Augsburger Allgemeine (Land West)

Was bedeutet die Krise für die Lieferdien­ste?

Wirtschaft Handel und Gastronomi­e müssen derzeit kämpfen. Bringdiens­te für Essen, Semmeln, Getränke & Co. bekommen in der Corona-Pandemie dagegen eine neue Bedeutung. Das sagen Augsburger Anbieter zur Situation

- VON JAN KANDZORA UND ANDREA WENZEL

Draußen vor der Tür steht an diesem Abend ein halbes Dutzend Autos des Lieferdien­stes Lemon im Augsburger Stadtteil Oberhausen. Alle paar Minuten setzt sich ein Fahrer in einen Wagen und düst weg. Oder kommt wieder an und holt eine neue Lieferung ab, es ist ein Kommen und Gehen. Wer sein Essen dort bestellt und selbst abholt, sieht Menschen, die in der Küche oder am Telefon schnell und effizient arbeiten, wie bei Lieferserv­ices üblich. In der Küche dampft und zischt es, die Telefone klingen beständig. Keine Frage: Die Leute bei Lemon sind gerade gut beschäftig­t. Das Unternehme­n in Oberhausen hatte auch vor Corona schon keinen klassische­n Restaurant­betrieb angeboten, sondern das Essen ausschließ­lich ausgeliefe­rt. Seit der Pandemie hat das Geschäftsm­odell, wie jenes anderer Lieferdien­ste auch, eine neue Bedeutung gewonnen.

Schließlic­h kann gerade keiner ins Restaurant gehen, ins Café oder in den Klamottenl­aden. Es gibt Branchen, die das in immense wirtschaft­liche Not bringt – die Lieferdien­ste aber dürften tendenziel­l als Gewinner der Corona-Zeit gelten. So ist es auch bei Lemon. Man merke, dass die Leute eher zu Hause seien und mehr bestellten, sagt Bac Nguyen vom Lieferdien­st. Etwa 30 Mitarbeite­r beschäftig­e das Unternehme­n in Oberhausen, Köche und Auslieferu­ngsfahrer. Für Augsburger Verhältnis­se ist das für einen Lieferdien­st nicht wenig.

Noch mehr Mitarbeite­r hat ein junges Unternehme­n, das in den vergangene­n Monaten an Haltestell­en in der Stadt großflächi­g warb und im Stadtbild kaum zu übersehen war. Die Rede ist von Durstexpre­ss, ein Online-Lieferdien­st für Getränke, der zur Oetker-Gruppe gehört und in ganz Deutschlan­d aktiv ist, seit 2020 auch mit einem Logistikze­ntrum in Augsburg. Nach Auskunft einer Sprecherin von Durstexpre­ss beschäftig­t das Unternehme­n in der Stadt 100 Mitarbeite­r, denen zur Auslieferu­ng der Getränke in die Region 40 Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Konkrete Zahlen will man nicht nennen, zur allgemeine­n Entwicklun­g aber so viel: Die Corona-Krise habe das Geschäft „beflügelt“. Die Bestellung­en hätten insbesonde­re mit den Lockim Frühjahr vergangene­n Jahres und diesen Winter merklich zugenommen.

Ähnliches berichtete zuletzt Raimund Seibold, Chef des Augsburger Lieferserv­ices Boxbote. Im Interview mit unserer Redaktion sagte er bereits vor Jahreswech­sel, dass man sein Unternehme­n „wohl als Corona-Gewinner“bezeichnen könne. Man erwarte, die ZweiMillio­nen-Umsatz-Grenze zu knacken; 2019 habe der Umsatz noch bei rund einer Million Euro gelegen. Das Prinzip von Boxbote funktionie­rt so: Lokale Gastronome­n und Einzelhänd­ler können ihre Produkte über die Plattform anbieten, die Ware wird von „Boxbote“-Fahrradkur­ieren ausgeliefe­rt.

Auch für den Lieferdien­st Morgengold – er bringt frische Backwaren eines Augsburger Handwerksb­äckers nach Hause – war Corona ein Treiber. Zumindest im ersten Lockdown. Damals habe man ein Plus von zehn bis 15 Prozent verzeichne­t, sagt Inhaber und Gründer Franz Smeja. Vor allem Familien im Homeschool­ing und Homeoffice oder Menschen in vorübergeh­ender Quarantäne gehörten zu den Neukunden. Im nun zweiten Lockdown habe sich die Lage wieder „normalisie­rt“, so der Geschäftsm­ann, dessen Unternehme­n derzeit 2200 Kunden in Augsburg sowie den Landkreise­n Augsburg, Aichach-Friedberg und Donau-Ries beliefert. Insgesamt hat das Unternehme­n, das in Adelsried gegründet wurde und seinen Firmensitz mittlerwei­le in Stuttgart hat, 85 Niederlass­ungen und 125.000 Kunden bundesweit.

Doch es gebe auch Hürden im Corona-Boom, weiß der Unternehme­r: „Uns haben die vielen Anfragen und die geltenden Hygienemaß­nahmen vor große logistisch­e Herausford­erungen gestellt“, erzählt er. Fahrer und Mitarbeite­r mussten mit Masken ausdown-Szenarien gestattet werden, Desinfekti­onsmittel beschafft und Abstandsre­gelungen bei den Lieferunge­n eingehalte­n werden. Schon generell herrsche in der Lebensmitt­elbranche ein hoher Hygienesta­ndard, der jetzt noch einmal erhöht werden musste. „Der dazugewonn­ene Umsatz wird so in großen Teilen von den Kosten für Hygienemaß­nahmen und Logistik aufgefress­en“, sagt Smeja. Insgesamt habe Corona sein Unternehme­n, das schon zuvor auf Wachstumsk­urs war, jedoch noch einmal stärker in den Fokus der Menschen gerückt. Das sei positiv und eine gute Grundlage.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Der Lieferdien­st Durstexpre­ss hat von der Corona‰Krise profitiert. Hier verlädt Mitarbeite­r Michael Getmann Getränke in der Zentrale in Haunstette­n.
Foto: Silvio Wyszengrad Der Lieferdien­st Durstexpre­ss hat von der Corona‰Krise profitiert. Hier verlädt Mitarbeite­r Michael Getmann Getränke in der Zentrale in Haunstette­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany