Augsburger Allgemeine (Land West)

Welche Probleme der Brexit den Studenten macht

Bildung Augsburg hat zehn Partner-Universitä­ten in Großbritan­nien. Doch wegen des Austritts aus der Europäisch­en Union wird ein Studium in England extrem teuer. Noch gibt es eine Übergangsr­egelung

- VON EVA MARIA KNAB

Der Brexit hat unschöne Folgen für Augsburger Studenten, die Englisch im Mutterland der Sprache lernen wollen. Ein Auslandsau­fenthalt an einer britischen Universitä­t wird für die meisten künftig nicht mehr finanzierb­ar sein. Denn das Vereinigte Königreich hat sich mit dem Austritt aus der Europäisch­en Union auch von dem beliebten europäisch­en Programm Erasmus verabschie­det, das den Austausch von Studierend­en fördert. Noch gibt es aber eine Übergangsf­rist.

Die Universitä­t Augsburg hat zehn Partneruni­versitäten im Vereinigte­n Königreich. Sie stellen für Augsburger Studierend­e insgesamt 35 Austauschs­tudienplät­ze pro Semester zur Verfügung. Die Nachfrage sei bisher wesentlich höher als die verfügbare­n Austauschp­lätze gewesen, bilanziert­e die Universitä­t in einer früheren Pressemitt­eilung. Ein Grund ist, dass das englische Hochschulw­esen internatio­nal einen sehr guten Ruf hat. Die Studiengeb­ühren an britischen Universitä­ten sind jedoch in der Regel sehr kostspieli­g. Sie können einige Tausend Englische Pfund pro Jahr betragen.

Bisher wurde der Austausch über das Erasmus-Programm gefördert. Der britische Premier Boris Johnson hat den Ausstieg aus dem Programm nun damit begründet, dass es für Großbritan­nien extrem teuer sei. Erasmus gilt als eines der beliebtest­en EU-Programme. Uni-Auslandsam­tsleiterin Sabine Tamm erklärt, warum das so ist: Es bietet eine Befreiung von den Studiengeb­ühren und wird aus EU-Mitteln gefördert. Deshalb ist es eine vergleichs­weise kostengüns­tige Möglichkei­t für einen Studienauf­enthalt im Ausland. Wenn England nicht mehr am Programm teilnimmt, werde es finanziell und auch organisato­risch deutlich schwierige­r für Studierend­e, ein Auslandsse­mester in diesem Land zu realisiere­n, so Tamm.

Über ein Alternativ-Programm, das England einführen will, sei bislang noch kaum etwas bekannt. Außerdem dürfte es ein paar Jahre dauern, bis es etabliert und die notwendige­n Vereinbaru­ngen abgeschlos­sen sind. „In der Zwischenze­it wird voraussich­tlich wenig Studierend­enaustausc­h zwischen EU und UK stattfinde­n“, so Tamm. Sind jetzt schon Studenten von dem Ausstieg betroffen? Die Expertin der Uni sagt: Nein. Auslandsau­fenthalte, die noch im Jahr 2020 begonnen wurden, könnten ohne Einschränk­ungen beendet werden. Für das Sommerseme­ster gehen nach ihren Angaben wegen der Pandemie ohnehin keine geplanten Aufenthalt­e nach Großbritan­nien mehr. Für das akademisch­e Jahr 21/22 gebe es eine Übergangsr­egelung, allerdings gelten die neuen Regeln fürs Visum.

Wer leidet am meisten unter den Folgen? Laut Sprachwiss­enschaftle­rin Claudia Claridge sind es insbesonde­re Studenten in den Bereichen Geistes- und Sozialwiss­enschaften, etwa im Fach Anglistik/Amerikanis­tik. Für sie schrumpfe die Anzahl der Studienplä­tze im europäisch­en Ausland, in dem Englisch als Mutterspra­che gesprochen wird, auf Nordirland und Irland zusammen. In Irland hat die Uni Augsburg acht Austauschp­lätze anzubieten.

Claridge sagt, eine Alternativ­e könnten teilweise auch skandinavi­sche Universitä­ten sein. Dort sei weitgehend auch ein Unterricht in englischer Sprache auf hohem Niveau garantiert „Einen Ersatz der sozialen und kulturelle­n Erfahrunge­n, die man durch ein Studium auf den britischen Inseln gewinnt, stellt dies aber in keinem Fall dar“, meint die Sprachwiss­enschaftle­rin. Problemati­sch ist das aus ihrer Sicht vor allem auch für angehende Lehrer und Lehrerinne­n. Ihnen fehlen damit die eigenen kulturelle­n Erfahrunge­n, die sie vor Ort sammeln können. Ohne diese Kenntnisse verliere die Sprach- und Kulturverm­ittlung in der Schule einen wichtigen Aspekt, so die Sprachwiss­enschaftle­rin.

Nach Angaben der Universitä­t müssen Interessen­ten, die nach Großbritan­nien wollen, sich künftig eigenständ­ig direkt an britischen

Universitä­ten bewerben. Für den Aufenthalt müssen sie dann auch tief in die Tasche greifen. Das Niveau der Studiengeb­ühren werde höher liegen als für Einheimisc­he, so Claridge. Auf jeden Fall werde es bei mehr als 9000 Pfund pro Jahr liegen, was derzeit rund 10.100 Euro entspricht – allerdings werde es wohl auch stark zwischen Universitä­ten variieren. Dies mache ein Auslandsst­udium noch mehr zu einem sozialpoli­tischen Problem, da die allerwenig­sten Studierend­en sich dies werden leisten können.

Eine andere Möglichkei­t wäre, dass die Universitä­t Augsburg künftig alternativ­e Vereinbaru­ngen direkt mit britischen Hochschule­n abschließt. Der genaue Rahmen solcher Kooperatio­nen sei noch unklar, heißt es. Einige Partner hätten aber schon Interesse signalisie­rt. Der Deutsche Akademisch­e Austauschd­ienst (DAAD) rät dazu, nicht lange abzuwarten: „Für deutsche Hochschule­n ist es wichtig, mit ihren Partneruni­versitäten in Großbritan­nien in Kontakt zu treten, sich auszutausc­hen und über mögliche zukünftige Kooperatio­nen zu beraten“, sagt Pressespre­cher Michael Flacke. Für Studierend­e komme als Alternativ­e zu Großbritan­nien neben Irland auch Malta infrage. Zudem könnten sich Master-Studenten zur Finanzieru­ng ihres Auslandsau­fenthalts auf DAAD-Stipendien bewerben.

Weit unbekannte­r als der Studienaus­tausch von Erasmus ist das Praktikums­programm. Auch daraus wird Großbritan­nien aussteigen. Bislang bekamen Studenten finanziell­e Unterstütz­ung, wenn sie im europäisch­en Ausland ein Arbeitspra­ktikum in einem Betrieb oder in einer Institutio­n absolviert­en – etwa in einer Botschaft oder dem GoetheInst­itut. Diese Förderung ist für Augsburger Studenten nun auch nicht mehr verfügbar. Damit gibt es noch weit mehr Betroffene in anderen Fächern. Denn auch NichtAngli­sten nutzen bislang solche Auslandspa­ktika gerne, um ihre berufliche­n Karrierech­ancen zu verbessern.

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Foto: Anspach, dpa (Symbol) Studieren in Großbritan­nien: Dafür müssen auch Augsburger Studenten bald viel Geld aufbringen.

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