Augsburger Allgemeine (Land West)
Mit Tempo 130 über die Ackermannstraße
Prozess An einem Sonntagmorgen sieht eine Polizeistreife in Augsburg plötzlich zwei Autos vorbeischießen. Die Beamten nehmen die Verfolgung auf. Der Fall landete nun vor Gericht
Teuer zu stehen kommt zwei Männern eine rasante Fahrt in ihren hoch motorisierten Autos auf der Bürgermeister-Ackermann-Straße an einem frühen Morgen. Weil das Augsburger Amtsgericht die Tour als illegales Autorennen wertete, wurden jeweils 3600 Euro Bußgeld sowie halbjährige Führerscheinsperren verhängt.
Sonntagmorgen gegen 4.30 Uhr Ende Juni 2020: Eine Polizeistreife wartet an der roten Ampel in der Deutschenbaurstraße, Kreuzung Ackermannstraße. Plötzlich sehen die beiden Beamten, wie zwei Autos nebeneinander auf der AckermannStraße mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit stadtauswärts „vorbeischießen“. Erlaubt ist hier Tempo 60. Die Beamten beschließen, hinterherzufahren und zu schauen, was los ist. So berichten es die Polizisten als Zeugen vor Richterin Kerstin Meurer. Nur, das mit dem Hinterherfahren gestaltet sich als schwierig. Der 190-PS-Diesel des Streifenwagens kann den vorausfahrenden Boliden nicht folgen.
410 PS beträgt, so wird später festgestellt, die Leistung des BMW M2, den der 22-jährige Angeklagte, Mechaniker aus Augsburg, fährt. Das zweite Fahrzeug, ein Mercedes
AMG, hat 390 PS, am Steuer sitzt der zweite Angeklagte, ein 28-jähriger Bauleiter aus Stadtbergen. Bis auf Tempo 130 habe man beschleunigen müssen, um den Abstand nicht immer größer werden zu lassen, so die Polizisten. Da stehen die beiden Sportwagen bereits an der Haltelinie der Kreuzung Ackermann-Straße/B 17. Die Polizei hält hinter den beiden Pkw, die an der roten Ampel warten. Die Beamten notieren die Kennzeichen.
Die Ampel springt auf Grün, der BMW und der Mercedes düsen Seite an Seite davon, Vollgas vermuten die Polizisten. Erneut beschleunigt der Streifenwagen auf der ansonsten noch leeren vierspurigen Straße auf annähernd Tempo 120, um nicht komplett abgehängt zu werden. Als die beiden Sportwagen an der nächsten Ampel nach links in die Stadtberger Hagenmähderstraße abbiegen, gelingt es den Polizeibeamten, zunächst den Fahrer des BMW, später auch den Halter des Mercedes ausfindig zu machen.
Beide erhalten Anzeigen. Einem folgenden Strafbefehl mit Geldbußen und Führerscheinsperren widersprechen die beiden Fahrer, weswegen es jetzt zur Hauptverhandlung vor Gericht kommt. Beide Angeklagten machen keine Angaben. Für Staatsanwalt Robert Birkner ist nach der Beweisaufnahme klar: Es habe ein illegales Autorennen stattgefunden, so wie er es angeklagt hat. Birkner fordert jeweils Geldbußen in Höhe von 3600 Euro von den beiden Angeklagten, zudem eine noch mindestens halbjährige Führerscheinsperre, nachdem beide Angeklagten ihre Scheine bereits seit fast vier Monaten nicht mehr besitzen.
Ganz anders als der Staatsanwalt die Einschätzung der Verteidiger Florian Schmidtke und Karl-Wilhelm Schuhmacher: Beide fordern für ihre Mandanten Freisprüche. Ein Autorennen habe es nie gegeben. Beide Männer würden sich nicht kennen, hätten keine Verabredungen zu einem Wettbewerb getroffen. Auch habe es keine rennentypischen Fahrweisen wie Überholvorgänge, Spurwechsel oder Ausweichmanöver gegeben. Es seien einfach nur zwei Autos mit lautem Motor und Auspuff schnell nebeneinander gefahren. Möglicherweise ja auch zu schnell, aber das Beweismittel, die Tempo-Schätzung durch die beiden Polizisten, würde den Anforderungen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens nicht genügen. Und schon gar nicht den Vorwurf eines Rennens erlauben.
Das sah Richterin Meurer in ihrem Urteil allerdings anders. Sie folgte der Forderung des Staatsanwalts, verurteilte beide Angeklagte wegen der Teilnahme an einem illegalen Autorennen und verhängte Bußgelder in Höhe von jeweils 3600 Euro sowie weitere sechs Monate Führerscheinsperre. Nach Worten der Richterin sei laut Gesetzgeber der Wettbewerbscharakter für illegale Autorennen entscheidend. Weitere Verkehrsverstöße zum zu schnellen Fahren seinen nicht erforderlich. Die Verabredung zu einem Rennen könne laut Gesetzgeber auch ohne direkte mündliche Absprache allein aus der Situation heraus und entsprechendem Bemühen erfolgen. Das sah die Richterin in dem Fall gegeben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.