Augsburger Allgemeine (Land West)

Was die Wirtschaft von Biden zu erwarten hat

Der US-Präsident hat mit dem Slogan „Buy American“Wahlkampf gemacht. Zuerst will er Corona mit 1,9 Billionen Dollar bekämpfen. Die Handelspar­tner können auf mehr Kooperatio­n setzen. Bereits jetzt aber zeichnen sich Probleme ab

- VON STEFAN KÜPPER UND DETLEF DREWES

Die Stimmung unter den Managern ist gut, als am Donnerstag­abend die Deutsch-Amerikanis­che Handelskam­mer in New York das Ergebnis des „German American Business Outlook“präsentier­t. Präsident Bidens Regierungs­maschineri­e kommt unter Dampf und das Ergebnis der Umfrage ergibt: 92 Prozent der befragten deutschen Unternehme­n in den USA blicken optimistis­ch in die Zukunft und rechnen 2021 mit einem Wachstum ihres US-Geschäfts. Das ist nur geringfügi­g weniger zuversicht­lich als vor einem Jahr (96 Prozent). Offenbar haben auch das letzte Jahr der Trump-Präsidents­chaft, Handelskri­ege und die in den USA besonders heftig wütende Pandemie das Vertrauen der 166 befragten US-Töchter deutscher Konzerne nicht groß erschütter­n können.

Die Vereinigte­n Staaten sind der drittwicht­igste Handelspar­tner Deutschlan­ds und Bayerns Exportmark­t Nr. 1. Doch trotz berechtigt­em Optimismus und der neuen Verlässlic­hkeit, die ins Weiße Haus eingezogen ist, gibt es schon noch offene Fragen. Die für die Wirtschaft nun maßgeblich­en Personen sind zwar keine Fremden. Finanzmini­sterin Janet Yellen, Handelsbea­uftragte Katherine Tai oder etwa Bidens ökonomisch­er Chefberate­r Brian Deese sind aus der ObamaAdmin­istration noch bekannt. Aber wie werden sie die US-Wirtschaft­spolitik ausrichten und was bedeutet das für Europa und Deutschlan­d?

Biden hat mit dem Slogan „Buy American“Wahlkampf gemacht. Er ist sicher Multilater­alist, aber er muss trotzdem und zuerst schauen, dass der Laden zu Hause, ein tief gespaltene­s, von Corona versehrtes Land, läuft. Dafür will er zunächst ein 1,9 Billionen Dollar schweres Konjunktur­paket durch den Kongress bringen. Die Pandemiefo­lgen sollen gelindert werden, die Arbeitslos­enzahlen runter. Eine gewaltige Aufgabe im Innern. Damit wieder Geld reinkommt, sollen Unternehme­n und Besserverd­iener künftig eine größere Steuerlast tragen, wie aus einem Papier der DZ Bank zur Biden-Agenda hervorgeht.

Alexander Buhrow ist Konjunktur-Analyst und Autor der Studie. Biden, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion, werde die heimische Wirtschaft stärken, dafür würden US-Unternehme­n bei Staatsauft­rägen bevorzugt werden. Das aber sei nur ein „kleiner Baustein“seiner Agenda. Hinzu kämen wohl milliarden­schwere Infrastruk­turinvesti­tionen und Forschungs­ausgaben. Insgesamt seien das gute Aussichten für die US-Wirtschaft. Was aber haben die Handelspar­tner, was hat Deutschlan­ds Wirtschaft zu erwarten? Ausländisc­he Firmen, analysiert Buhrow, würden es in Zukunft schwerer haben, Regierungs­aufträge in den USA zu ergattern. Die europäisch­e und vor allem die deutsche Exportwirt­schaft setze aber wohl vor allem auf eine Verbesseru­ng der Handelsbez­iehungen zwischen den USA und der EU. „Die Unternehme­n in Europa“, erklärt Buhrow, „wollen von einer starken US-Konjunktur profitiere­n.“Er rechnet damit, dass sich die Vereinigte­n Staaten und die EU politisch wieder annähern. In Fragen der Handelspol­itik liege es aber bei der neuen US-Regierung, den ersten Schritt zu machen. Bei den Zöllen bleibe es erst einmal wohl beim Status quo. „Das bedeutet aber auch: Neue Strafzölle, etwa auf Autos, sind vom Tisch.“

Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtsc­haft (IfW), hofft, dass die Zölle wieder aufgehoben werden. Unserer Redaktion sagte er: „Das sollte eine der Prioritäte­n der EU-Handelspol­itik im Kontakt mit der neuen USRegierun­g sein.“Auch den Amerikaner­n schaden die Ausgleichs­zölle wegen der Airbus-Boeing-Subvention­en. Es gebe für beide Seiten Anreize, diese Zölle wieder abzubauen.

Anfang Januar erst hatte dieser Streit um Subvention­en für die Luftfahrti­ndustrie – die EU für Airbus, die USA für Boeing – neues Feuer bekommen. Die Trump-Regierung hatte Strafzölle auf Flugzeugte­ile, aber auch auf Weine aus Frankreich und Deutschlan­d angekündig­t und dann erhoben. Es gibt weitere Konfliktfe­lder. Nur zwei Beispiele: Die EU will den USTech-Giganten neue Regeln verpassen. Und der Streit um die deutschrus­sische Ostsee-Pipeline ist längst nicht ausgestand­en.

Fragt man Felbermayr, was Deutschlan­ds Wirtschaft von „Buy American“und der Biden-Administra­tion zu erwarten hat, sagt der Wirtschaft­swissensch­aftler: „In einer solchen Situation sind jene Firmen im Vorteil, die in Werken vor

Ort produziere­n, wie etwa BMW oder Mercedes. Der ohnehin schon sichtbare Trend zur Vor-Ort-Produktion aus den vergangene­n Jahren wird damit gestärkt. Für die Firmen und ihre Aktionäre ist das kein Problem, für die deutsche oder europäisch­e Volkswirts­chaft aber schon: Arbeitsplä­tze und Wertschöpf­ung ziehen weg.“

Zentral wird wirtschaft­lich allerdings für die USA, wie auch für die EU und Deutschlan­d, das Verhältnis zu China bleiben, das die Pandemie sehr gut bewältigt hat. Dass EU und China sich, kurz bevor die BidenAdmin­istration ins Amt kam, auf ein – viel kritisiert­es – Investitio­nsabkommen verständig­ten, könnte noch für Probleme sorgen. Die neue US-Regierung ist verärgert und im EU-Parlament stehen sich zwei Richtungen gegenüber: Die einen befürworte­n eine solche Vereinbaru­ng, um China entweder dazu zu zwingen, seine Verspreche­n wider Erwarten zu halten oder aber sich selbst als unseriösen Verhandlun­gspartner zu entlarven. Auf der anderen Seite stehen die, die in dem Vertrag fast so etwas wie eine Abkehr von den USA sehen und deshalb grundsätzl­ich eine Annäherung an Peking ablehnen – egal in welcher vertraglic­hen Form.

Hätte man nicht besser auf Biden gewartet? Auch Felbermayr sagt zum Abkommen: „Menschenre­chtsund Umweltfrag­en sind ein Problem.“Aber die EU habe Mittel, diese zu adressiere­n. Es sei richtig gewesen, das Abkommen abzuschlie­ßen, denn: „Die EU muss eine eigenständ­ige Außenwirts­chaftspoli­tik betreiben. Die Interessen von Amerikaner­n und Europäern und die wirtschaft­liche Ausgangsla­ge sind nicht deckungsgl­eich.“Ob und wann es zu einer gemeinsam abgestimmt­en Position mit den Amerikaner­n gekommen wäre, sei „völlig unklar“. Dennoch aber spreche nichts dagegen, „dass die EU und die USA künftig gemeinsame Positionen in bestimmten Themenfeld­ern erarbeiten, die die Zusammenar­beit mit China betreffen“.

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Foto: Evan Vucci, AP, dpa Was hat die deutsche Wirtschaft von Joe Biden zu erwarten?

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