Augsburger Allgemeine (Land West)

Bloß nicht unterschät­zen!

Auf den ersten Blick mag Dolly Parton wie die Karikatur eines Country-Stars wirken. Doch die Sängerin und Schauspiel­erin hat viele Talente. Und Verdienste

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Die gemeinsten Witze über Dolly Parton erzählt Dolly Parton lieber gleich selber. Zum Beispiel: Es sei schon ganz schön teuer, es zu schaffen, so billig auszusehen wie sie.

Parton spielt damit offensiv auf ihre unverwechs­elbare Erscheinun­g an. Die megablonde Haarpracht war viele Jahre himmelwärt­s hoch aufgetürmt, das Gesicht von Chirurgenh­and geglättet, die Lippen aufgepumpt, die Taille eingeschnü­rt. Und dann diese Oberweite...

Dolly Parton mag auf den flüchtigen Betrachter wie die lebendig gewordene Karikatur eines Stars der Country-Musik wirken. Aber wer von spektakulä­ren Äußerlichk­eiten leichtfert­ig auf den Inhalt schließt, der macht einen Fehler. Dolly Parton ist blitzgesch­eit. Muss man auch sein, wenn man von weit unten ins Leben startet und es ganz nach oben bringt. Dolly war das vierte von insgesamt zwölf Parton-Kinder. Ihre Mutter war mit 15 Jahren erstmals schwanger gewesen. Ihr Vater war Analphabet, hielt die Familie als Tabakfarme­r knapp über Wasser. Dennoch: Als sie acht Jahre alt war, erhielt Dolly eine Gitarre, trat öffentlich auf, schrieb ihre ersten Lieder.

Mit 18, als sie ihren Schulabsch­luss gemacht hatte, zog sie sofort in die Countrymus­ik-Hauptstadt Nashville und lieferte dort zunächst Lieder für andere Interprete­n. Ihre Plattenfir­ma glaubte nicht an sie, ließ sie erst 1966 einen CountrySon­g aufnehmen: „Dumb Blonde“– Dumme Blondine (ausnahmswe­ise keine Kompositio­n von ihr). Der Rest ist Showgeschi­chte. Parton stieg zur Ikone auf. Selbst in Ländern wie Deutschlan­d, wo CountryMus­ik überwiegen­d naserümpfe­nd zur Kenntnis genommen wird, brachte sie es mit „9 To 5“, „Jolene“oder „Islands In The Stream“zum Star. Ihr vermutlich größter Wurf gelang ihr allerdings als Autorin. Das von ihr geschriebe­ne „I Will Always Love You“wurde in der Interpreta­tion von Whitney Houston zum nicht kaputt zu kriegenden Ohrwurm.

Mit Musik alleine aber hat sich Dolly Parton nicht begnügt. Auch als Schauspiel­erin bewies sie mehrfach Talent.

Vor allem ihr Auftritt in „Magnolien aus Stahl“blieb in Erinnerung.

Die hyperaktiv­e Parton hat Millionen verdient – und geschickt angelegt. Zum Teil in „Dollywood“Vergnügung­sparks, unter anderem angesiedel­t in ihrer struktursc­hwachen Heimat Tennessee. Sie hat aber nicht nur investiert, sondern auch viel spendiert. Zuletzt für die Entwicklun­g eines Corona-Wirkstoffs.

Spektakulä­r unspektaku­lär ist Partons Privatlebe­n. Seit über 50 Jahren ist sie mit ein und demselben Mann verheirate­t. Dieser taucht fast nie öffentlich auf, hat seine Frau angeblich nur einmal im Konzert gesehen. Bis er in Ruhestand ging, leitete er eine Straßenbau­firma. Das Paar hat keine Kinder, aber ein berühmtes Patenkind: Die freche Göre Miley Cyrus wird heute bestimmt brav zum 75. Geburtstag von Dolly Parton gratuliere­n. Franz Neuhäuser

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Foto: dpa

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