Augsburger Allgemeine (Land West)
Moskauer Weihnachtscircus will Zelte verkaufen
Notlage Im Internet bietet die Zirkusfamilie zwei Objekte an. Der Juniorchef spricht von einem „finanziellen Abgrund“
Die Mitglieder des Moskauer Weihnachtscircus kamen in den vergangenen Jahren nicht zur Ruhe: Erst gab es Probleme wegen ihres Zeltaufbaus, dann eine Schlägerei auf dem Zirkusgelände und schließlich bereitete der Schlaganfall des Seniorchefs Nando Frank den Akteuren große Sorgen. Jetzt müssen die Mitglieder aufgrund der CoronaPandemie ums wirtschaftliche Überleben kämpfen. Über das Internet starteten sie einen Aufruf: Zwei Zelte sind zu verkaufen. Das wirft die Frage auf, ob die Schausteller aufgeben. Denn was macht ein Zirkus ohne Zelt? Wir haben mit den Verantwortlichen gesprochen.
Michael Wagner, Pressesprecher vom Moskauer Weihnachtscircus, gibt Entwarnung: „Keine Sorge, der Zirkus hört nicht auf.“Im Gegenteil, das gesamte Team stehe in den Startlöchern und hoffe darauf, bald wieder auftreten zu dürfen. Allerdings könne das noch eine Weile dauern. Aber die Akteure sind vorbereitet. „Auch wenn es momentan keine Vorstellungen gibt, müssen die Artisten trotzdem täglich trainieren, damit sie fit sind, wenn es dann endlich wieder losgeht“, berichtet der Pressesprecher. Das Weihnachtsgastspiel wolle der Zirkus
auf jeden Fall nachholen. „Man kann sich auch auf neue Show-Acts freuen, die Artisten arbeiten zum Beispiel gerade an einer Rollschuhnummer“, sagt Michael Wagner.
Doch was hat es jetzt mit dem Zeltverkauf auf sich? „Früher waren das mal unsere Zelte, die wir dann an den Zirkus meines Cousins weitergegeben haben“, sagt JuniorZirkuschef
Gino Frank. „Jetzt hat er mich gebeten, einen Aufruf zu starten, da er die Zelte verkaufen möchte.“Diese seien schon älter und daher auf weniger Zuschauerkapazitäten ausgerichtet. „Aber vielleicht kann jemand die Zelte, die noch recht gut in Schuss sind, gebrauchen“, so Frank. Der Moskauer Weihnachtscircus selber habe sich vor Jahren schon größere Zeltanlagen angeschafft, die nur darauf warteten, mit Publikum und Artisten gefüllt zu werden. „Natürlich hoffen wir darauf, dass bald wieder zahlreiche Besucher unser Zelt betreten können. Bis dahin heißt es abwarten und weiter trainieren“, so der Junior-Zirkuschef.
Doch leicht sei das Abwarten und vor allem das Durchhalten für den Moskauer Weihnachtscircus nicht. „Wir befinden uns quasi am finanziellen Abgrund“, so Gino Frank. Seit Monaten halte sich der Zirkus nun schon auf dem Gelände des ehemaligen Gartenmarktes Glötzinger in der Stätzlinger Straße in Lechhausen auf, die Kosten für Heizung und Strom liefen weiter – ob mit oder ohne Vorstellungen. 40 Mitglieder des Zirkus hielten sich dort derzeit auf, zehn davon seien Kinder.
Viele Mitglieder lebten von Hartz IV. „Wir haben praktisch unser letztes Geld in die Werbung für die Weihnachtsvorstellungen an der Rockfabrik investiert, die ja dann aber komplett ausgefallen sind“, sagt Frank. „Wir müssen wirklich schauen, wie wir mit Lebensmitteln und solchen Dingen über die Runden kommen.“
Deshalb sei das Zirkusteam über jede Spende dankbar und auf die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung angewiesen. „Jeder, der uns jetzt unterstützt, darf, sobald wir unsere Veranstaltungen nachholen können, gratis in eine Vorstellung kommen“, verspricht Frank weiter.