Augsburger Allgemeine (Land West)
Blöd gelaufen und peinlich
Sané. Weltmeister, Nationalspieler, unfassbare Talente. Viel mehr Chancen als jene, die zu den Toren von Gnabry (14.) und Sané (48.) führten, entsprangen dem zähen Spiel der Bayern allerdings nicht. So konnten die beiden Ausgleichstreffer der Kieler Fin Bartels (37.) und Hauke Wahl (90.+5) als verdient bezeichnet werden.
Seit Monaten schleppen sich die Münchner von Partie zu Partie. Der im vergangenen Sommer noch so attraktiv vorwärts gerichtete Fußball hat sich zu einer permanenten Einladung an die Gegner entwickelt. Trainer Hansi Flick lässt seine Mannschaft immer noch in derselben Staffelung und Strategie wie in der Triple-Saison auflaufen. Allerdings musste er nun auch wieder in Kiel bemängeln, dass sein Team „eine bessere Kompaktheit“benötige „und mehr Druck auf den Ball ausüben“solle. Das hören Interessierte nun nicht zum ersten Mal.
Ebenso, dass daran im Training gearbeitet werden solle.
Nun gibt es vielerlei Begründungen für das Durchhängen der gesamten Mannschaft. Sie spielt seit vergangenen Mai nahezu durch. Selbstverständlich macht sich Substanzverlust bemerkbar. Auch in sämtlichen anderen europäischen Top-Ligen gibt es derzeit kein Team, das bedingungslos gen Titel strebt. Corona schlaucht.
In der Münchner Abwehrkette kommt zur allgemeinen Erschöpfung die Formschwäche David Alabas hinzu. Zudem ist mittlerweile zumindest zweifelhaft, ob Niklas Süle zu früherer Geschwindigkeit und Geschmeidigkeit im Zweikampf zurückfindet. Jérôme Boateng saß zuletzt zwei Mal auf der Bank, weil er den wiederkehrenden Sprintduellen mit den Stürmern nur noch höchst unregelmäßig gewachsen ist.
Im Mittelfeld machte sich in Kiel das Fehlen von Leon Goretzka beund merkbar. Dass ihn Corentin Tolisso gegen Kiel nicht gleichwertig ersetzen konnte, spricht für den Zweitligisten und gegen den Franzosen. Joshua Kimmich trägt gerne die Last des Spielaufbaus, ist damit aber so kurz nach seiner Knieverletzung verständlicherweise ab und an überfordert. Für den nach Liverpool abgewanderten Thiago holten die Münchner zudem keinen auch nur ansatzweise gleichwertigen Ersatz. Derlei Mängel machen die schwammigen Auftritte verständlich. Zumindest zweifelhaft ist allerdings, warum Flick eine mit derart Ballast beladene Mannschaft nicht zwischenzeitig einen pragmatischeren Fußball spielen lässt.
Derzeit entwickeln die Münchner aus ihrer offensiven Staffelung über das komplette Feld hinweg kaum Torchancen, öffnen dafür aber dem Gegner freimütig vereinsamte Wege in Richtung Manuel Neuer. Wenn Fehler in einem System trotz aller
Mühen nicht abgestellt werden können, ist möglicherweise ein Systemwechsel zielführender als das permanente Anmahnen bekannter Pannen.
Auch das freilich: beruhigend. Dass diese gefräßige Mannschaft ihren Hunger derzeit nicht stillen kann. Dass die Phasen scheinbar müheloser Brillanz eben auch nur das sind: Phasen. Derzeit durchschreiten die Münchner eine schon beinahe vergessene Phase. Das Siegen ist nicht mehr Gewohnheit. Mitte Januar haben sie schon mehr Spiele verloren als im kompletten vergangenen Kalenderjahr. Da kann man sich schon mal in den Arm nehmen.
DFBPOKAL, 2. RUNDE
Es wirkt wie eine Umarmung unter Kumpels. Fehlt nur noch der Bruderkuss wie einst zwischen Erich Honecker und Leonid Breschnew. Als sich Belarus-Präsident Alexander Lukaschenko und Eishockey-Weltverbandschef René Fasel in die Arme fielen, muss der Zuschauer den Eindruck gewinnen: Zwischen die beiden Buddies passt kein Blatt Papier. In Zeiten, in denen die Schergen des Diktators das eigene Volk verprügeln und zehntausende Regime-Gegner in Gefängnissen stecken, ist dieses Bild mindestens befremdlich. Den Zahnarzt aus Zürich und den Betonkopf der alten Sowjetschule verbindet ein eiskaltes Hobby. Die Eishockey-Weltmeisterschaft ist vom 21. Mai bis 6. Juni geplant. Ursprünglich sollte Belarus zum zweiten Mal nach 2014, dieses Mal allerdings zusammen mit Lettland, das Turnier ausrichten.
Doch das EU-Mitglied Lettland lehnt inzwischen eine gemeinsame WM mit Minsk ab. Wegen massiver Polizeigewalt gegen Andersdenkende und mangelnder Schutzmaßnahmen in der Corona-Pandemie ist Belarus als WM-Standort höchst umstritten. Die EU hat Sanktionen gegen den Machtapparat verhängt.
Fasel war am Wochenstart nach Minsk gereist, um seine „guten Beziehungen“zu dem Staatspräsidenten zu nutzen, einen Ausweg aus dem WM-Dilemma zu erörtern. Der Schweizer hätte wissen müssen, dass sein Towarischtsch den
Besuch für staatsmännische Bilder missbrauchen würde. Fasel hat sich instrumentalisieren lassen und musste kleinlaut zugeben: „Es ist etwas blöd gelaufen, es ist mir auch peinlich.“Die Aussagen des langjährigen Funktionärs wirken fast schon naiv. Das Eishockeyturnier in Minsk böte den Menschen dort die Gelegenheit, miteinander zu reden und nicht mehr auf die Straße zu gehen. Das Vergehen liegt irgendwo zwischen „unkorrekter Köperangriff“und „Behinderung“und gehört mit einer mehrjährigen Matchstrafe sanktioniert.
Deutschlands Eishockey-Chef Franz Reindl, der sich um die Fasel-Nachfolge an der Spitze des Weltverbandes bemüht, stellte klar, „dass wir total verurteilen, was in Belarus passiert“. Der Verband steckt in der Zwickmühle und sah sich bereits nach Alternativen um. Dänemark und die Slowakei bieten sich an. Fasel räumte ein, dass finanzielle Gründe gegen eine WMVerlegung sprechen. Und versicherte mit treuherzigem Blick im Schweizer Fernsehen: „Wenn wir die WM in Minsk nicht spielen, was wird sich ändern? Nichts.“Doch, wird sich. Beim nächsten Aufeinandertreffen würde der Eishockeyfan Lukaschenko nicht mehr die Arme ausbreiten, sondern die Handschuhe fallen lassen. Und den Zahnarzt zum Boxkampf herausfordern. Tipp: Fasel wird auch in der Batscherei schlecht aussehen.