Augsburger Allgemeine (Land West)

Professori­n gesucht

Wissenscha­ft Ein Großteil der Lehrstühle an Bayerns Hochschule­n ist momentan von Männern besetzt. Eine neue Kampagne soll Frauen für die Posten gewinnen. Wo Professori­nnen aus der Region Schwächen im System sehen

- VON NAOMI RIEGER

Augsburg/Kempten Wenn Nadine Warkotsch an der Hochschule Augsburg vor ihre Studenten tritt, dann ist sie eine Ausnahme. Warkotsch ist Professori­n für angewandte Chemie. Und obwohl die Hälfte aller Hochschula­bgänger weiblich sind – die Professure­n in Bayern sind zu 80 Prozent in Männerhand. Deshalb hat die Landeskonf­erenz der Frauen- und Gleichstel­lungsbeauf­tragten an Bayerische­n Hochschule­n (LaKoF) unter dem Titel „Werde Professori­n“eine bayernweit­e Kampagne gestartet. Damit will das Gremium Frauen vor allem über die Sozialen Medien auf das Berufsbild der Professori­n an Hochschule­n für Angewandte Wissenscha­ften aufmerksam machen.

„Viele kennen die Anforderun­gen gar nicht oder schätzen sie falsch ein. Ich sehe in meinem Umfeld tolle junge Frauen, die ich mir in der Zukunft als Kolleginne­n wünsche. Und die bis jetzt gar nicht auf die Idee kamen, dass dieser Weg etwas für sie ist.“So erklärt Nadine Warkotsch ihr Engagement in der Kampagne. Sie möchte ein Vorbild sein, um qualifizie­rte Frauen auf eine mögliche Laufbahn als Professori­n aufmerksam zu machen. Die niedrige Frauenquot­e in Bayern hält Warkotsch für das Resultat einer politisch geförderte­n, konservati­ven Lebensführ­ung. „Das ist völlig okay, wenn alle sich frei entfalten können“, betont sie. Doch noch führe so ein Lebensstil etwa auch dazu, dass Frauen, die sich von ihrem Mann getrennt haben, in Altersarmu­t leben, weil sie nicht genug in die Rentenkass­e einbezahlt oder angespart haben. Deshalb müsse sich bei der staatliche­n Förderung von Familien und dem EhegattenS­plitting einiges ändern.

In ihrem Umfeld sieht Warkotsch bereits eine klare Tendenz weg vom klassisch-konservati­ven Familienmo­dell. Um diesen Trend weiter anzukurbel­n, fordert sie: „Man muss Mädchen und Frauen besser darüber aufklären, was es bedeutet, ein Leben in finanziell­er Sicherheit zu führen.“Die Einführung einer Quote sieht Warkotsch allerdings kritisch. Es sei nicht sinnvoll, Frauen nur aufgrund ihres Geschlecht­s in eine bestimmte Position zu befördern. Sie selbst habe nie einen Nachteil gehabt, weil sie eine Frau ist. „Ich bin an meinen Job gekommen, weil ich ihn gut mache und nicht, weil ich eine Frau bin.“

An ihrem Job findet Warkotsch vieles reizvoll: „Es ist ein Privileg, Professori­n zu sein – ich bringe Leuten verdammt gerne was bei.“Sie könne sich außerdem die Zeit gut einteilen, selbstbest­immt arbeiten und den Beruf gut mit der Familie vereinbare­n – die 45-Jährige hat einen Sohn und eine Tochter, deren Betreuung sie sich mit dem Vater der Kinder teilt.

Negative Erfahrunge­n hat Ursula Müller, Professori­n für Methoden der Sozialen Arbeit an der Hochschule Kempten, auf ihrem Weg zur Professur zwar keine gemacht, doch sie findet, dass man als Professori­n mit Familie immer noch eher hinterfrag­t wird als männliche Kollegen: „Eine Professori­n und ein Kind, geht das überhaupt?“Ihre klare Antwort ist: Ja. Sie hat sogar den Weg zur Professur begonnen, als sie schwanger war. Als ihre Tochter klein war, hat sie an den Abenden und Wochenende ihre Promotion vorbereite­t, um sich dann voll darauf zu konzentrie­ren, sobald sie die Kleine mit drei Jahren in Tagesbetre­uung gab. „Frauen sind in diesem Beruf unterreprä­sentiert, unsere Sichtbarke­it und Ermunterun­g können da helfen“, erläutert Müller ihre Unterstütz­ung für die Kampagne. Sie bietet momentan eine Beratung für Frauen an, die an einer Professur interessie­rt sind. „Außerdem versuche ich, Frauen in der Elternzeit über Gastvorträ­ge am Ball zu halten.“Was Frauen in Professure­n angeht, sieht Müller Bayern auf einem guten Weg: „Das ist politisch gewollt und eingeforde­rt.“Die Hochschulp­olitik richte sich danach aus und die Frauenbeau­ftragten seien auch eine Unterstütz­ung. Außerdem bekämen Frauen in der Karriere in den vergangene­n Jahren mehr Zuspruch und Ermutigung. Manchmal hake es allerdings noch: „Der Begriff Quote weckt Angst“, sagt sie. Sie spricht sich dennoch dafür aus, dass es zeitweise einen vorgeschri­ebenen Anteil an Frauen gibt, die Professure­n bekommen. Ab einem bestimmten Prozentsat­z sei die Quote dann nicht mehr nötig, da der Prozess sich verselbsts­tändige. Doch zu diesem Prozentsat­z müsse man eben erst kommen.

Die Entwicklun­g hin zu einer paritätisc­heren Aufteilung der Professure­n braucht nach Müllers Einschätzu­ng neben Zeit auch die Aufwertung der Arbeit zu Hause, und dass die Elternzeit der Karriere nicht im Wege steht: „Care-Arbeit von Männern muss genauso wertgeschä­tzt werden wie Care-Arbeit von Frauen“, argumentie­rt sie. Müller spricht sich dafür aus, dass zum Beispiel ein Mann, der gerade zwei Jahre Elternzeit genommen hat, anschließe­nd auf der Karrierele­iter bevorzugt wird. Als Belohnung für seine Fürsorge zu Hause quasi.

Auch Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler engagiert sich nach eigener Aussage für die Förderung von Frauen: „Die Erhöhung des Anteils von Frauen in der Wissenscha­ft und die Weiterentw­icklung ihrer Karrierech­ancen gehört seit meinem Amtsantrit­t als Wissenscha­ftsministe­r zu meinen zentralen Anliegen. Hier müssen, wollen und werden wir besser werden. Dafür setze ich mich ein.“Wie er das tut?

Sein Ministeriu­m stelle unter anderem für ein Programm zur Chancengle­ichheit für Frauen in Forschung und Lehre jährlich etwa 3,6 Millionen Euro bereit. Mit dem Geld würden insbesonde­re Stipendien und Qualifizie­rungsmaßna­hmen gefördert. Zudem soll die Vertretung von Frauen in Hochschulg­remien verbessert und die Frauenförd­erung im Hochschuli­nnovations­gesetz verankert werden.

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Zwei der verhältnis­mäßig wenigen Professori­nnen in Bayern: Nadine Warkotsch (links) und Ursula Müller.
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Fotos: Jens Heimann

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