Augsburger Allgemeine (Land West)
„Diese Panik werde ich nie vergessen“: Familie warnt nach Eisunfall auf Kuhsee
Unglück Am Sonntag waren Vater, Mutter und zwei Töchter durch das Eis ins Wasser gestürzt. Der Vorfall sorgt für Aufsehen. Genauso wie die Tatsache, dass auf dem zugefrorenen Gewässer so viel los war – obwohl vor der zu dünnen Tragschicht gewarnt wurde
Ewa K. sagt, sie schäme sich etwas vor ihren Kindern. „Es war unvernünftig, mit ihnen auf das Eis zu gehen“, meint die 45-jährige Mutter einen Tag danach und fügt hinzu: „Aber wir hätten das auch nie gemacht, wenn nicht schon so viele andere Menschen auf dem Kuhsee gewesen wären. So dachten wir uns nichts dabei.“Bei Ewa K., ihrem Mann und den beiden Töchtern handelt es sich um jene Familie, die am Sonntag auf der Eisfläche des Kuhsees eingebrochen ist. Obwohl Wasserwacht und DLRG seit vielen Tagen vor den zu dünnen Eisdecken auf den Seen warnen, befanden sich allein am Sonntagmittag nach Schätzung der Polizei um die 300 Menschen auf dem Kuhsee in Augsburg.
Wie viele andere Augsburger auch will Familie K. aus Lechhausen am Sonntag das Winterwetter für einen Spaziergang am Kuhsee nutzen. Als die Eltern und ihre Töchter die vielen Leute auf dem Eis sehen, darunter auch etliche Kinder, ärgern sie sich noch, nicht an ihre Schlittschuhe gedacht zu haben. „Es waren viele auf Schlittschuhen unterwegs, es wurde sogar Hockey gespielt.“Die Eltern und die beiden 14 und 18 Jahre alten Töchter laufen auch auf den See. Kurz nach 13 Uhr wollen Vater und Mutter zurück ans Ufer. „Wir riefen die Kinder, dass sie auch kommen sollen“, erzählt Ewa K. Plötzlich gibt unter ihr und ihrem Mann das Eis nach, einige Meter weiter draußen brechen auch die Töchter ein.
„Es taten sich Risse im Eis auf, es ging alles ganz schnell“, schildert die 14-jährige Emilia. Alle vier landen bis zum Hals im eiskalten Wasser, rufen um Hilfe. Mutter und Vater schaffen es, sich selbst wieder auf Eis zu ziehen, der Vater hilft der Ältesten. Wie Ewa K. erzählt, läuft ein Mann zur eingebrochenen Emilia. Er zieht seine Jacke aus, reicht sie dem Mädchen und zieht es aus dem Eiswasser. Die Familie ist dem Lebensretter zutiefst dankbar. „Ich hatte solche Panik. Zum Glück hat mir der Mann geholfen“, sagt Emilia. Unterdessen wurde schon nach Hilfe gerufen. Die Berufsfeuerwehr Augsburg ist mit ihrem Tauchzug auf Anfahrt, Polizei und DLRG sind ebenfalls alarmiert. Die Wasserwacht ist bereits vor Ort, weil sie unter anderem am Kuhsee am Wochenende die sogenannte Eiswacht hält. Nur wenige Minuten nach dem Unfall, erzählt Ewa K., waren sie wieder heil an Land.
Wie Wasserwacht-Sprecher Marco Greiner berichtet, haben allein am Kuhsee an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen derzeit mindestens fünf Kollegen Dienst. Auch am Autobahnsee und am Bergheimer Baggersee halten die Ehrenamtlichen Eiswacht. Die Mitglieder der Wasserwacht weisen Menschen vor Ort darauf hin, das Eis nicht zu betreten. Im Gegensatz zu anderen Kommunen werden Augsburgs Seen nicht offiziell freigegeben – auch wenn die Eisschicht noch so dick ist. Grundwasserquellen, Unterwasserpflanzen und Schneedecken etwa sorgen dafür, dass das Eis auf Seen an manchen Stellen gefährlich dünn werden kann. Für den Laien ist die Gefahr meist nicht erkennbar. Allein aus Haftungsgründen werden Seen nicht freigegeben, heißt es auch vonseiten der Berufsfeuerwehr. Doch wie kann es sein, dass sich so viele Menschen trotz der vielen Warnungen, die zuletzt in Medien und in sozialen Netzwerken veröffentlicht wurden, trotzdem auf dem Kuhsee tummelten?
„Entsprechend der Aufforderung, daheim zu bleiben und Menschenansammlungen zu vermeiden, sollte so ein Andrang in der aktuellen Zeit nicht vorkommen“, kritisiert Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU). Die vielen Ausflügler am Wochenende stellten die Wasserwacht-Mitarbeiter jedenfalls vor eine Herausforderung, die aufgrund der Masse nicht mehr zu bewältigen war. „Irgendwann können die Kollegen nicht mehr jeden ansprechen und auf die Gefahr hinweisen. Da stoßen wir an unsere Grenzen“, sagt Marco Greiner und weiter: „Wir als Ehrenamtliche haben auch keinerlei rechtlichen Befugnisse, die Menschen des Eises zu verdas weisen.“Das übernahm dann die Polizei am Sonntag. Als der Unfall mit Familie K. passierte, wiesen die Polizisten mit Lautsprecherdurchsagen auf die akute Lebensgefahr hin und räumten den Kuhsee. Das half allerdings nur vorübergehend. Schon kurze Zeit später, so berichtet die Polizei, stellte eine Streife erneut rund 100 Menschen auf der Eisfläche fest und musste erneut warnen.
Die Stadt hat inzwischen Plakate am See aufgehängt. Sie weisen darauf hin, dass das Eis noch nicht tragfähig ist und bereits eingebrochene Personen gerettet werden mussten.
Familie K. ist froh, dass der Eisunfall so glimpflich abgelaufen ist, dass ein Mann so mutig war und ihre Tochter gerettet hat. Sie kritisiert, dass es am See keine Warntafeln gegeben habe – zumindest hätten sie keine gesehen. Ewa K. bemängelt auch, dass sie nach dem Unfall erst von der Wasserwacht zu ihren Personalien befragt wurden, dann noch mal von der Polizei. Eine halbe Stunde habe dies gedauert. „Wir waren alle nass und haben gefroren, wir wollten nur noch nach Hause.“Zu Hause durften die Töchter als Erstes in die heiße Badewanne. Die 14-jährige Emilia meint, sie werde nie wieder auf einen zugefrorenen See gehen. „Die Panik, die ich hatte, als ich einbrach, werde ich nicht vergessen.“