Augsburger Allgemeine (Land West)
So sieht es im Impfzentrum aus
Pandemie Am Montag beginnt in Gablingen das große Impfen. Doch nicht nur der Mangel am Mittel gegen Corona sorgt für Schwierigkeiten, wie ein Rundgang zeigt
Landkreis Augsburg Der Wachmann am Eingang hat noch nicht viel zu tun. Besucher gibt es im Moment keine, nur ein paar Handwerker tummeln sich im Innern des Gebäudes. Sie bauen behelfsmäßige Kabinen auf, verlegen Kabel: Das Impfzentrum in Gablingen wird am Montag richtig in Betrieb gehen. Bis einschließlich Dienstag sollen dort die ersten von mehr als 3000 Senioren (über 80) aus dem Landkreis Augsburg geimpft werden. Wie es danach weitergeht, hängt vom nur langsam eintröpfelnden Nachschub an Impfstoff ab. Für Dienstag ist die nächste Lieferung versprochen, aber ob diese kommt, ist unsicher. Doch das ist nur die höchste von mehreren Hürden, welche die Impfung der Einwohner des Landkreises Augsburg nehmen muss.
In einem alarmgesicherten Raum in einem alarmgesicherten Kühlschrank lagert am vergangenen Freitagnachmittag alles, was es an Impfstoff im Landkreis Augsburg gibt. Der Inhalt der Fläschchen in der etwa 20 mal 20 Zentimeter großen – bereits angebrochenen – Pappschachtel soll für mehr als 1100 Impfungen reichen. Reserviert ist er für die zweite Spritze, die Geimpften drei Wochen nach der ersten verabreicht wird und dann erst den kompletten Schutz gegen das Coronavirus verspricht. Gut 600 Menschen im Kreis Augsburg waren Stand vergangener Woche komplett geimpft, knapp 2900 haben ziemlich genau einen Monat nach dem offiziellen Start der Impfkampagne die erste Spritze bekommen.
Diese Zahlen sollen mit dem Nachschub an Vakzin steigen. Doch der stockt bundesweit, weil die Hersteller die Produktion hochfahren müssen. 1000 Dosen für Zweitimpfungen und 1000 Dosen für neue Impfungen pro Woche hat der Freistaat dem Landkreis Augsburg seit Anfang vergangener Woche zugeteilt – auf dem Papier. Erreicht wurde diese Menge bislang nicht.
Was über die Zwischenstation Uniklinik im Augsburger Land ankommt, wird in dem alarmgesicherten Raum in Gablingen aufbereitet. In der Nähe der JVA hat der Landkreis eine Halle angemietet und mit der Firma Ecolog eilends ein Impfzentrum errichtet. Von dort aus sind die mobilen Teams in die Altenheime gestartet, von dort aus soll ein Impfbus losfahren. Der Landkreis will auch im südlichen Kreis Augsburg ein Impfzentrum einrichten, wartet des Impfstoffmangels wegen damit aber noch.
Zurück nach Gablingen, in den Raum, in dem die Hoffnung auf die
Erlösung von der Corona-Pandemie lagert und mit ihr in einem Stapel Kartons ein Berg von Spritzen. Die wurden eilends beschafft, weil mit ihrer Hilfe mehr Impfstoff aus den Fläschchen gesogen werden kann als mit den Spritzen, die über den Freistaat geliefert worden waren. Zu besichtigen ist auch die CampingKühlbox, mit der der Freistaat Bayern den Impfstoff durch die Lande kutschieren lässt.
Kritik daran hat das zuständige Ministerium zurückgewiesen. Fest steht aber, dass es zum Start der Impfkampagne eine beinahe folgenschwere Panne gab. Weil die Kühlkette für das hochempfindliche Vakzin vor der Übergabe an den Kreis nicht nachzuvollziehen war und eine zweistündige Lücke in der Dokumentation klaffte, drohte der Impfstart im Landkreis Augsburg am Wochenende nach Weihnachten ins Wasser zu fallen. Zu groß war zunächst das Risiko, ein eventuell „verdorbenes“Mittel zu impfen. Intern soll der Augsburger Landrat Martin Sailer von einem „desaströsen Start“gesprochen haben.
Auch andere Dinge laufen schlecht. Dazu zählen ein hakendes bayernweites Computerprogramm, das vor den Impfungen zusätzlichen Verwaltungsaufwand beschert, oder die Schwierigkeiten bei der Anmeldung für die Impfung. Im Augsburger Land setzt man inzwischen auf ein eigenes System mit einem Callcenter. Kerngesund scheint indes die Bürokratie zu sein: Bevor ein Mensch geimpft werden darf, muss ein Arzt ein halbes Dutzend Unterschriften leisten.
Impfzentren wie das in Gablingen wurden geschaffen, um die hochempfindlichen und neuartigen Impfstoffe von Biontech/Pfizer und dann Moderna überhaupt verimpfen zu können. Denn Transport,
Aufbereitung und Lagerung stellen hohe Ansprüche. Robuster soll ein Mittel von Astra Zeneca sein, dessen Zulassung bevorsteht. Das Unternehmen hat aber bereits angekündigt, aufgrund von Produktionsschwierigkeiten seine Lieferungen in die EU drastisch zu reduzieren, was das Impftempo bremsen dürfte.
Als das Impfzentrum in Gablingen vor Weihnachten der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war von etwa einem Jahr Betriebsdauer die Rede. Vieles wirkt noch improvisiert, seien es ein Handdrucker für Etiketten oder die Bierbänke im Pausenraum fürs Personal, der sich unter das Dach der Halle duckt. Doch solche Kleinigkeiten zählten jetzt nicht, findet Michael Püschel, der die Impfaktion vonseiten des Landratsamtes koordiniert: „Es ist unser Job, aus dem, was wir haben, das Beste zu machen. Das erwarten die Menschen zu Recht von uns.“S. 33