Augsburger Allgemeine (Land West)

Kulturhaup­tstadt darf in die Verlängeru­ng

Irland Seuche und Stürme vermasselt­en Galway das langersehn­te Kulturhaup­tstadt-Jahr. Jetzt soll die Schau weitergehe­n – zumindest bis April. Aber ob bis dahin Besucher in die Stadt kommen können?

- VON TINGA HORNY

2020 hätte das Jahr von Galway werden sollen. Zusammen mit der kroatische­n Stadt Rijeka trug man den Ehrentitel „Europäisch­e Kulturhaup­tstadt“. Beste Gelegenhei­t also, sich der Welt als kleiner Seehafen an der einsamen Westküste Irlands von der besten Seite zu zeigen. Doch dann folgten Pleiten, Pech und eine Pandemie.

Für Abergläubi­sche mag es ein böses Omen gewesen sein, für Realisten schlichtwe­g das Wetter: So musste Anfang Februar 2020 wegen des herannahen­den Sturms „Ciara“die bombastisc­h geplante Eröffnungs­feier, zu der rund 45000 Zuschauer erwartet wurden, abgeblasen werden. Am 5. März vergangene­n Jahres besuchten noch die Royals William und Kate die Stadt. Nur Tage später musste wegen Corona das gesamte Kultur- und Eventprogr­amm drastisch gekürzt werden. Das Organisati­onsteam wurde auf wenige Mitarbeite­r reduziert und die für das Kulturkonz­ept verantwort­liche Agentur gekündigt.

Aber Galway ließ sich nicht entmutigen, sondern ging ins Netz. Ein Großteil der Veranstalt­ungen wurde gestreamt. Die spektakulä­re Lichtinsta­llation „Savage Beauty“des finnischen Lichtkünst­lers Kari Kola in den Hügeln Connemaras konnte trotz äußerst widrigen Wetters realisiert werden.

Für Ausstellun­gen und OutdoorEve­nts wurden die Besucherza­hlen begrenzt und online Zeitfenste­r vergeben. Doch das Internet war natürlich kein gleichwert­iger Ersatz für das, was Galway ausmacht – eine lange Musiktradi­tion und gesellige Trinkfesti­gkeit. Rund 100 Pubs verteilen sich über die Stadt mit 80000 Einwohnern, darunter fast 20 000 Studenten.

Entlang der High Street sowie der umliegende­n Gassen im Latin Quarter ist die Kneipendic­hte besonders hoch. Pubs wie Murphy’s Bar One servieren bereits in der dritten Generation bestes Guinness. Viele Bars bieten tägliche Musikabend­e – sogenannte Trad-Sessions – an wie etwa The Crane Bar jenseits des Flusses an der Sea Road. Das Wetter ist launisch; aber regnet es nicht, dann ist die Szene der Straßenmus­ikanten aktiv und die ganze Stadt erklingt.

Die gewundenen Gassen, die alten Stadtmauer­n am Eyre Square, die heutzutage in einen schicken Einkaufsko­mplex integriert sind, der Spanish Arch, der Teil des modernen Stadtmuseu­ms ist, sowie die St.-Nicholas-Kirche, in der Christoph Kolumbus 1477 gebetet haben soll: Sie alle sind noch Zeugen vergangene­r Zeiten und verleihen der Stadt jenen urbanen Charme, der Besucher magisch anzieht. Galway rockt also, wenn es nicht gerade AHA-Regeln und Lockdowns gäbe. Fast unbemerkt in den Jahren des Booms hat sich die Stadt zum Geheimtipp der Lebensfreu­de und Kreativitä­t entwickelt. Dublin im Osten ist selbstvers­tändlich wichtiger und reicher, aber Galway und die gleichnami­ge Grafschaft können besser feiern und kommen im Schnitt auf 100 Festivals pro Jahr – ganz unabhängig vom Programm als Kulturhaup­tstadt.

Kaum Live-Veranstalt­ungen, zeitweise geschlosse­ne Pubs und Geschäfte, kaum ausländisc­he Gäste: Obwohl nicht gefeiert werden konnte wie geplant, Galway macht weiter. Novi Sad soll nun nicht im Jahr 2021, sondern im Jahr 2022 Kulturhaup­tstadt Europas werden. Für die Städte Timisoara (Rumänien) und Elefsina (Griechenla­nd) ist eine Verschiebu­ng von 2021 auf 2023 im Gespräch.

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Foto: dpa Anfang März beim Besuch von Prinz William und seiner Frau Kate feierte Galway noch ziemlich unbeschwer­t. Da wegen der Co‰ rona‰Pandemie viele Veranstalt­ungen ins Wasser fielen, geht die Kulturhaup­tstadt in die Verlängeru­ng.

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