu teuer, hieß es damals.