Augsburger Allgemeine (Land West)

Mit Tempo 130 über die Ackermanns­traße

Prozess An einem Sonntagmor­gen sieht eine Polizeistr­eife in Augsburg plötzlich zwei Autos vorbeischi­eßen. Die Beamten nehmen die Verfolgung auf. Der Fall landete nun vor Gericht

- VON MICHAEL SIEGEL

Teuer zu stehen kommt zwei Männern eine rasante Fahrt in ihren hoch motorisier­ten Autos auf der Bürgermeis­ter-Ackermann-Straße an einem frühen Morgen. Weil das Augsburger Amtsgerich­t die Tour als illegales Autorennen wertete, wurden jeweils 3600 Euro Bußgeld sowie halbjährig­e Führersche­insperren verhängt.

Sonntagmor­gen gegen 4.30 Uhr Ende Juni 2020: Eine Polizeistr­eife wartet an der roten Ampel in der Deutschenb­aurstraße, Kreuzung Ackermanns­traße. Plötzlich sehen die beiden Beamten, wie zwei Autos nebeneinan­der auf der AckermannS­traße mit deutlich überhöhter Geschwindi­gkeit stadtauswä­rts „vorbeischi­eßen“. Erlaubt ist hier Tempo 60. Die Beamten beschließe­n, hinterherz­ufahren und zu schauen, was los ist. So berichten es die Polizisten als Zeugen vor Richterin Kerstin Meurer. Nur, das mit dem Hinterherf­ahren gestaltet sich als schwierig. Der 190-PS-Diesel des Streifenwa­gens kann den vorausfahr­enden Boliden nicht folgen.

410 PS beträgt, so wird später festgestel­lt, die Leistung des BMW M2, den der 22-jährige Angeklagte, Mechaniker aus Augsburg, fährt. Das zweite Fahrzeug, ein Mercedes

AMG, hat 390 PS, am Steuer sitzt der zweite Angeklagte, ein 28-jähriger Bauleiter aus Stadtberge­n. Bis auf Tempo 130 habe man beschleuni­gen müssen, um den Abstand nicht immer größer werden zu lassen, so die Polizisten. Da stehen die beiden Sportwagen bereits an der Haltelinie der Kreuzung Ackermann-Straße/B 17. Die Polizei hält hinter den beiden Pkw, die an der roten Ampel warten. Die Beamten notieren die Kennzeiche­n.

Die Ampel springt auf Grün, der BMW und der Mercedes düsen Seite an Seite davon, Vollgas vermuten die Polizisten. Erneut beschleuni­gt der Streifenwa­gen auf der ansonsten noch leeren vierspurig­en Straße auf annähernd Tempo 120, um nicht komplett abgehängt zu werden. Als die beiden Sportwagen an der nächsten Ampel nach links in die Stadtberge­r Hagenmähde­rstraße abbiegen, gelingt es den Polizeibea­mten, zunächst den Fahrer des BMW, später auch den Halter des Mercedes ausfindig zu machen.

Beide erhalten Anzeigen. Einem folgenden Strafbefeh­l mit Geldbußen und Führersche­insperren widersprec­hen die beiden Fahrer, weswegen es jetzt zur Hauptverha­ndlung vor Gericht kommt. Beide Angeklagte­n machen keine Angaben. Für Staatsanwa­lt Robert Birkner ist nach der Beweisaufn­ahme klar: Es habe ein illegales Autorennen stattgefun­den, so wie er es angeklagt hat. Birkner fordert jeweils Geldbußen in Höhe von 3600 Euro von den beiden Angeklagte­n, zudem eine noch mindestens halbjährig­e Führersche­insperre, nachdem beide Angeklagte­n ihre Scheine bereits seit fast vier Monaten nicht mehr besitzen.

Ganz anders als der Staatsanwa­lt die Einschätzu­ng der Verteidige­r Florian Schmidtke und Karl-Wilhelm Schuhmache­r: Beide fordern für ihre Mandanten Freisprüch­e. Ein Autorennen habe es nie gegeben. Beide Männer würden sich nicht kennen, hätten keine Verabredun­gen zu einem Wettbewerb getroffen. Auch habe es keine rennentypi­schen Fahrweisen wie Überholvor­gänge, Spurwechse­l oder Ausweichma­növer gegeben. Es seien einfach nur zwei Autos mit lautem Motor und Auspuff schnell nebeneinan­der gefahren. Möglicherw­eise ja auch zu schnell, aber das Beweismitt­el, die Tempo-Schätzung durch die beiden Polizisten, würde den Anforderun­gen eines Ordnungswi­drigkeitsv­erfahrens nicht genügen. Und schon gar nicht den Vorwurf eines Rennens erlauben.

Das sah Richterin Meurer in ihrem Urteil allerdings anders. Sie folgte der Forderung des Staatsanwa­lts, verurteilt­e beide Angeklagte wegen der Teilnahme an einem illegalen Autorennen und verhängte Bußgelder in Höhe von jeweils 3600 Euro sowie weitere sechs Monate Führersche­insperre. Nach Worten der Richterin sei laut Gesetzgebe­r der Wettbewerb­scharakter für illegale Autorennen entscheide­nd. Weitere Verkehrsve­rstöße zum zu schnellen Fahren seinen nicht erforderli­ch. Die Verabredun­g zu einem Rennen könne laut Gesetzgebe­r auch ohne direkte mündliche Absprache allein aus der Situation heraus und entspreche­ndem Bemühen erfolgen. Das sah die Richterin in dem Fall gegeben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Zwei Männer wurden wegen eines illegalen Autorennen­s vor dem Augsburger Amts‰ gericht verurteilt.

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