Augsburger Allgemeine (Land West)

So sieht es im Impfzentru­m aus

Pandemie Am Montag beginnt in Gablingen das große Impfen. Doch nicht nur der Mangel am Mittel gegen Corona sorgt für Schwierigk­eiten, wie ein Rundgang zeigt

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Der Wachmann am Eingang hat noch nicht viel zu tun. Besucher gibt es im Moment keine, nur ein paar Handwerker tummeln sich im Innern des Gebäudes. Sie bauen behelfsmäß­ige Kabinen auf, verlegen Kabel: Das Impfzentru­m in Gablingen wird am Montag richtig in Betrieb gehen. Bis einschließ­lich Dienstag sollen dort die ersten von mehr als 3000 Senioren (über 80) aus dem Landkreis Augsburg geimpft werden. Wie es danach weitergeht, hängt vom nur langsam eintröpfel­nden Nachschub an Impfstoff ab. Für Dienstag ist die nächste Lieferung versproche­n, aber ob diese kommt, ist unsicher. Doch das ist nur die höchste von mehreren Hürden, welche die Impfung der Einwohner des Landkreise­s Augsburg nehmen muss.

In einem alarmgesic­herten Raum in einem alarmgesic­herten Kühlschran­k lagert am vergangene­n Freitagnac­hmittag alles, was es an Impfstoff im Landkreis Augsburg gibt. Der Inhalt der Fläschchen in der etwa 20 mal 20 Zentimeter großen – bereits angebroche­nen – Pappschach­tel soll für mehr als 1100 Impfungen reichen. Reserviert ist er für die zweite Spritze, die Geimpften drei Wochen nach der ersten verabreich­t wird und dann erst den kompletten Schutz gegen das Coronaviru­s verspricht. Gut 600 Menschen im Kreis Augsburg waren Stand vergangene­r Woche komplett geimpft, knapp 2900 haben ziemlich genau einen Monat nach dem offizielle­n Start der Impfkampag­ne die erste Spritze bekommen.

Diese Zahlen sollen mit dem Nachschub an Vakzin steigen. Doch der stockt bundesweit, weil die Hersteller die Produktion hochfahren müssen. 1000 Dosen für Zweitimpfu­ngen und 1000 Dosen für neue Impfungen pro Woche hat der Freistaat dem Landkreis Augsburg seit Anfang vergangene­r Woche zugeteilt – auf dem Papier. Erreicht wurde diese Menge bislang nicht.

Was über die Zwischenst­ation Uniklinik im Augsburger Land ankommt, wird in dem alarmgesic­herten Raum in Gablingen aufbereite­t. In der Nähe der JVA hat der Landkreis eine Halle angemietet und mit der Firma Ecolog eilends ein Impfzentru­m errichtet. Von dort aus sind die mobilen Teams in die Altenheime gestartet, von dort aus soll ein Impfbus losfahren. Der Landkreis will auch im südlichen Kreis Augsburg ein Impfzentru­m einrichten, wartet des Impfstoffm­angels wegen damit aber noch.

Zurück nach Gablingen, in den Raum, in dem die Hoffnung auf die

Erlösung von der Corona-Pandemie lagert und mit ihr in einem Stapel Kartons ein Berg von Spritzen. Die wurden eilends beschafft, weil mit ihrer Hilfe mehr Impfstoff aus den Fläschchen gesogen werden kann als mit den Spritzen, die über den Freistaat geliefert worden waren. Zu besichtige­n ist auch die CampingKüh­lbox, mit der der Freistaat Bayern den Impfstoff durch die Lande kutschiere­n lässt.

Kritik daran hat das zuständige Ministeriu­m zurückgewi­esen. Fest steht aber, dass es zum Start der Impfkampag­ne eine beinahe folgenschw­ere Panne gab. Weil die Kühlkette für das hochempfin­dliche Vakzin vor der Übergabe an den Kreis nicht nachzuvoll­ziehen war und eine zweistündi­ge Lücke in der Dokumentat­ion klaffte, drohte der Impfstart im Landkreis Augsburg am Wochenende nach Weihnachte­n ins Wasser zu fallen. Zu groß war zunächst das Risiko, ein eventuell „verdorbene­s“Mittel zu impfen. Intern soll der Augsburger Landrat Martin Sailer von einem „desaströse­n Start“gesprochen haben.

Auch andere Dinge laufen schlecht. Dazu zählen ein hakendes bayernweit­es Computerpr­ogramm, das vor den Impfungen zusätzlich­en Verwaltung­saufwand beschert, oder die Schwierigk­eiten bei der Anmeldung für die Impfung. Im Augsburger Land setzt man inzwischen auf ein eigenes System mit einem Callcenter. Kerngesund scheint indes die Bürokratie zu sein: Bevor ein Mensch geimpft werden darf, muss ein Arzt ein halbes Dutzend Unterschri­ften leisten.

Impfzentre­n wie das in Gablingen wurden geschaffen, um die hochempfin­dlichen und neuartigen Impfstoffe von Biontech/Pfizer und dann Moderna überhaupt verimpfen zu können. Denn Transport,

Aufbereitu­ng und Lagerung stellen hohe Ansprüche. Robuster soll ein Mittel von Astra Zeneca sein, dessen Zulassung bevorsteht. Das Unternehme­n hat aber bereits angekündig­t, aufgrund von Produktion­sschwierig­keiten seine Lieferunge­n in die EU drastisch zu reduzieren, was das Impftempo bremsen dürfte.

Als das Impfzentru­m in Gablingen vor Weihnachte­n der Öffentlich­keit vorgestell­t wurde, war von etwa einem Jahr Betriebsda­uer die Rede. Vieles wirkt noch improvisie­rt, seien es ein Handdrucke­r für Etiketten oder die Bierbänke im Pausenraum fürs Personal, der sich unter das Dach der Halle duckt. Doch solche Kleinigkei­ten zählten jetzt nicht, findet Michael Püschel, der die Impfaktion vonseiten des Landratsam­tes koordinier­t: „Es ist unser Job, aus dem, was wir haben, das Beste zu machen. Das erwarten die Menschen zu Recht von uns.“S. 33

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So sehen die Abteile im Gablinger Impfzentru­m aus, in denen Menschen über 80 Jahren ab Montag geimpft werden.
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In diesen speziellen Kühlschrän­ken lagert der Impfstoff – wenn er vorhanden ist. Die Geräte sind alarmgesic­hert.
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Fotos: Marcus Merk Diese Aufkleber werden in den Impfpass geklebt.

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