Augsburger Allgemeine (Land West)

Bad in Unterhosen endet vor Gericht

Prozess Ein junger Mann geht mitten in der Nacht schwimmen. Allerdings ist er so betrunken, dass er danach seine Kleidung nicht mehr findet und sich einer Festnahme widersetzt

- VON MATTHIAS SCHALLA

Landkreis Augsburg Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine Schnapside­e. Mitten in der Nacht kam ein damals 19-Jähriger im westlichen Landkreis auf die Idee, mal eben baden zu gehen. Er packte seine Kleidung in einen Rucksack, sprang in Unterhosen kurz ins Wasser und wollte danach wieder heimgehen. Sein Problem: Er fand den Rucksack nicht mehr. Da er aufgrund seiner Alkoholisi­erung in Boxershort­s orientieru­ngslos über die Straße stolperte, rief ein Anwohner die Polizei. Und dies löste eine verhängnis­volle Kette an Ereignisse­n aus, die erst jetzt vor dem Amtsgerich­t in Augsburg endete.

Richter Günther Baumann brachte am Montag in seiner Urteilsver­kündung am Ende des Prozesses die Sache auf den Punkt. „Ohne Alkohol wär das alles nicht passiert“, sagte er. So aber musste sich der junge Mann wegen Widerstand­s und einem tätlichem Angriff auf Vollstreck­ungsbeamte sowie versuchter Körperverl­etzung verantwort­en. Denn gegen den Versuch der Polizei, ihn zwecks Ausnüchter­ung über Nacht in eine Zelle zu stecken, wehrte er sich nach Kräften. Verschärfe­nd hinzu kam, dass der heute 20-Jährige unter offener Bewährung steht.

Sieben Monate auf Bewährung stehen bereits in seinem Vorstrafen­register, da er vor einiger Zeit unter anderem mit einem Gramm Marihuana erwischt wurde. So kam es, dass nicht nur sein Verteidige­r im Saal saß, sondern auch der Bewährungs­helfer, eine Vertreteri­n der Jugendgeri­chtshilfe, ein Sachverstä­ndiger und die beiden Polizisten als Zeugen.

Reumütig und auch ein wenig kleinlaut zeigte sich der Angeklagte daher im Prozess. „Ich hatte sehr viel getrunken und wollte dann noch schwimmen gehen“, schilderte er den Ablauf jener Nacht im August. Etwa zehn halbe Bier, Schnaps und weitere Mischgeträ­nke hätte er zuvor getrunken. „Der Heimweg war schon recht schwierig“, erinnerte er sich, was Richter Baumann ein kleines Lachen entlockte. Dann sei er auf die Idee gekommen, sich abzukühlen. „Ich hatte meine Klamotten in den Rucksack gepackt und bin

in Boxershort­s in den Bach gegangen.“Zurück aus dem Wasser habe er sich wieder anziehen wollen, doch er konnte seinen Rucksack nicht mehr finden.

„Wir sind dann über den Notruf zum Einsatz gerufen worden“, schildert ein Polizist den weiteren Ablauf. Angeblich würde eine junge Person in Unterhosen orientieru­ngslos über die Straße laufen und ins Wasser gehen, hätte es geheißen. Vor Ort machten sich die beiden Beamten auf die Suche und fanden zunächst den Rucksack mit der Kleidung. Schließlic­h sei auch der Angeklagte aufgetauch­t. Zwischenze­itlich hatte er sich daheim frische Sachen angezogen, um sich dann mit dem Fahrrad auf die Suche nach dem Rucksack zu machen. „Wir haben aber gesehen, dass er völlig ‘verpeilt’ und nicht mehr zurechnung­sfähig war“, sagte ein Polizist aus. Daraufhin sei es zu der Personenko­ntrolle gekommen, die schließlic­h aus dem Ruder lief.

Der junge Mann wollte sich weder durchsuche­n lassen noch die Beamten zu dem Streifenwa­gen begleiten. „Ich habe mich bei den Polizisten freundlich dafür bedankt, dass sie meinen Rucksack gefunden haben – aber die wollten mich in Gewahrsam nehmen und in eine Ausnüchter­ungszelle stecken“, erinnerte er sich. „Ich wollte aber nicht mit.“

Er hätte daher zunächst versucht, sich aus der Umklammeru­ng der

Polizisten „herauszuwi­nden“. Als dies nicht gelang, habe er einen der Beamten sein Knie in den Bau gestoßen. „Ich wollte aber niemanden wehtun“, beteuerte der 20-Jährige und entschuldi­gte sich noch im Saal bei dem Polizisten.

Sachverstä­ndiger und Verteidige­r versuchten in der Verhandlun­g die Frage zu klären, ob der Angeklagte während der Tat „verwirrt“und „nicht zurechnung­sfähig“gewesen sei. Letztendli­ch aber gab es nur die Erkenntnis, dass der junge Mann eine „erhöhte Intoxikati­on“aufgewiese­n hätte. Wie stark betrunken er aber in der besagten Nacht tatsächlic­h gewesen war, ließ sich nicht aufklären. „Auf unsere Anfrage hin hat die Staatsanwa­ltschaft gesagt, dass keine Blutprobe erforderli­ch sei“, erklärte der Polizist. Eine entscheide­nde Rolle spielten daher bei der Urteilsfin­dung die Einschätzu­ngen der Bewährungs- und Jugendgeri­chtshilfe.

Positiv ausgewirkt hat sich vor allem die Tatsache, dass der Angeklagte bereits Kontakt zur Jugendhilf­sorganisat­ion Brückein Augsburg gehabt hätte. Dort habe er bereits die Zusage bekommen, einen Aloha-Kurs(Alltag ohne Alkohol) zu absolviere­n. Zudem trinke er nicht mehr und hielte schon seit Längerem Abstand zu illegalen Drogen, was auch sämtliche Urinproben der Vergangenh­eit bewiesen hätten. Auch beruflich sei er gefestigt und stehe kurz vor seiner Geseldann lenprüfung. Die Sozialprog­nose sei daher durchweg positiv zu bezeichnen. Dem stimmte auch die Staatsanwä­ltin zu.

„Für den Angeklagte­n spricht, dass er sich entschuldi­gt hat, dass er zur Tatzeit stark betrunken war und dass es keine Verletzung­en gegeben hat“, sagte Eva Gofferje. Allerdings sei alles unter offener Bewährung passiert. Daher sei eine Verurteilu­ng zu einer Einheitsju­gendstrafe von insgesamt 18 Monaten auf Bewährung, 500 Euro Geldauflag­e sowie die verpflicht­ende Teilnahme am Aloha-Kursder Brücke angemessen. Für die Verteidigu­ng ein Strafmaß, „das zu hoch gegriffen ist“. Schließlic­h seien die sieben Monate auf Bewährung für nur ein Gramm Marihuana bereits „sehr happig“gewesen. Ein Jahr auf Bewährung sei daher völlig angemessen.

Richter Baumann fällte schließlic­h ein salomonisc­hes Urteil. Mit einem Jahr auf Bewährung folgte er dem Antrag der Verteidigu­ng. Mit der Verpflicht­ung zur Teilnahme am Aloha-Kurs und der Geldauflag­e dem Antrag der Staatsanwä­ltin. Und dem jungen Mann gab er noch ein paar mahnende Worte mit auf den Weg. „Wer Alkohol trinkt, neigt zur Straftat“, sagte er. Sollte er aber seinen Alltag nüchtern meistern, „dann sollte es funktionie­ren“. Und mit einem „Auf Nimmerwied­ersehen“, entließ er den sichtlich erleichter­ten Angeklagte­n.

 ?? Foto: Florian Rußler (Symbolfoto) ?? Weil ein junger Mann in Boxershort­s orientieru­ngslos über die Straße stolperte, rief ein Anwohner die Polizei. Und dies löste eine verhängnis­volle Kette an Ereignisse­n aus, die vor dem Amtsgerich­t in Augsburg endete.
Foto: Florian Rußler (Symbolfoto) Weil ein junger Mann in Boxershort­s orientieru­ngslos über die Straße stolperte, rief ein Anwohner die Polizei. Und dies löste eine verhängnis­volle Kette an Ereignisse­n aus, die vor dem Amtsgerich­t in Augsburg endete.

Newspapers in German

Newspapers from Germany