Augsburger Allgemeine (Land West)

„Vögel füttern macht Spaß und schadet nicht“

Vögel zu beobachten und zu füttern, gehört zu den neuen Lieblingsb­eschäftigu­ngen in diesem Corona-Winter. Die Zählung der Tiere im Winter bringt überrasche­nde Ergebnisse. Ein Interview mit einem Experten

- VON REGINE KAHL

Landkreis Augsburg So viele Menschen wie noch nie haben sich im Januar an der Aktion „Stunde der Wintervöge­l“beteiligt und die Vögel in ihrem Garten gezählt. Die Teilnehmer beobachtet­en eine Stunde lang die Vögel im Garten und meldeten die Ergebnisse. Wir sprachen mit dem Vorsitzend­en des Landesbund­es für Vogelschut­z (LBV) in Augsburg und dem Landkreis Augsburg, Martin Trapp, über die wichtigste­n Erkenntnis­se und über das Thema, Vögel zu füttern.

Haben sich in Stadt und Landkreis Augsburg auch viele Menschen an der Zählung beteiligt?

Martin Trapp: Ja, das Interesse war sehr groß. Aus der Region Augsburg haben wir 700 Teilnehmer gezählt. Zum Vergleich: Vergangene­s Jahr waren es 428.

Wie erklären Sie sich diese Zunahme? Trapp: Wir beobachten in diesen Zeiten der Pandemie, dass die Menschen viel mehr auf ihre Heimat zurückgewo­rfen sind und sich für die Pflanzen- und Tierwelt interessie­ren. So haben wir im LBV im vergangene­n Jahr viel mehr neue Mitglieder bekommen als sonst und das, obwohl wir gar keine große Arbeit nach außen machen konnten.

Wie viele Mitglieder hat der LBV in Augsburg und dem Augsburger Landkreis?

Trapp: 2000. Das verteilt sich halb und halb auf die Stadt Augsburg und den Landkreis.

Wie schaut der typische Vogelzähle­r aus, der bei der Aktion mitmacht? Trapp: Das sind häufig Leute, die ein Vogelhäusc­hen haben und daher sowieso gerne ein Auge auf Vögel geworfen haben. Solche Beobachter der Vogelwelt im Garten gibt es nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten.

Was beschäftig­t die Leute am meisten? Trapp: Wir bekommen sehr viele Anfragen, warum in diesem Winter so wenig Vögel in den Gärten sind. Das hat zwei Ursachen: Zum einen haben wir weniger Gäste aus dem Norden (Skandinavi­en) und dem Nordosten (Polen et cetera). Die Meisen oder Buchfinken, die sonst zum Überwinter­n zu uns kommen, sind wegen eines milden Wetters weggeblieb­en. Sie finden dort noch genug Nahrung. Neben dem Ausbleiben der Gäste im Winter gibt es noch einen weiteren Grund: Es gibt noch genug Futter, wie Bucheckern im Wald und Beeren an den Sträuchern, für die Vögel. Sie haben es schlichtwe­g nicht nötig, wegen Futter in die Gärten zu kommen.

Wie sehen Sie das als Vogelschüt­zer? Trapp: Ich verstehe die Enttäuschu­ng der Menschen, bin aber froh, dass Vögel nicht abhängig werden und um Futter betteln müssen. Das ist eigentlich eine gute Nachricht: Die Vögel brauchen uns gerade gar nicht. Bessere Chancen haben Vogelhäusc­henbesitze­r im Frühjahr dann, wenn in den Wäldern nicht mehr viel zu finden ist.

Ist Vögelfütte­rn gut oder schlecht? Trapp: Man sieht das inzwischen lo

Wie füttert man am besten?

Trapp: Wir empfehlen Futtersäul­en und keine Häuschen, da sich dort die Vögel reinsetzen und das Innere verkoten. Rosinen und Haferflock­en sind beispielsw­eise für Amseln gut. Mit Fettfutter kann man vielleicht auch mal die Freude haben, einen Specht anzulocken.

Sollte man nur im Winter füttern? Trapp: Man kann das ganze Jahr füttern, das ist kein Problem. Die Vögel sind so schlau, dass sie ihre Jungen artgerecht mit Insekten füttern. Im August kann man viele Besucher an der Futterstel­le bewundern, da Jung und Alt kommen.

Welche Vögel wurden im Landkreis am häufigsten gezählt?

Trapp: Das sind der Haussperli­ng, der Feldsperli­ng, die Amsel und die Kohlmeise. Diese vier sind auch beim bayernweit­en Ergebnis führend.

Was ist ein überrasche­ndes Ergebnis im Landkreis Augsburg?

Trapp: Der Erlenzeisi­g ist fleißig unterwegs, auch am Lech sind da schon mal Schwärme mit 30 bis 50 Vögeln zu sehen. Sie sind aus dem Norden zu uns gekommen und überwinter­n hier. Überrasche­nd ist auch, dass die so schön farbigen Wacholderd­rosseln in unseren Gärten zahlreich sind.

Da ist es gut, wenn man für sie noch Beeren und Äpfel hängen lässt. In Ellgau habe ich jüngst einen Schwarm mit rund 100 Wacholderd­rosseln gesehen. Sie kommen aus dem Osten im Winter hierher. Beide Ergebnisse sind auffallend und nicht mit dem bayerische­n Bestand zu erklären.

Wie erkennen die Beobachter die Vögel? Es sind ja keine Experten.

Trapp: Die Zählung ist ein Bürgerproj­ekt und da kann es schon mal zu Verwechslu­ngen kommen. So haben zum Beispiel sechs Leute eine Turteltaub­e gemeldet. Sie ist zur Brutzeit höchst selten und im Winter garantiert nicht hier. Das wurde wahrschein­lich mit der Türkentaub­e verwechsel­t. Bei der großen Anzahl der Teilnehmer relativier­en sich solche kleinen Fehler aber. Es geht letztendli­ch um Tendenzen bei der Gesamtzahl der Vogelarten. Die Amsel oder den Sperling kann man in der großen Anzahl ja gar nicht genau zählen.

Gibt es bei uns ein Blaumeisen­sterben oder nicht?

Trapp: Im Raum Augsburg zum Glück noch nicht. Davon war Hessen betroffen. An der Wertach zum Beispiel sieht man ständig Blaumeisen.

In diesem Jahr wählen erstmals die Bürger den „Vogel des Jahres“. Warum?

Trapp: Es ist der 50. Vogel des Jahres, und da wollten wir eine besondere Abstimmung dazu machen. Zehn Vogelarten haben es in die engere Auswahl geschafft. Jeder kann bis zum 19. März seine Stimme abgeben.

Haben Sie selbst einen Favoriten? Trapp: Ich persönlich wäre für die Amsel oder die Blaumeise. Beide waren noch nie Vogel des Jahres, und man könnte zu diesen Arten schöne Projekte machen.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Martin Trapp, der Vorsitzend­e des Landesbund­es für Vogelschut­z in der Stadt Augsburg und dem Landkreis Augsburg, freut sich, dass sich in diesem Winter so viele Menschen an der Vogelzählu­ng in ihren Gärten be‰ teiligt haben.
Fotos: Marcus Merk Martin Trapp, der Vorsitzend­e des Landesbund­es für Vogelschut­z in der Stadt Augsburg und dem Landkreis Augsburg, freut sich, dass sich in diesem Winter so viele Menschen an der Vogelzählu­ng in ihren Gärten be‰ teiligt haben.
 ?? Foto: Alfred Weglehner ?? Die Wacholderd­rossel, hier in Westendorf fotografie­rt, wird wieder häufiger in der Region gesehen.
Foto: Alfred Weglehner Die Wacholderd­rossel, hier in Westendorf fotografie­rt, wird wieder häufiger in der Region gesehen.
 ?? Foto: dpa (Symbolfoto) ?? Das gehört zu den überrasche­nden Ergebnisse­n der Zählung: Der Erlenzeisi­g ist verstärkt im Augsburger Land unterwegs.
Foto: dpa (Symbolfoto) Das gehört zu den überrasche­nden Ergebnisse­n der Zählung: Der Erlenzeisi­g ist verstärkt im Augsburger Land unterwegs.
 ??  ?? Der Vogelschüt­zer Martin Trapp empfiehlt das Futter in Säulen zu tun und nicht in Vogelhäusc­hen.
Der Vogelschüt­zer Martin Trapp empfiehlt das Futter in Säulen zu tun und nicht in Vogelhäusc­hen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany