Augsburger Allgemeine (Land West)
Teillockdown für Supermärkte
Handel Lebensmittel dürfen trotz der Zwangsschließungen verkauft werden. Bei Kleidung, Schuhen oder Spielwaren sieht es anders aus. Was das für Feneberg, V-Markt, Real und andere bedeutet
Kempten/Augsburg Spielzeug, Küchenartikel, Sportwaren – wer derzeit in den Kaufmarkt im Fenepark in Kempten geht, findet dort ein größeres Sortiment an diesen Dingen vor. Nur kaufen kann man sie aktuell nicht. Seit Donnerstag vergangener Woche blockieren rotweiße Absperrbänder die Regale. Zettel weisen auf einen Verkaufsstopp durch das Ordnungsamt der Stadt hin. Auch einige weitere große Geschäfte im Stadtgebiet haben Sortimente gesperrt. Ähnlich sieht es im V-Markt in Füssen aus. Dort laufen die Kunden bereits seit Ende des vergangenen Jahres an Schuhregalen oder der Fernsehabteilung vorbei, die mit einem Absperrband vom restlichen Angebot abgetrennt ist. Das Textil- und Elektrosortiment des V-Markes in Füssen steht derzeit nicht zum Verkauf. Grund für die Absperrungen sind die staatlichen Maßnahmen gegen das Corona-Virus. Doch die Regeln scheinen nicht überall in gleichem Maße gehandhabt zu werden. So kann es sein, dass in einigen Städten die Supermärkte Waren absperren, die anderenorts zugänglich sind.
Derzeit dürfen in Bayern aufgrund der Corona-Krise nur Geschäfte öffnen, die für die tägliche Versorgung unverzichtbar sind – beispielsweise Lebensmittelläden. Geregelt hat dies der Freistaat in der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Viele Händler haben desderzeit geschlossen – beispielsweise Textil- oder Schuhgeschäfte. Eine Erleichterung gibt es für Mischbetriebe: Wenn dort über 50 Prozent des Sortiments im erlaubten Bereich liegen, können sie alle ihre Waren weiterhin verkaufen. Davon profitieren zum Beispiel Kioske oder Lottoläden. Für größere Supermärkte allerdings gilt diese Ausnahme nicht.
Für Großbetriebe hat die bayerische Staatsregierung eine besondere Regel parat, berichtet das bayerische Wirtschaftsministerium. Sie ist den Erläuterungen zu der Verordnung zu entnehmen. Die letzte Fassung stammt hier vom 15. Januar. „Die dort beschriebene Sonderregelung sieht vor, dass Großbetriebsformen des Handels wie SB-Warenhäuser, Verbrauchermärkte oder großflächige Drogeriemärkte ihre Verkaufsbereiche, in denen nicht erlaubte Sortimente angeboten werden, schließen müssen“, sagt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Textil- oder Spielzeugabteilungen in den Supermärkten müssen insbesondere dann abgesperrt werden, wenn die Abteilungen „gut abgrenzbar“sind, also zum Beispiel ein eigenes Stockwerk darstellen oder sich auf einer zusammenhängen größeren Fläche befinden, heißt es in dem begleitenden Papier.
Trotzdem bergen solche Regeln eine gewisse Unschärfe. Supermärkte sind verschieden. Die Regel wird anscheinend auch von Ort zu Ort unterschiedlich gehandhabt, berichtet Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Bayern aus der Praxis. Es gebe jedenfalls immer wieder Streit oder Beschwerden bei staatlichen Behörden, weil die Verordnung mancherorts nicht oder nur zögerlich umgesetzt werde. „Die Nonfood-Sortimente in den Supermärkten sind ein Thema, weil hier eine Wettbewerbsverzerrung stattfindet“, sagt Puff. Reine Textilhändler müssen zumachen, in Supermärkten findet aber teilweise weiter ein Verkauf statt. „Dies führt zu einem Aufschrei der Händler, die vom Lockdown betroffen sind“, sagt Puff.
Zuständig für die Einhaltung der Verordnung sind die Ordnungsämter in den Kommunen, berichtet das Wirtschaftsministerium. „Die Sperrung von Abteilungen mit NonfoodArtikeln im Lebensmitteleinzelhandel und größeren Drogerien dient sowohl dem Infektionsschutz als auch der Wettbewerbsfairness gegenüber kleineren Fachgeschäften“, sagt der Sprecher des Ministeriums. „Das bayerische Wirtschaftsministerium appelliert an die Ordnungsämter hierbei mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand vorzugehen“, ergänzt er. Kleinere Nonfood-Randangebote seien weiterhin zulässig.
In Kempten betreffen die Absperrungen neben dem Kaufmarkt auch die Filiale der Supermarktkette Real und den großflächigen Drogeriemarkt Müller in der Fußgängerzone. „Bei Müller sind die betroffenen Bereiche bereits seit längerem abgesperrt, Kaufmarkt und Real hahalb ben wir kontrolliert und die Absperrungen mündlich angeordnet“, sagt Thomas Klett vom Rechts- und Standesamt der Stadt Kempten. Die Stadt Augsburg berichtet, sie orientiere sich an der „Positivliste“der Verordnung – also der Aufzählung, welche Betriebe weiter öffnen dürfen. Die einzelnen Märkte seien zudem über die jeweiligen Neuerungen und Aktualisierungen der staatlichen Infektionsschutzvorgaben informiert worden.
Eine Rolle könnte auch spielen, ob es vor Ort Aktionsgemeinschaften oder Händler gibt, die Druck machen. In Kempten berichtet die Stadt davon, dass Bürger dort nachgefragt hätten, wie es sein könne, dass große Märkte entsprechende Ware verkaufen dürfen, während kleine Läden ihre Türen geschlossen halten müssen. In Füssen hatte bereits im vergangenen Jahr die Werbegemeinschaft Füssen – ein Zusammenschluss von Einzelhändlern – das Landratsamt Ostallgäu darauf hingewiesen, dass bestimmte Abteilungen bei großen Händlern geöffnet seien. „Kleinere Händler haben sich bei uns beschwert“, sagte damals Alexander Mayerhofer, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Füssen. Ihnen sei es um Gleichbehandlung gegangen.
Nicht betroffen von dem Verkaufsverbot sind bisher Wühltische, wie man sie zum Beispiel bei Discountern findet, berichtet zudem die Stadt Kempten. Hier gehen auch weiterhin Textilien oder Spielwaren über den Tisch.