Augsburger Allgemeine (Land West)
Kampf um den Impfstoff
Pandemie Weil der Landkreis Augsburg derzeit keine Lieferungen erhält, fällt die versprochene Terminvergabe für eine Impfung erst einmal flach. Für Unmut sorgt auch die Frage, wer das knappe Gut zuerst bekommen soll
Landkreis Augsburg Josef Nuber hat noch immer keinen Impftermin. Dabei gehört der Gersthofer mit seinen 93 Jahren zur Risikogruppe und sollte eigentlich einer der Ersten sein, die den Piks bekommen. Sein Beispiel ist nur eines von vielen, doch es macht deutlich: Es gibt zu wenig Impfstoff im Kreis Augsburg. Nuber muss sich wie alle anderen über 80-Jährigen, die nicht in einem Pflegeheim leben, weiter gedulden. Anders als versprochen können sie weiterhin keinen Termin zur Impfung vereinbaren. Woran liegt das?
Etwa ein Prozent der Landkreisbürger hat bislang die erste Spritze bekommen. Die rund 2500 Dosen gingen hauptsächlich an Bewohner und Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen. Am Dienstag sollte die nächste Gruppe an der Reihe sein: die über 80-Jährigen. Doch am Wochenende ruderte der Landkreis zurück: Lieferengpass. „Leider völlig unvorhersehbar“, erklärte Landrat Martin Sailer. Wann die ersten der Gruppe der über 80-Jährigen im Kreis Augsburg geimpft werden ist damit weiter unklar. Sailer bittet um „Verständnis und noch etwas Geduld“. Doch Verständnis für die Terminvergabe können viele mittlerweile nicht mehr aufbringen.
Denn einen Termin ausmachen, das sollen zunächst nur diejenigen können, die am Freitag vom Landkreis per Post angeschrieben wurden. Rund 3300 Senioren über 80 Jahre und damit nur ein Fünftel dieser Gruppe sind das. Wer zuerst an der Reihe ist, wurde im Kreis ausgelost. „Dieses Vorgehen ist unseres Alters und des lebensbedrohenden Anliegens nicht würdig“, sagt der 93-jährige Josef Nuber. „Die Terminvergabe ist doch kein LottoSpiel“, kritisiert der Gersthofer. Es gehe ihm nicht darum, jemand anderem den Impfstoff wegzunehmen, sondern schlicht darum, einen Termin zur Impfung zu bekommen. Schließlich sei das in anderen Landkreisen auch möglich.
Im Kreis Augsburg gibt es – wie in ganz Bayern – bislang lediglich die
Möglichkeit, sich für eine Impfung zu registrieren. Wichtig zu wissen: Dadurch wird noch kein Termin vereinbart. Durch die Registrierung soll später das Verteilen der Termine leichter werden, sobald ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht.
Die aktuelle Situation machen sich offenbar Trickbetrüger zunutze. Sie gaben sich zuletzt unter anderem in Langweid als Mitarbeiter mobiler Impfteams aus, um sich so Zutritt zu den Wohnungen zu verschaffen.
Tatsächlich zur Impfung registrieren kann man sich unter www.impfzentren.bayern. Doch auch das ist nicht immer einfach. Das zeigt das Beispiel von Brigitte Helber aus Diedorf. Helbers 86-jährige Schwiegermutter wollte sich im Internet für die Impfung registrieren. Helber wollte
technischer Probleme helfen und rief beim Gablinger Impfzentrum an. Dort wusste man aber offenbar nicht weiter. Kurz darauf habe ihre Schwiegermutter Post vom Landratsamt bekommen, dass sie sich nun unter einer Telefonnummer für einen Impftermin anmelden kann. Damit gehört sie zu der Gruppe, die am Freitag vom Kreis angeschrieben wurde. Doch als Brigitte Helber unter der angegebenen Numwegen mer anrief, kam die Ernüchterung: „Da ging nur ein Anrufbeantworter dran und es wurde erklärt, dass keine Termine vereinbart werden können, weil es keinen Impfstoff gibt.“
Weil der Stoff so knapp ist, will der Kreis unter keinen Umständen etwas davon vergeuden. Zu diesem Zweck gibt es sogenannte Hop-OnListen mit Ersatzkandidaten. Darunter finden sich laut Landratsamt Menschen, die wegen ihres Berufs vor anderen geimpft werden sollen, zum Beispiel Sanitäter aber auch Feuerwehrmänner. Entscheidend sei außerdem, dass die Kandidaten möglichst schnell zur Impfung vor Ort sein können. Gerüchte darüber, dass in den vergangenen Wochen Impfstoff weggeschmissen wurde, weil sich kein Ersatzkandidat gefunden hatte, weist das Landratsamt zurück.
Unter denjenigen, die als Ersatz kurzfristig einsprangen, war auch ein Feuerwehrmann aus dem Landkreis, der anonym bleiben möchte. Er sei kurzfristig ins Zentrum nach Gablingen gerufen worden, um seine Ersatzimpfung zu bekommen. Mit ihm seien auch einige Feuerwehrleute von kleineren Wehren geimpft worden. Gleichzeitig kennt der Mann aber Mitarbeiter im medizinischen Bereich, die noch nicht geimpft wurden und auch nicht auf der Ersatzliste stehen, wie er sagt.
Das sorgt auch bei der Neusässer Ärztin Dr. Uta Roth-Zentner für Unverständnis. Sie habe als Hausärztin seit Beginn der Krise direkten Kontakt zu Corona-Patienten. Von der Politik erwarte sie, dass sie und ihre Kollegen deshalb als eine der ersten geimpft werden. „Leider findet das nicht statt“, kritisiert RothZentner. Auch auf die Ersatzlisten habe man sie als niedergelassene Ärztin nicht setzen wollen. Klare Regeln dazu, wie innerhalb der Liste der Ersatzkandidaten im Einzelfall entschieden wird, gibt es im Landkreis offenbar nicht. Das Landratsamt teilt auf Nachfrage dazu mit: „Je nachdem, welche Menge an Rest-Impfstoff kurzfristig über die Hop-onListen vergeben werden kann, wird entschieden, wer hierfür kurzfristig aufgerufen wird.“