Augsburger Allgemeine (Land West)
Das nächste Ziel: Kandidatin für den Bundestag
Zeitenwende Heike Heubach wollte im vergangenen Jahr für die SPD in den Stadtrat Stadtbergen einziehen. Das hat nicht geklappt, aber bei ihr für viel Motivation gesorgt
Ein Mann, der sein halbes Leben als Pilot verbracht hat, und ein anderer, der ein gesamtes Berufsleben als Bürgermeister tätig war, sie beide standen nun am Übertritt ins Rentenalter. – Das waren nur zwei der Personen aus dem Landkreis, die wir vor einem Jahr unter dem Motto „Zeitenwende“an ihrem Wechsel in einen neuen Lebensabschnitt porträtiert hatten. Sie sprachen dabei über ihre Pläne und Hoffnungen. Doch dann kam Corona und wirbelte alles durcheinander. Wie ist es ihnen seitdem ergangen?
Stadtbergen Voller Energie war Heike Heubach vor gut zwölf Monaten ins Jahr 2020 gestartet. Es sollte ein Besonderes für sie werden: Die Stadtbergerin wollte für die SPD in den Stadrat einziehen. Bis Anfang März lief der Wahlkampf, wie eben so ein Kommunalwahlkampf läuft. „Es war eine spannende, wertvolle Zeit mit vielen Erfahrungen, viel habe ich daraus gelernt.“Mit dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Roland Mair, hatte sie Hausbesuche bei den Wählern gemacht. „Viele Menschen waren begeistert von unseren Zielen“, berichtet Heike Heubach. „Bei den Besuchen hat Roland hauptsächlich geredet und ich habe mein Vorstellungsvideo gezeigt“, so Heike Heubach weiter.
Denn Heike Heubach selbst hat bereits als Säugling ihr Hörvermögen verloren. Sie war noch kein Jahr alt, als Ärzte das feststellten. Auslöser war vermutlich eine Mittelohrentzündung. Über Spezialschulen für Gehörlose ging die heute 41-Jährige dennoch beruflich ihren Weg, besuchte zunächst eine Wirtschaftsschule und dann eine Fachoberschule in München. Die Ernüchterung kam nach dem Fachabitur: 2500 Bewerbungen hatte sie geschrieben – und allein eine Chance auf eine Ausbildung zur Industriekauffrau bekommen. Und die nutzte sie. Zudem war Heike Heubach damals schon Mutter.
Praktisch als Neueinsteigerin in die Kommunalpolitik war sie für die Wahl 2020 auf der Liste der SPD Stadtbergen gelandet. Eines ihrer Ziele dort: ein besseres Radwegenetz. Doch am Ende hat es nicht geklappt mit einem Platz im Stadtrat. Das sei zunächst eine schwere Enttäuschung gewesen, gibt sie zu. Untypisch wäre für sie allerdings aufzugeben. Nach der Enttäuschung kam ein anderes Gefühl hinzu. „Ich war und bin es auch heute noch mächtig stolz auf mein Wahlergebnis. Es motiviert mich weiterzumachen.“Immerhin hatte sie fast 1000 Stimmen erlangt.
Doch zunächst einmal bedeutet die Coronazeit gerade für sie als Gehörlose eine weitere Einschränkung – nämlich mit dem Beginn des häufigen Maskentragens vor einigen Monaten: „Das Lippenlesen, also unsere wichtigste Art, Menschen zu verstehen, entfällt völlig.“Ein Problem, das freilich mit der eingeschränkten Mimik auch Hörende betreffe. Was bleibe, sei die Gestik und auch die Bereitschaft vieler Menschen, sich irgendwie verständlich machen zu wollen. „Man fühlt sich als jemand, der die Gebärdensprache beherrscht, fast schon im Vorteil. Generell erschwert es einem allerdings auch häufig die alltägliche Kommunikation“, sagt sie.
Entmutigt fühlt sich Heike Heubach aber nicht. Im Gegenteil, an der politischen Arbeit hat sie Gefal
gefunden. Als Gehörlose habe sie erfahren, dass Beeinträchtigte oft genug auf Gleichbehandlung pochen und ihre Rechte einfordern müssten. Sie gibt ein Beispiel: Für einen Dolmetschereinsatz würden schnell 200 oder 300 Euro fällig. Bezahlt wird solch in Einsatz durch öffentliche Kassen aber lediglich für Arztbesuche, Schule und Beruf.
Dass sich hier etwas ändert, dafür möchte sie gemeinsam mit Hörenlen den an einem Strang ziehen. Und dafür hat sie ein neues Ziel: Sie möchte Bundestagskandidatin für die SPD in ihrem Wahlkreis werden. In wenigen Wochen soll da die Entscheidung fallen.