Augsburger Allgemeine (Land West)
Viele Büros sind wie leer gefegt
Berufsalltag Im Corona-Lockdown soll es viel mehr Homeoffice in Firmen und Behörden geben. Das Neusässer Rathaus wechselt aber jetzt in ein Schichtmodell. Es gibt jedoch auch Skepsis
Landkreis Augsburg Homeoffice, wann immer es geht. Diese Devise der Bundesregierung ist klar. Die meisten Arbeitgeber schicken daher noch mehr Leute zum Arbeiten nach Hause. Auch das Neusässer Rathaus, das seit dem Sommer wieder normal gearbeitet hat, geht ab jetzt zu einem Schichtbetrieb über. In Firmen sind Büroetagen so gut wie verwaist.
„Wir sind zu zweit auf einer Etage“, schildert die Sprecherin des MVV Industrieparks in Gersthofen, Ingrid Knöpfle, die Situation. Das Zwischenmenschliche unter Kollegen bleibe leider auf der Strecke, bedauert die langjährige Mitarbeiterin. „Fast alle sind bei uns weg, mehr geht nicht mehr.“Knöpfle redet hier vom kaufmännischen Bereich. Bei den anderen Tätigkeiten im Industriepark ist man zu Schichtmodellen übergegangen. Wegen des Datenschutzes müssen die Büromitarbeiter den Dienst-Laptop mit nach Hause nehmen.
Bei der Firma Sortimo in Zusmarshausen, wo sonst in Großraumbüros gearbeitet wird, wird das Homeoffice noch einmal verstärkt. Laut Sortimo sind alle Angestellten daheim, die die Möglichkeit dazu haben, zu Hause zu arbeiten. Dies seien rund 80 Prozent, schätzt eine Sprecherin. Bereits im März war der Hersteller von Fahrzeugeinrichtungen zur Heimarbeit übergegangen. Auch sonst galten und gelten strenge Hygieneregeln, wie zum Beispiel Mundschutz beim Verlassen des Schreibtischs. Auch die SortimoSprecherin sagt, dass den Mitarbeitern zwar der Kontakt fehle, die Sicherheit für die Gesundheit aber für die meisten Vorrang habe. Die Arbeiter in der Produktion sind auf mehrere Hallen verteilt worden, und die Schichten hat die Firma so umgestellt, dass im Falle einer Infektion eine Gruppe nicht in Quarantäne müsste.
Bei Airbus Helicopters in Donauwörth, bei dem auch Mitarbeiter aus dem Landkreis Augsburg arbeiten, sind derzeit laut Unternehmen etwa 1250 der 6500 Mitarbeiter im Homeoffice. „Da wir Hubschrauber herstellen, arbeiten aber natürlich viele unserer Mitarbeiter im Werk an den Maschinen“, teilt der stellvertretende Pressesprecher Jörg Michel auf Anfrage mit. In der Produktion sowie in Bereichen, für die Anlagen, Instrumente, SpezialRechner oder IT-Equipment erfor
sind, sei es schlichtweg nicht möglich, von zu Hause aus zu arbeiten.
Schwerer als Firmen tun sich Behörden, so gut wie alle Mitarbeiter heimzuschicken. So waren im Rathaus Neusäß bisher nur einzelne Mitarbeiter unter bestimmten Bedingungen (zum Beispiel Quarantäne oder fehlende Kinderbetreuung) im Homeoffice tätig. Die Aufrechterhaltung des Parteiverkehrs bleibe in bestimmten Bereichen und dringenden Fällen notwendig, erklärt Bürgermeister Richard Greiner das bisherige Vorgehen. Nicht alle Verwaltungstätigkeiten könnten von zu Hause aus in vollem Umfang und sinnvoll erledigt werden, etwa wenn Aktenzugriff notwendig ist oder wenn Mitarbeiter, die weiter weg wohnen, Ortstermine im Stadtgebiet wahrnehmen müssen. Greiner weist zudem auf das Problem des Datenschutzes hin. Er sieht Homeoffice noch aus anderem Grund kritisch: „Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass sogenannte ,Reibungsverluste‘ unvermeidlich sind. Die Menge der Arbeitsergebnisse (,Output‘) kann geringer ausfallen.“
Da es um Kontaktreduzierung als einen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie geht, wird im Neusässer wieder Zweischichtbetrieb mit mobilem Arbeiten eingeführt. Dieses Modell wurde bereits im ersten Lockdown praktiziert. Die Belegschaft wird in zwei Schichten eingeteilt, die tageweise abwechselnd im Büro und zu Hause arbeiten. So sind jeweils nur etwa 50 Prozent der Belegschaft im Rathaus.
Im Landratsamt verfügen von den knapp über 1000 Mitarbeitern über die Hälfte (ca. 530) über einen Telearbeitszugang. Zudem stehen noch einige offene Anträge aus, die der IT-Support abarbeitet. Doch nicht alle Stellen seien für Heimarbeit geeignet, erklärt Sprecher Jens Reitlinger. Als Beispiele nennt er die Zulassungsstelle, den Bauhof oder die Poststelle. Grundsätzlich gelte im Landratsamt Augsburg: „Wer seine Arbeit von zu Hause erledigen kann und das möchte, erhält die Möglichkeit dazu.“
Zweischichtbetrieb gilt im Gersthofer Rathaus für alle 100 Mitarbeiter seit dem Frühjahr mit einer kurzen Pause im Sommer. „Zu Beginn war die IT eine Mammutaufgabe, aber das läuft inzwischen“, sagt Pressesprecherin Ann-Christin Joder. Im Rathaus sei jedes Doppelbüro nur mit einer Person besetzt. „Es darf auch keine gemeinsamen Pauderlich sen geben, wir sehen uns alle wenig“, bedauert Joder. Auch Bürgermeister Michael Wörle gehöre zu einer Schicht. Bei ihm reihe sich an manchen Tagen eine Videokonferenz an die andere. Joder beobachRathaus tet, dass durch die lange Zeit des Homeoffice und des Lockdowns viele Mitarbeiter sehr froh sind, wenn ihre Büroschicht ansteht. „Viele sind dann ganz glücklich, mal wieder rauszukommen.“