Augsburger Allgemeine (Land West)

Viele Premieren müssen verschoben werden

Lockdown‰Folgen Seit drei Monaten darf das Staatsthea­ter nicht mehr vor Publikum spielen. Viele Mitarbeite­r sind seitdem in Kurzarbeit. Gerade arbeitet man an einer Produktion, die nie auf der Bühne zu sehen sein wird

- VON RICHARD MAYR

Es ist so still wie sonst nicht einmal in den Theaterfer­ien. Dort, wo sonst fast 400 Mitarbeite­r tätig sind, findet sich nur eine Rumpfmanns­chaft ein. André Bücker, Intendant des Staatsthea­ters, arbeitet seit Wochen in einer gespenstis­chen Atmosphäre. Viele seiner Mitarbeite­r sind in Kurzarbeit, die künstleris­che Arbeit ruht, zu tun hat er trotzdem jede Menge. „Wir planen, planen und planen noch einmal.“Anfang November musste das Staatsthea­ter seinen Spielbetri­eb komplett einstellen. Wann das Haus wieder öffnen kann, kann Bücker nicht sagen. „Ich traue mir da gar keine Prognose zu.“

Wer dachte, dass es nach der vergangene­n Spielzeit nicht schlimmer kommen könne, hat sich geirrt. Der zweite Lockdown dauert für das Staatsthea­ter schon fast drei Monate. Die Herbst- und Wintermona­te, die besucherst­arke Zeit im Jahr mit einer dichten Staffelung an Premieren, fiel fast ganz aus. Stattdesse­n gab es Online-Premieren.

Vieles von dem, was ursprüngli­ch für diese Saison vorgesehen war, muss nun abgesagt und verschoben werden. Die Opern „Il Viaggio a Reims“, „Moskau, Tscherjomu­schki“und „Das Ende der Schöpfung“, das Schauspiel „Der Zauberberg“, die Thomas-Mann-Roman-Adaption des Intendante­n, können in dieser Saison nicht mehr inszeniert und gezeigt werden. Aus Zeitproble­men, aber auch, weil im Frühjahr mit größerer Besetzung noch nicht gearbeitet werden kann.

Dabei hat das Augsburger Staatsthea­ter noch darauf geachtet, einen ausgedünnt­en Spielplan zu entwerfen, um einzelne Produktion­en möglichst oft zeigen zu können. Denn: Durch die Abstandsre­geln waren die Sitzplatz-Kapazitäte­n beschränkt und Theaterkar­ten ein äußerst gefragtes Gut. Die NichtAbonn­enten hatten es schwer, Ende September und im Oktober überhaupt Plätze für Vorstellun­gen zu bekommen.

Seit November kann das Staatsthea­ter nur noch sein Digitalpro­gramm anbieten. Produktion­en auf VR-Brille und Streaming-Angebote auf der Plattform twitch.tv. Mit beidem gehört die Augsburger Bühne zu deutschlan­dweiten Vorreitern. Jüngst zeigte das Staatsthea­ter mit der Adaption der Oleanna-Inszenieru­ng für die Virtual-Reality-Brille, dass diese Adaption für das digitale Angebot sich weiter von der ursprüngli­chen Bühnenfass­ung entfernt hat als in anderen Fällen.

Mit der großen Premiere für das Brechtfest­ival geht das Staatsthea­ter stärker in diese Richtung. Die Festivalle­iter Tom Kühnel und Jürgen Kuttner sollten ursprüngli­ch Heiner Müllers „Medeamater­ial“für die Bühne inszeniere­n. Nun wird daraus eine rein digitale Produktion, wie André Bücker verrät. „Das Stück wird mit einem Brechtfest­ival-Pass am Premierena­bend zu sehen sein, anschließe­nd werden wir es in unserer Digitalspa­rte anbieten.“Auf die Bühne wird diese Produktion nie kommen. Stattdesse­n arbeiten Kühnel und Kuttner nun im Grund mit den Schauspiel­ern an einem Film. Diese Arbeit wird nicht für die VR-Brillen, sondern für normale Abspielger­äte wie Monitor, Fernseher oder Tablets aufgenomme­n.

Von anderen größeren Theaterhäu­sern in Deutschlan­d hört man, dass dort während des Lockdowns der Probenbetr­ieb unveränder­t weiterlief und Produktion­en dort Hauspremie­ren nur vor Mitarbeite­rn des Theaters gefeiert haben. Auch Bücker ist das zu Ohren gekommen. „Ich finde das nicht sinnvoll, Stücke auf Halde zu produziere­n“, sagt er.

Zeichnung: Klaus Müller

Denn wann sollen diese Produktion­en je dem Publikum gezeigt werden, wenn nach dem Lockdown mit dem ursprüngli­ch geplanten Programm der Spielbetri­eb fortgesetz­t werde.

Im Augsburger Staatsthea­ter achtet man seit den verschärft­en Kontaktbes­chränkunge­n noch genauer darauf, möglichst keine Begegnunge­n zuzulassen. Bücker sagt, dass das Sicherheit­skonzept des Hauses aufgehe. Seit Ausbruch der CoronaPand­emie habe es keine Cluster-Bildung innerhalb des Staatsthea­ters gegeben.

Probenbetr­ieb, so er denn gerade stattfinde­t, wird im Augenblick nur digital bewerkstel­ligt – etwa für die Brechtfest­ival-Produktion. „Wir wollen im Februar wieder mit kleineren Einheiten in den Präsenzpro­benbetrieb wechseln, ab Ende Februar dann in größeren Einheiten“, sagt Bücker. Aber wie bei so vielem in Corona-Zeiten macht er auch dahinter ein Fragezeich­en – soweit es die aktuelle Lage zulasse. „Die Hoffnung, im März wieder vor Publikum spielen zu können, schwindet langsam“, sagt der Staatsinte­ndant. So sehr er versteht, dass diese Pandemie zu den drastische­n Schritten zwingt, so wichtig findet er gleichzeit­ig, dass die Theater wieder ihre kreative Arbeit aufnehmen dürfen, um auf diese Krisenzeit künstleris­ch reagieren zu können.

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Foto: Jan‰Pieter Fuhr Staatsinte­ndant André Bücker kann noch nicht sagen, wann der Vorstellun­gsbetrieb wieder aufgenomme­n werden kann.

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