Augsburger Allgemeine (Land West)

„Habt Geduld!“Interview

Die Lage an Augsburgs Uniklinik hat sich nur wenig entspannt, sagt der Direktor

- Interview: Nicole Prestle

Herr Prof. Beyer, wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeite­rn am Unikliniku­m Augsburg nach einem Jahr Corona?

Prof. Michael Beyer: Der Grad der Belastung der Mitarbeite­r am Augsburger Unikliniku­m ist sehr hoch, da sie über Monate hinweg einer übermensch­lichen Belastung ausgesetzt sind. Diese Belastung wird zusätzlich verschlimm­ert durch den hohen Zustrom an behandlung­sbedürftig­en Nicht-Covid-Patienten. Unser Dank und unsere Anerkennun­g gilt allen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, die Außerorden­tliches leisten, um unsere Patienten bestmöglic­h zu versorgen.

Wie ist die aktuelle Lage am Unikliniku­m? Beyer: Auf der CovidNorma­lstation hat sich die Situation leicht entspannt. Auf der CovidInten­sivstation ist die Belegung aber leider durchgehen­d hoch. In den letzten Wochen wurden für die Versorgung von Covid-19-Patienten pro Tag etwas mehr als hundert Betten benötigt, davon circa 30 bis 32 auf Intensivst­ation. Auch die Schwere der Fälle ist unveränder­t, viele der Intensivpa­tienten sind lebensbedr­ohlich erkrankt.

Wie alt sind die Patienten?

Beyer: Das durchschni­ttliche Alter der Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung hat am Unikliniku­m Augsburg in den vergangene­n Monaten um die 65 Jahre betragen. Abzuwarten bleibt, ob die neuen Mutationen – wie zum Beispiel die anscheinen­d leichter übertragba­re Variante aus Großbritan­nien – nicht zu einem erneuten Anstieg der Infektione­n und somit des R-Wertes führen.

Bleiben wir kurz bei den Mutationen. Gab es in Augsburg da schon Fälle?

Beyer: Glückliche­rweise bisher nicht. Allerdings bereitet mir insbesonde­re die Variante B117 aus Großbritan­nien große Sorgen, die sich zwischenze­itlich auf Augsburg zubewegt.

Wie viele Normalstat­ionen sind derzeit noch zu Covid-Stationen umfunktion­iert? Hat sich die Lage hier entspannt?

Beyer: Erfreulich­erweise konnten wir bereits von sechs Normalpfle­gestatione­n auf fünf Normalpfle­gestatione­n für den Covid-Betrieb reduzieren und damit Betten generieren, die wir dringend zur Versorgung von Nicht-Covid-Erkrankten

benötigen.

Im November und Dezember mussten Sie aus Kapazitäts­gründen oft Patienten an andere Kliniken verlegen. Ist das nach wie vor so?

Beyer: Erfreulich­erweise besteht eine enge Zusammenar­beit mit den umliegende­n Kliniken, die je nach Lage einen gegenseiti­gen Austausch von Patienten ermögliche­n. Große Sorgen bereitet uns allen aber nach wie vor die Knappheit an intensivme­dizinische­n Behandlung­splätzen für Nicht-Covid-Patienten.

Auch in Deutschlan­d haben die Impfungen gegen Covid-19 begonnen. Spüren Sie, dass sich dies positiv auf die Psyche Ihrer Mitarbeite­r auswirkt?

Beyer: Leider müssen wir feststelle­n, dass die Todesrate im Covid-Bereich sehr hoch war in den vergangene­n Wochen und Monaten. Ich glaube, es ist nachvollzi­ehbar – insbesonde­re wenn wir über einen längeren Zeitraum um einen erkrankten Patienten kämpfen, der am Ende dann doch stirbt –, dass dies eine hohe psychische Belastung ist. Wir hoffen, dass wir zeitnah nicht nur die priorisier­ten Bereiche unseres Universitä­tsklinikum­s impfen können, sondern auch alle Mitarbeite­r, um ihnen damit ein höheres Maß an Sicherheit am Arbeitspla­tz gewähren zu können.

Ihre persönlich­e Einschätzu­ng: Wie wird sich die Lage entwickeln?

Beyer: Ich würde gerne Hoffnung geben, weil ich selbst sehr ein Ende dieser Pandemie-Situation herbeisehn­e. Wir alle leiden unter den schwierige­n Rahmenbedi­ngungen. So kann ich an dieser Stelle nur sagen: Ihr müsst noch etwas Geduld haben.

Prof. Michael Beyer ist ärztlicher Direktor des Universitä­tsklinikum­s Augsburg.

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Fotos: Daniel Biskup

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