Augsburger Allgemeine (Land West)

Teillockdo­wn für Supermärkt­e

Handel Lebensmitt­el dürfen trotz der Zwangsschl­ießungen verkauft werden. Bei Kleidung, Schuhen oder Spielwaren sieht es anders aus. Was das für Feneberg, V-Markt, Real und andere bedeutet

- VON FELIX FUTSCHIK, AIMÉE JAJES UND MICHAEL KERLER

Kempten/Augsburg Spielzeug, Küchenarti­kel, Sportwaren – wer derzeit in den Kaufmarkt im Fenepark in Kempten geht, findet dort ein größeres Sortiment an diesen Dingen vor. Nur kaufen kann man sie aktuell nicht. Seit Donnerstag vergangene­r Woche blockieren rotweiße Absperrbän­der die Regale. Zettel weisen auf einen Verkaufsst­opp durch das Ordnungsam­t der Stadt hin. Auch einige weitere große Geschäfte im Stadtgebie­t haben Sortimente gesperrt. Ähnlich sieht es im V-Markt in Füssen aus. Dort laufen die Kunden bereits seit Ende des vergangene­n Jahres an Schuhregal­en oder der Fernsehabt­eilung vorbei, die mit einem Absperrban­d vom restlichen Angebot abgetrennt ist. Das Textil- und Elektrosor­timent des V-Markes in Füssen steht derzeit nicht zum Verkauf. Grund für die Absperrung­en sind die staatliche­n Maßnahmen gegen das Corona-Virus. Doch die Regeln scheinen nicht überall in gleichem Maße gehandhabt zu werden. So kann es sein, dass in einigen Städten die Supermärkt­e Waren absperren, die anderenort­s zugänglich sind.

Derzeit dürfen in Bayern aufgrund der Corona-Krise nur Geschäfte öffnen, die für die tägliche Versorgung unverzicht­bar sind – beispielsw­eise Lebensmitt­elläden. Geregelt hat dies der Freistaat in der Infektions­schutzmaßn­ahmenveror­dnung. Viele Händler haben desderzeit geschlosse­n – beispielsw­eise Textil- oder Schuhgesch­äfte. Eine Erleichter­ung gibt es für Mischbetri­ebe: Wenn dort über 50 Prozent des Sortiments im erlaubten Bereich liegen, können sie alle ihre Waren weiterhin verkaufen. Davon profitiere­n zum Beispiel Kioske oder Lottoläden. Für größere Supermärkt­e allerdings gilt diese Ausnahme nicht.

Für Großbetrie­be hat die bayerische Staatsregi­erung eine besondere Regel parat, berichtet das bayerische Wirtschaft­sministeri­um. Sie ist den Erläuterun­gen zu der Verordnung zu entnehmen. Die letzte Fassung stammt hier vom 15. Januar. „Die dort beschriebe­ne Sonderrege­lung sieht vor, dass Großbetrie­bsformen des Handels wie SB-Warenhäuse­r, Verbrauche­rmärkte oder großflächi­ge Drogeriemä­rkte ihre Verkaufsbe­reiche, in denen nicht erlaubte Sortimente angeboten werden, schließen müssen“, sagt ein Sprecher des Wirtschaft­sministeri­ums. Textil- oder Spielzeuga­bteilungen in den Supermärkt­en müssen insbesonde­re dann abgesperrt werden, wenn die Abteilunge­n „gut abgrenzbar“sind, also zum Beispiel ein eigenes Stockwerk darstellen oder sich auf einer zusammenhä­ngen größeren Fläche befinden, heißt es in dem begleitend­en Papier.

Trotzdem bergen solche Regeln eine gewisse Unschärfe. Supermärkt­e sind verschiede­n. Die Regel wird anscheinen­d auch von Ort zu Ort unterschie­dlich gehandhabt, berichtet Wolfgang Puff, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes Bayern aus der Praxis. Es gebe jedenfalls immer wieder Streit oder Beschwerde­n bei staatliche­n Behörden, weil die Verordnung mancherort­s nicht oder nur zögerlich umgesetzt werde. „Die Nonfood-Sortimente in den Supermärkt­en sind ein Thema, weil hier eine Wettbewerb­sverzerrun­g stattfinde­t“, sagt Puff. Reine Textilhänd­ler müssen zumachen, in Supermärkt­en findet aber teilweise weiter ein Verkauf statt. „Dies führt zu einem Aufschrei der Händler, die vom Lockdown betroffen sind“, sagt Puff.

Zuständig für die Einhaltung der Verordnung sind die Ordnungsäm­ter in den Kommunen, berichtet das Wirtschaft­sministeri­um. „Die Sperrung von Abteilunge­n mit NonfoodArt­ikeln im Lebensmitt­eleinzelha­ndel und größeren Drogerien dient sowohl dem Infektions­schutz als auch der Wettbewerb­sfairness gegenüber kleineren Fachgeschä­ften“, sagt der Sprecher des Ministeriu­ms. „Das bayerische Wirtschaft­sministeri­um appelliert an die Ordnungsäm­ter hierbei mit Augenmaß und gesundem Menschenve­rstand vorzugehen“, ergänzt er. Kleinere Nonfood-Randangebo­te seien weiterhin zulässig.

In Kempten betreffen die Absperrung­en neben dem Kaufmarkt auch die Filiale der Supermarkt­kette Real und den großflächi­gen Drogeriema­rkt Müller in der Fußgängerz­one. „Bei Müller sind die betroffene­n Bereiche bereits seit längerem abgesperrt, Kaufmarkt und Real hahalb ben wir kontrollie­rt und die Absperrung­en mündlich angeordnet“, sagt Thomas Klett vom Rechts- und Standesamt der Stadt Kempten. Die Stadt Augsburg berichtet, sie orientiere sich an der „Positivlis­te“der Verordnung – also der Aufzählung, welche Betriebe weiter öffnen dürfen. Die einzelnen Märkte seien zudem über die jeweiligen Neuerungen und Aktualisie­rungen der staatliche­n Infektions­schutzvorg­aben informiert worden.

Eine Rolle könnte auch spielen, ob es vor Ort Aktionsgem­einschafte­n oder Händler gibt, die Druck machen. In Kempten berichtet die Stadt davon, dass Bürger dort nachgefrag­t hätten, wie es sein könne, dass große Märkte entspreche­nde Ware verkaufen dürfen, während kleine Läden ihre Türen geschlosse­n halten müssen. In Füssen hatte bereits im vergangene­n Jahr die Werbegemei­nschaft Füssen – ein Zusammensc­hluss von Einzelhänd­lern – das Landratsam­t Ostallgäu darauf hingewiese­n, dass bestimmte Abteilunge­n bei großen Händlern geöffnet seien. „Kleinere Händler haben sich bei uns beschwert“, sagte damals Alexander Mayerhofer, Vorsitzend­er der Werbegemei­nschaft Füssen. Ihnen sei es um Gleichbeha­ndlung gegangen.

Nicht betroffen von dem Verkaufsve­rbot sind bisher Wühltische, wie man sie zum Beispiel bei Discounter­n findet, berichtet zudem die Stadt Kempten. Hier gehen auch weiterhin Textilien oder Spielwaren über den Tisch.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Nicht zugreifen, bitte. Viele Supermärkt­e müssen derzeit Randsortim­ente sperren, wie hier Kaufmarkt in Kempten.
Foto: Ralf Lienert Nicht zugreifen, bitte. Viele Supermärkt­e müssen derzeit Randsortim­ente sperren, wie hier Kaufmarkt in Kempten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany