Augsburger Allgemeine (Land West)
Das werden die größten Prozesse 2021
Justiz In den kommenden Monaten werden in Augsburg diverse Verfahren stattfinden. Darunter vermutlich auch einige besonders spektakuläre Verhandlungen. Ein Überblick
Der Aufwand hätte kaum größer sein können. Als die Ermittler im Oktober 2019 Firmengebäude und Wohnungen in Augsburg durchsuchten, um kriminelle Machenschaften in der Pflege-Branche aufzudecken, klopften nicht einfach ein paar Polizisten an ein paar Türen. Es waren gleich 500 Beamte im Einsatz, die rund 170 Büros und Privatadressen durchforsteten und so viele Akten, Unterlagen und Datenträger beschlagnahmten, dass das Beweismaterial eine ganze Halle bei der Augsburger Polizei füllte. Eine größere Razzia hatte es in der Stadt sehr lange nicht gegeben, wenn überhaupt jemals. Doch der gewaltige Einsatz brachte juristisch bislang nicht viele Ergebnisse. Dies könnte sich allerdings bald ändern.
Der Verdacht hinter dem gigantischen Ermittlungsverfahren: Acht der rund 60 Pflegedienste in Augsburg sollen Pflege- und Krankenkassen sowie Sozialhilfeträger betrogen haben. Darunter war etwa ein größerer Pflegedienst mit Sitz in Lechhausen, der bereits alleine eine Krankenkasse in Millionenhöhe geschädigt haben soll. Es geht in den Ermittlungen vor allem um Pflegedienste, die sich an eine russischsprachige Zielgruppe richten und teils auch mit russischen Sprachkenntnissen warben. Sie sollen Abrechnungen gefälscht haben, um Geld für scheinbar pflegebedürftige Patienten zu kassieren, die aber in Wirklichkeit gesünder waren als angegeben. So konnten die Firmen den Ermittlungen zufolge Leistungen abrechnen, die nie erbracht worden waren.
Im Zentrum der Ermittlungen steht ein unscheinbarer Geschäftsmann aus Augsburg, 38 Jahre alt. Die meisten Verdächtigen im Pflege-Komplex kamen im Laufe der Monate wieder frei; er sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft. Bei der Razzia fanden die Polizisten bei ihm sieben Millionen Euro in bar. Es ist absehbar, dass er bald angeklagt wird – ein Prozess noch in diesem Jahr ist wahrscheinlich, schließlich gilt bei Verdächtigen, die in U-Haft sitzen, eine besondere Eile. Es wird nicht der einzige
Prozess bleiben, der vermutlich in diesem Jahr vor den Augsburger Gerichten stattfindet. Wir geben einen Überblick:
● Schüsse in einer NettoFiliale: Im Juni vergangenen Jahres eskalierte ein Polizeieinsatz im Netto-Supermarkt am Königsplatz, ein 19-jähriger mutmaßlicher Ladendieb wurde durch Schüsse der Polizei schwer verletzt. Bereits vor Monaten hieß es, dass die Ermittlungen gegen den jungen Mann, der in dem Geschäft ein Feuer gelegt haben soll, sich dem Abschluss nähern. Sie liefen unter anderem wegen des Verdachts auf versuchten Totschlag, versuchter schwerer Brandstiftung und eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Ein Ladendetektiv hatte den jungen Mann offenbar dabei beobachtet, wie er Alkohol stehlen wollte.
Als die Polizei eintraf, soll der 19-Jährige die Beamten mit einem Messer bedroht und sich dann in einem Raum verbarrikadiert haben. Während die Streife auf Verstärkung wartete, legte er dann offenbar ein Feuer. Im Zuge des Zugriffs sei dann auf den Mann geschossen worden, hieß es von der Augsburger Polizei später. Der 19-Jährige wurde durch die Schüsse schwer verletzt und sitzt in U-Haft. Auch in seinem Fall ist absehbar, dass noch in diesem Jahr ein Prozess gegen ihn stattfinden wird.
● Tödlicher MesserAngriff in Pfer see: Im November wurde der Augsburger Stefan D., 28, an einer Bushaltestelle in Pfersee mit einem Messerstich getötet. Die 19 Jahre alte Fabienne K. soll nach einem Streit zugestochen haben, die Ermittler werfen ihr derzeit Totspektakuläre schlag vor. Sie sitzt in Untersuchungshaft in Aichach. Laut rechtsmedizinischen Untersuchungen starb der 28-Jährige durch einen Messerstich in den unteren Halsbereich. Der Streit hatte sich an einem Freitagabend gegen 18.30 Uhr in der Chemnitzer Straße an der Haltestelle Uhlandstraße zugetragen. Der 28-Jährige stand dort wohl, als das Paar vorbeikam. Es entwickelte sich laut Ermittlungen eine Auseinandersetzung, die tödlich endete.
Da die tödliche Gewalttat an der Bushaltestelle erst zwei Monate her ist, ist noch nicht absehbar, ob es bereits in diesem Jahr zu einem wahrscheinlichen Prozess gegen Fabienne K. kommen wird. Es ist allerdings sicher nicht ausgeschlossen, dass die Staatsanwaltschaft die 19-Jährige später im Jahr anklagt und der Fall noch 2021 am Landgericht verhandelt wird.
● BuskartellProzess: Eigentlich lief der Prozess um das mutmaßliche Buskartell bereits 2020 vor dem Landgericht. Doch Corona ließ die Verhandlung zunächst platzen. Weil die Zahlen in den Wintermonaten stark stiegen, setzten die Richter den Prozess aus. Das heißt: Er wird noch einmal komplett neu gestartet, vermutlich etwas später im Jahr, sobald die Corona-Zahlen gesunken sind. Angeklagt sind sechs Busunternehmer, denen vorgeworfen wird, den Wettbewerb im öffentlichen Nahverkehr in der Region durch Absprachen behindert zu haben. Vier der sechs angeklagten Firmenchefs sind älter als 70 und gehören damit zur Risikogruppe, die bei einer Infektion mit besonders schweren Folgen rechnen muss.