Augsburger Allgemeine (Land West)
Erste Banken im Landkreis erheben Strafzinsen
Finanzen Seit Jahresbeginn verlangen Banken im Kreis für hohe Sparguthaben von Privatkunden Negativzinsen
Landkreis Augsburg In der CoronaPandemie halten die Menschen ihr Geld noch mehr zusammen als zuvor. Zudem fallen ja Ausgaben für Urlaub aus. Doch alles auf die hohe Kante zu legen lohnt sich nicht immer. Seit Jahresanfang erheben immer mehr Bankhäuser Negativzinsen für Spareinlagen. Das ist genau der Betrag, den sie selbst auch auf dem freien Markt zahlen müssen, wenn sie Geld anlegen.
Die Kreissparkasse Augsburg erklärt die Entwicklung so: „Das allgemeine Zinsniveau ist in den letzten Jahren massiv gesunken und inzwischen in großen Teilen negativ. Kreditinstitute bezahlen für Geld, das sie bei der EZB anlegen, einen Negativzinssatz von 0,5 Prozent. Kredite und Darlehen bringen nur wenig Zins, weil alle Kreditinstitute unter dem Druck stehen, Finanzierungen zu vergeben, und damit ein starker Wettbewerb entsteht, der zu noch niedrigeren Zinsen und Margen führt.“
Auch die Kreissparkasse stellt einen verstärkten Geldzufluss fest, so ein Sprecher. Vorhandene Liquidität suche sich einen „Landeplatz“.
„Diese Situation verschlechtert die Rentabilität auch der Kreissparkasse und zwingt uns zu reagieren.“Daher wurde wie in vielen anderen Banken ab 1. Januar das „Verwahrentgelt“eingeführt.
Bei neuen Privatkunden gilt ein Freibetrag bei Tagesgeld- und Girokonten von 25.000 Euro, für Sparbücher 50.000 Euro je Kunde.
Mit Bestandskunden werden individuelle Gespräche geführt. Die Kreissparkasse habe Freibeträge vorgesehen, um die Auswirkung dieser Verwahrentgelte auf „Normalsparer“so gering wie möglich zu halten. Nach einer ersten Schätzung bleiben laut Kreissparkasse über 90 Prozent der Kunden unterhalb der Freibeträge und müssen damit keine Negativzinsen bezahlen. Ziel sei es, mit jedem Kunden Lösungen zu finden, um Verwahrentgelt zu vermeiden, z. B. durch Wertpapiere, Immobilien oder auch Sachwerte wie Gold.
So sieht auch das Geschäftsverständnis bei der Raiffeisenbank Augsburg Land West mit Sitz in Zusmarshausen aus. „Wir können dem Kunden alles bieten, wenn wir miteinander reden“, so Vorstand Hermann Scherer. Was er damit meint: Wer sein Geld nicht nur auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto anspart, sondern bereit ist, aus der Fülle der Anlagemöglichkeiten vom Aktienmarkt bis zu Edelmetallen zu schöpfen, der muss bei der Raiffeisenbank keine Negativzinsen zahlen. Mehr noch: Es sei immer noch möglich, sein Geld über der Inflationsgrenze hinaus anzulegen, sprich, an seinem Geld zu verdienen.
Die Grenze, ab der die 0,5 Prozent Negativzinsen fällig werden, liegt übrigens bei der Bank in Zusmarshausen hoch, nämlich bei 110.000 Euro pro Person. Betroffen seien aber dennoch nicht wenige der
Kunden der Bank, so Scherer. Die Raiba verwaltet 1,8 Milliarden Einlagen ihrer 30.000 Kunden – was einem durchschnittlichen Guthaben von 60.000 Euro entspricht. Vor diesem Hintergrund und der Pandemie, in der aktuell auch kaum große Ausgaben getätigt würden, falle zudem das Geschäft mit Krediten geringer aus. „Wer kauft jetzt schon ein Auto?“, beschreibt es Hermann Scherer.
Schließlich habe das Sparen in Schwaben Tradition, so Hermann Scherer. „Die Menschen waren es hier immer gewohnt, etwas auf die Seite zu legen“, sagt er. Dazu komme ein hoher Anteil an Immobilienbesitz. Inzwischen sei das reine Sparen aber praktisch eine Geldvernichtung. „Bei etwa zwei Prozent Inflation müssten die Zinsen auf jeden Fall über zwei Prozent liegen, um an seinem Guthaben auf der Bank verdienen zu können, ergänzt Scherers Vorstandskollege Karl Rau.
Dass dem schon lange nicht mehr so sei, sei auch und vor allem eine politische Entscheidung. „Ein Korsett, in das die Banken gedrückt werden“, beschreibt es Hermann Scherer. Auf der anderen Seite bedeute die Zinspolitik freilich, dass
Schuldenmachen günstig sei – auch für den Staat. „Wir waren eine der letzten Banken, die diese Negativzinsen eingeführt hat“, berichtet die Leiterin der Bereiche Private Banking und Unternehmenskunden bei der VR-Bank Handels- und Gewerbebank in Gersthofen, Simone Huber. Was im vergangenen Jahr dazu geführt habe, dass eine ganze Reihe von Kunden, auch Neukunden, hohe Beträge von anderen Geldhäusern in der Region zur VR-Bank transferiert hätten. Mit der Folge, dass die Bank selbst auf dem Geldmarkt Negativzinsen in Höhe von 0,5 Prozent zahlen musste.
Genau dieser Betrag werde jetzt an Neukunden, aber auch an einige Bestandskunden im Privatgeschäft, weitergegeben. Allerdings erst bei „sehr hohen Einlagen“, so Simone Huber. Sie gibt ein Beispiel: „Mit einer Einlage von 50.000 Euro ist man noch weit von den Negativzinsen entfernt“, sagt sie. „Der durchschnittliche Privatkunde zahlt nicht“, macht sie klar.
Diese Konditionen gelten übrigens nicht allein für Privat-, sondern auch für Unternehmenskunden. Auch bei ihnen werden bei hohen Einlagen 0,5 Prozent Negativzinsen fällig.