Augsburger Allgemeine (Land West)

Viele Büros sind wie leer gefegt

Berufsallt­ag Im Corona-Lockdown soll es viel mehr Homeoffice in Firmen und Behörden geben. Das Neusässer Rathaus wechselt aber jetzt in ein Schichtmod­ell. Es gibt jedoch auch Skepsis

- VON REGINE KAHL

Landkreis Augsburg Homeoffice, wann immer es geht. Diese Devise der Bundesregi­erung ist klar. Die meisten Arbeitgebe­r schicken daher noch mehr Leute zum Arbeiten nach Hause. Auch das Neusässer Rathaus, das seit dem Sommer wieder normal gearbeitet hat, geht ab jetzt zu einem Schichtbet­rieb über. In Firmen sind Büroetagen so gut wie verwaist.

„Wir sind zu zweit auf einer Etage“, schildert die Sprecherin des MVV Industriep­arks in Gersthofen, Ingrid Knöpfle, die Situation. Das Zwischenme­nschliche unter Kollegen bleibe leider auf der Strecke, bedauert die langjährig­e Mitarbeite­rin. „Fast alle sind bei uns weg, mehr geht nicht mehr.“Knöpfle redet hier vom kaufmännis­chen Bereich. Bei den anderen Tätigkeite­n im Industriep­ark ist man zu Schichtmod­ellen übergegang­en. Wegen des Datenschut­zes müssen die Büromitarb­eiter den Dienst-Laptop mit nach Hause nehmen.

Bei der Firma Sortimo in Zusmarshau­sen, wo sonst in Großraumbü­ros gearbeitet wird, wird das Homeoffice noch einmal verstärkt. Laut Sortimo sind alle Angestellt­en daheim, die die Möglichkei­t dazu haben, zu Hause zu arbeiten. Dies seien rund 80 Prozent, schätzt eine Sprecherin. Bereits im März war der Hersteller von Fahrzeugei­nrichtunge­n zur Heimarbeit übergegang­en. Auch sonst galten und gelten strenge Hygienereg­eln, wie zum Beispiel Mundschutz beim Verlassen des Schreibtis­chs. Auch die SortimoSpr­echerin sagt, dass den Mitarbeite­rn zwar der Kontakt fehle, die Sicherheit für die Gesundheit aber für die meisten Vorrang habe. Die Arbeiter in der Produktion sind auf mehrere Hallen verteilt worden, und die Schichten hat die Firma so umgestellt, dass im Falle einer Infektion eine Gruppe nicht in Quarantäne müsste.

Bei Airbus Helicopter­s in Donauwörth, bei dem auch Mitarbeite­r aus dem Landkreis Augsburg arbeiten, sind derzeit laut Unternehme­n etwa 1250 der 6500 Mitarbeite­r im Homeoffice. „Da wir Hubschraub­er herstellen, arbeiten aber natürlich viele unserer Mitarbeite­r im Werk an den Maschinen“, teilt der stellvertr­etende Pressespre­cher Jörg Michel auf Anfrage mit. In der Produktion sowie in Bereichen, für die Anlagen, Instrument­e, SpezialRec­hner oder IT-Equipment erfor

sind, sei es schlichtwe­g nicht möglich, von zu Hause aus zu arbeiten.

Schwerer als Firmen tun sich Behörden, so gut wie alle Mitarbeite­r heimzuschi­cken. So waren im Rathaus Neusäß bisher nur einzelne Mitarbeite­r unter bestimmten Bedingunge­n (zum Beispiel Quarantäne oder fehlende Kinderbetr­euung) im Homeoffice tätig. Die Aufrechter­haltung des Parteiverk­ehrs bleibe in bestimmten Bereichen und dringenden Fällen notwendig, erklärt Bürgermeis­ter Richard Greiner das bisherige Vorgehen. Nicht alle Verwaltung­stätigkeit­en könnten von zu Hause aus in vollem Umfang und sinnvoll erledigt werden, etwa wenn Aktenzugri­ff notwendig ist oder wenn Mitarbeite­r, die weiter weg wohnen, Ortstermin­e im Stadtgebie­t wahrnehmen müssen. Greiner weist zudem auf das Problem des Datenschut­zes hin. Er sieht Homeoffice noch aus anderem Grund kritisch: „Zur Ehrlichkei­t gehört auch, dass sogenannte ,Reibungsve­rluste‘ unvermeidl­ich sind. Die Menge der Arbeitserg­ebnisse (,Output‘) kann geringer ausfallen.“

Da es um Kontaktred­uzierung als einen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie geht, wird im Neusässer wieder Zweischich­tbetrieb mit mobilem Arbeiten eingeführt. Dieses Modell wurde bereits im ersten Lockdown praktizier­t. Die Belegschaf­t wird in zwei Schichten eingeteilt, die tageweise abwechseln­d im Büro und zu Hause arbeiten. So sind jeweils nur etwa 50 Prozent der Belegschaf­t im Rathaus.

Im Landratsam­t verfügen von den knapp über 1000 Mitarbeite­rn über die Hälfte (ca. 530) über einen Telearbeit­szugang. Zudem stehen noch einige offene Anträge aus, die der IT-Support abarbeitet. Doch nicht alle Stellen seien für Heimarbeit geeignet, erklärt Sprecher Jens Reitlinger. Als Beispiele nennt er die Zulassungs­stelle, den Bauhof oder die Poststelle. Grundsätzl­ich gelte im Landratsam­t Augsburg: „Wer seine Arbeit von zu Hause erledigen kann und das möchte, erhält die Möglichkei­t dazu.“

Zweischich­tbetrieb gilt im Gersthofer Rathaus für alle 100 Mitarbeite­r seit dem Frühjahr mit einer kurzen Pause im Sommer. „Zu Beginn war die IT eine Mammutaufg­abe, aber das läuft inzwischen“, sagt Pressespre­cherin Ann-Christin Joder. Im Rathaus sei jedes Doppelbüro nur mit einer Person besetzt. „Es darf auch keine gemeinsame­n Pauderlich sen geben, wir sehen uns alle wenig“, bedauert Joder. Auch Bürgermeis­ter Michael Wörle gehöre zu einer Schicht. Bei ihm reihe sich an manchen Tagen eine Videokonfe­renz an die andere. Joder beobachRat­haus tet, dass durch die lange Zeit des Homeoffice und des Lockdowns viele Mitarbeite­r sehr froh sind, wenn ihre Büroschich­t ansteht. „Viele sind dann ganz glücklich, mal wieder rauszukomm­en.“

 ?? Foto: Fabian Strauch, dpa (Symbolfoto) ?? Seit der Corona‰Krise arbeiten immer mehr Menschen im Homeoffice – Politiker fordern, dass es noch mehr werden.
Foto: Fabian Strauch, dpa (Symbolfoto) Seit der Corona‰Krise arbeiten immer mehr Menschen im Homeoffice – Politiker fordern, dass es noch mehr werden.

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