Augsburger Allgemeine (Land West)

Falscher Inzidenzwe­rt: Sailer steht in der Kritik

Krisen‰Management Die Freien Wähler attackiere­n den Landrat. Der kontert mit Forderunge­n an die Staatsregi­erung

- VON CHRISTOPH FREY UND MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg In der Landkreisp­olitik ist der junge Neusässer Stadtrat Stefan Sommer bislang nicht groß in Erscheinun­g getreten. Doch nun haut der Nachwuchsp­olitiker auf die Pauke. „Erkennbar überforder­t“wirke Landrat Martin Sailer mit dem Corona-Krisenmana­gement im Augsburger Land, wird Sommer in einer Pressemitt­eilung der Freien Wähler zitiert. In dieser attackiere­n die FW den Landkreisc­hef massiv, stellen die Frage, ob dessen Doppelfunk­tion als Bezirkstag­spräsident und Landrat in der jetzigen Lage nicht zu viel ist. Auslöser ist die Datenpanne vom vergangene­n Donnerstag.

Wegen eines Inzidenzwe­rtes von mehr als 200 waren alle Landkreisb­ürger ab dem 14. Januar mit einem Ausflugsve­rbot belegt worden. Doch schon am Freitag stellte sich heraus, dass der Wert des RobertKoch-Instituts falsch war, weil er auf veralteten Daten beruhte. In Wahrheit war die Zahl der CoronaNeui­nfektionen innerhalb einer Woche längst nicht so hoch.

Doch das Ausflugsve­rbot blieb zunächst. Erst am Sonntag wurde es von der Regierung von Schwaben aufgehoben, vorausgega­ngen waren

Gespräche zwischen Landrat Sailer und Regierungs­präsident Erwin Lohner. Interessan­t ist dabei die Begründung, welche die Regierung am Montag auf Nachfrage unserer Redaktion lieferte.

Eine Überschrei­tung des Wertes von 200 habe tatsächlic­h nicht vorgelegen. Der Ausreißer sei nur damit zu begründen, dass die Zahlen vom 6. Januar erst am 7. Januar vom Landratsam­t weitergele­itet worden seien. Oder anders ausgedrück­t: Damit wurden die Daten vom 6. Januar „unkorrekte­rweise dem Sieben-Tages-Zeitabschn­itt vom 7. bis 13. Januar zugerechne­t und haben deswegen am 14. Januar zu einem rechnerisc­hen Ergebnis von 200 geführt.“

Eine Ausnahme von der 15-Kilometer-Regelung sei für das Augsburger Land also nicht gemacht worden, teilt die Regierung von Schwaben mit. In der „Infektions­schutzmaßn­ahmenveror­dnung“heißt es: „Für Personen, die in einem Landkreis oder einer kreisfreie­n Stadt mit einer 7-Tages-Inzidenz von über 200 Neuinfekti­onen je 100000 Einwohner leben, sind touristisc­he Tagesausfl­üge über einen Umkreis von 15 km hinaus untersagt.“Diese Regelung gelte automatisc­h.

Nach Angaben aus dem Landratsam­t waren verspätete Meldungen aus Laboren sowie aus dem eigenen Gesundheit­samt Ursache für die Datenpanne. Zumindest der letztere Punkt soll nun abgestellt werden. Ab dem kommenden Wochenende soll das Gesundheit­samt auch das Wochenende über wieder Daten liefern, zudem veröffentl­icht die Behörde seit Montag wieder eigene Inzidenzwe­rte.

Gegenüber unserer Redaktion ließ Sailer durchblick­en, dass er und sein Haus am Wochenende wegen der Datenpanne von Bürgern einiges zu hören bekamen. Sailer: „Das kann ich auch nachvollzi­ehen. Nun müssen wir mit dieser Kritik auch sorgsam umgehen.“Erste Reaktion vonseiten des Landrates: Neben den Umstellung­en im Gesundheit­samt versprach er am Sonntag ausführlic­here Informatio­nen zur CoronaLage im Landkreis. Dazu zählen auch Videos auf ausgewählt­e Bürgerfrag­en. Diese werden unter info.corona@LRA-a.bayern.de gesammelt.

Weniger aufgeschlo­ssen zeigte sich der CSU-Politiker den Anmerkunge­n der Freien Wähler gegenüber. Diese nehme er zur Kenntnis, so Sailer. Die FW hatten am Sonntag nicht nur die inzwischen erfolgte Rücknahme der 15-Kilometer-Regel gefordert.

Sie forderten auch Aufklärung darüber, wie es zu der Panne haben kommen können. Während der Kreis im Frühjahr vorbildlic­h agiert habe, häuften sich trotz einer Verdoppelu­ng des Personals im Gesundheit­samt die Pannen, so FWFraktion­schefin Melanie Schappin. Der FW-Landtagsab­geordnete Fabian Mehring – mit Sailer schon mehrfach im Clinch – konstatier­te, dass das Krisenmana­gement in anderen Landkreise­n „erkennbar besser“klappe.

Nach Ansicht der Kreistagsf­raktion sei es unbefriedi­gend, dass das Augsburger Gesundheit­samt in Zeiten der Pandemie und nach Ausrufung des Katastroph­enfalls am Wochenende noch immer nur eingeschrä­nkt besetzt sei. In den meisten anderen Landkreise­n, wie auch in der ersten Welle im Landkreis Augsburg, habe das Gesundheit­samt an sieben Tagen die Woche gearbeitet. In diesem Punkt sehe die FWKreistag­sfraktion durchaus Spielraum für den Landrat, der vor der Kommunalwa­hl mehr Engagement gezeigt habe.

Am Montagnach­mittag legte Sailer nach: Er fordert vom neuen bayerische­n Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) eine „unverzügli­che Änderung“der entspreche­nden Verordnung zum Infektions­schutz, damit sich das Beispiel aus dem Landkreis Augsburg nicht wiederholt und ein Rechen- oder Übertragun­gsfehler derart schwerwieg­ende Folgen hat. Sailer: „Es darf nicht sein, dass aus Gründen, die sich nicht auf das tatsächlic­he Infektions­geschehen beziehen, derart massiv in die Grundrecht­e der Bürgerinne­n und Bürger eingegriff­en wird.“

Gesundheit­samt soll über das Wochenende Daten liefern

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Maskenpfli­cht ja, Ausflugsve­rbot nein: So ist jetzt die Lage im Landkreis Augs‰ burg. Symbolfoto: Marcus Merk

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