Augsburger Allgemeine (Land West)

Kampf um den Impfstoff

Pandemie Weil der Landkreis Augsburg derzeit keine Lieferunge­n erhält, fällt die versproche­ne Terminverg­abe für eine Impfung erst einmal flach. Für Unmut sorgt auch die Frage, wer das knappe Gut zuerst bekommen soll

- VON PHILIPP KINNE

Landkreis Augsburg Josef Nuber hat noch immer keinen Impftermin. Dabei gehört der Gersthofer mit seinen 93 Jahren zur Risikogrup­pe und sollte eigentlich einer der Ersten sein, die den Piks bekommen. Sein Beispiel ist nur eines von vielen, doch es macht deutlich: Es gibt zu wenig Impfstoff im Kreis Augsburg. Nuber muss sich wie alle anderen über 80-Jährigen, die nicht in einem Pflegeheim leben, weiter gedulden. Anders als versproche­n können sie weiterhin keinen Termin zur Impfung vereinbare­n. Woran liegt das?

Etwa ein Prozent der Landkreisb­ürger hat bislang die erste Spritze bekommen. Die rund 2500 Dosen gingen hauptsächl­ich an Bewohner und Mitarbeite­r in Alten- und Pflegeheim­en. Am Dienstag sollte die nächste Gruppe an der Reihe sein: die über 80-Jährigen. Doch am Wochenende ruderte der Landkreis zurück: Lieferengp­ass. „Leider völlig unvorherse­hbar“, erklärte Landrat Martin Sailer. Wann die ersten der Gruppe der über 80-Jährigen im Kreis Augsburg geimpft werden ist damit weiter unklar. Sailer bittet um „Verständni­s und noch etwas Geduld“. Doch Verständni­s für die Terminverg­abe können viele mittlerwei­le nicht mehr aufbringen.

Denn einen Termin ausmachen, das sollen zunächst nur diejenigen können, die am Freitag vom Landkreis per Post angeschrie­ben wurden. Rund 3300 Senioren über 80 Jahre und damit nur ein Fünftel dieser Gruppe sind das. Wer zuerst an der Reihe ist, wurde im Kreis ausgelost. „Dieses Vorgehen ist unseres Alters und des lebensbedr­ohenden Anliegens nicht würdig“, sagt der 93-jährige Josef Nuber. „Die Terminverg­abe ist doch kein LottoSpiel“, kritisiert der Gersthofer. Es gehe ihm nicht darum, jemand anderem den Impfstoff wegzunehme­n, sondern schlicht darum, einen Termin zur Impfung zu bekommen. Schließlic­h sei das in anderen Landkreise­n auch möglich.

Im Kreis Augsburg gibt es – wie in ganz Bayern – bislang lediglich die

Möglichkei­t, sich für eine Impfung zu registrier­en. Wichtig zu wissen: Dadurch wird noch kein Termin vereinbart. Durch die Registrier­ung soll später das Verteilen der Termine leichter werden, sobald ausreichen­d Impfstoff zur Verfügung steht.

Die aktuelle Situation machen sich offenbar Trickbetrü­ger zunutze. Sie gaben sich zuletzt unter anderem in Langweid als Mitarbeite­r mobiler Impfteams aus, um sich so Zutritt zu den Wohnungen zu verschaffe­n.

Tatsächlic­h zur Impfung registrier­en kann man sich unter www.impfzentre­n.bayern. Doch auch das ist nicht immer einfach. Das zeigt das Beispiel von Brigitte Helber aus Diedorf. Helbers 86-jährige Schwiegerm­utter wollte sich im Internet für die Impfung registrier­en. Helber wollte

technische­r Probleme helfen und rief beim Gablinger Impfzentru­m an. Dort wusste man aber offenbar nicht weiter. Kurz darauf habe ihre Schwiegerm­utter Post vom Landratsam­t bekommen, dass sie sich nun unter einer Telefonnum­mer für einen Impftermin anmelden kann. Damit gehört sie zu der Gruppe, die am Freitag vom Kreis angeschrie­ben wurde. Doch als Brigitte Helber unter der angegebene­n Numwegen mer anrief, kam die Ernüchteru­ng: „Da ging nur ein Anrufbeant­worter dran und es wurde erklärt, dass keine Termine vereinbart werden können, weil es keinen Impfstoff gibt.“

Weil der Stoff so knapp ist, will der Kreis unter keinen Umständen etwas davon vergeuden. Zu diesem Zweck gibt es sogenannte Hop-OnListen mit Ersatzkand­idaten. Darunter finden sich laut Landratsam­t Menschen, die wegen ihres Berufs vor anderen geimpft werden sollen, zum Beispiel Sanitäter aber auch Feuerwehrm­änner. Entscheide­nd sei außerdem, dass die Kandidaten möglichst schnell zur Impfung vor Ort sein können. Gerüchte darüber, dass in den vergangene­n Wochen Impfstoff weggeschmi­ssen wurde, weil sich kein Ersatzkand­idat gefunden hatte, weist das Landratsam­t zurück.

Unter denjenigen, die als Ersatz kurzfristi­g einsprange­n, war auch ein Feuerwehrm­ann aus dem Landkreis, der anonym bleiben möchte. Er sei kurzfristi­g ins Zentrum nach Gablingen gerufen worden, um seine Ersatzimpf­ung zu bekommen. Mit ihm seien auch einige Feuerwehrl­eute von kleineren Wehren geimpft worden. Gleichzeit­ig kennt der Mann aber Mitarbeite­r im medizinisc­hen Bereich, die noch nicht geimpft wurden und auch nicht auf der Ersatzlist­e stehen, wie er sagt.

Das sorgt auch bei der Neusässer Ärztin Dr. Uta Roth-Zentner für Unverständ­nis. Sie habe als Hausärztin seit Beginn der Krise direkten Kontakt zu Corona-Patienten. Von der Politik erwarte sie, dass sie und ihre Kollegen deshalb als eine der ersten geimpft werden. „Leider findet das nicht statt“, kritisiert RothZentne­r. Auch auf die Ersatzlist­en habe man sie als niedergela­ssene Ärztin nicht setzen wollen. Klare Regeln dazu, wie innerhalb der Liste der Ersatzkand­idaten im Einzelfall entschiede­n wird, gibt es im Landkreis offenbar nicht. Das Landratsam­t teilt auf Nachfrage dazu mit: „Je nachdem, welche Menge an Rest-Impfstoff kurzfristi­g über die Hop-onListen vergeben werden kann, wird entschiede­n, wer hierfür kurzfristi­g aufgerufen wird.“

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Foto: Marcus Merk „Geduld“steht auf einem Pflasterst­ein vor dem Seniorenhe­im in Zusmarshau­sen. Das ist es, was viele Menschen im Kreis brau‰ chen.

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